Zumutung durch Literatur und Dank an Wikipedia. Arbeitsjournal. Sonnabend, der 29. Januar 2010. Sowie zu Hörbüchern.

5.47 Uhr:
[Arbeitswohnung. >>>> Marilyn Mazur, Jan Garbarek: Elixir.]
Seit zwanzig nach fünf auf den Beinen, und gleich geht es mit den Fenstern von Saint Chapelle weiter. Da ich nachdenken muß, um mir etwas Erzählerisches zu erspinnen, das einen triftigen Übergang darstellt, einzwei Brücken, die die Motivationen und Handlungsgründe verbinden, darf ich Musik hören.

Ein wunderbarer Brief zu meinem >>>> Pettersson-Requiem kam gestern abend noch an, eines Lesers, der um eine CD-Kopie gebeten hatte, weil er von dieses Schweden Musik ähnlich bewegt ist wie ich’s bin. Solche Zuschriften geben einem viel Kraft, weil sie die Sicherheit verleihen, den eigenen Weg unbeugbar weiterzugehen. Ich erwähne den Brief hier nicht nur (aber auch), um dafür Danke zu sagen, sondern weil er noch einen anderen Gedanken formuliert, der mir etwas bewußt machte, das ich mir so noch gar nie vorgestellt hatte.Aber es fällt nicht leicht, mit Persönlichkeiten wie Ihnen zurecht zu kommen. Zu groß ist die Fülle. Es verlangte alles. Und Alles ist zu viel – zumindest für mich und jetzt. Weil es Anderes verdrängen müsste.Das ist mir sehr nachvollziehbar. Ich dachte, meine Güte, so gesehen hat der Mann ja recht; was ich da allein an Masse vorgelegt habe bisher, verlangt, wenn andere das auch nur überschauen wollen, nach einem Zeitaufwand, der ganz jenseits dessen ist, was Leser leisten können, die „von einem Autor ein Buch lesen” wollen. Ein solcher Zeitaufwand ist de facto von den allerwenigsten zu, ja, eben: leisten, einmal abgesehen davon, daß er tatsächlich „anderes verdrängt”. Auch dies ist ein Moment des asozialen Characters intensiven Kunstschaffens – und zwar in der Literatur ganz besonders, weil sich Bilder immer auch mal nur kurz anschauen lassen und auch Musikwerke nur selten mehr als einen Abend beanspruchen. Deshalb stößt das Werk eines und sei es noch so egomanen Komponisten nicht ab, ebenso wenig wie die ja doch gleichfalls unüberschaubare Fülle Picassos. Das Gesamtwerk aber, sagen wir, Goethes muß geradezu notgedrungenerweise wenig gelesen bleiben. Selbst den ganzen Döblin hat kaum wer gelesen oder den ganzen Jean Paul, geschweige Arno Schmidt. Wer ein Werk „ganz” kennen will, wird sich deshalb um ein, vielleicht drei Autoren kümmern können, alle anderen aber mehr oder minder unberücksichtigt sein lassen müssen. Es wird zusätzlich und besonders eng, wenn jemand zudem einer eigenen künstlerischen Idee folgt; das merke ich deutlich an mir selbst. Für Kritik aber und für Juren ist die egomane Zumutung noch um einiges größer, weil mit ihrer Übersicht und Kenntnis Verantwortung verknüpft ist. Deshalb ist es mir gut vorstellbar, daß sie auf die Zumutungen, die ein Werk wie das meine alleine zeitlich für ihren täglichen Arbeitsablauf bedeutet, mit einer Verärgerung reagieren, die ihnen gar nicht bewußt sein muß. Es ist, sozusagen, eine Abwehr aus Not. Daß das nicht zugegeben werden kann, ist klar; dies, auch sich selbst, zuzugeben, bedeutete Kompetenzverlust; den darf kein Kritiker gestatten, wenn er denn Einfluß ausüben und zugleich für gerecht gelten will, wofür doch Kundigkeit eine Voraussetzung ist.

Was nun meine Hörstücke anbelangt, so ist ihr „Vorteil” der der Musik: Auch wenn es unterdessen ihrerseits viele sind, so sind sie doch eben auch in ihrer Gesamtheit nach und nach anzuhören, ohne daß das einen intensiven Einbruch in den Zeithaushalt erfordert; ein deutlicher Vorteil von Hörbüchern insgesamt. Ich bin mir durchaus bewußt, daß ich in den Hörstücken eine mittlerweile unverwechselbare Sprache gefunden habe, deren Vorteil gegenüber meinem geschriebenen Werk in ihrer unmittelbaren Sinnlichkeit besteht; diese macht meine auch dort nicht dem Üblichen folgenden, sich nämlich nicht nach einem marktgeleiteten Bedürfnis streckenden Ästhetik unmittelbar zugänglich. Kurz: sie wird beim Hören der Stücke e r l e b t; niemand braucht so etwas wie einen interpretierenden Schlüssel. Deshalb wird es Zeit, daß meine Stücke endlich einmal, sei’s als CDs, sei es als mp3’s auch auf dem normalen Markt zugänglich werden. Das ist aber, wenn es um öffentliche Vermarktung und nicht nur um mehr oder minder private Weitergaben geht, mit urheberrechtlichen Problemen beschwert, deren Lösung zu teuer werden kann, um die von mir erhoffte CD-Edition Wirklichkeit werden zu lassen. In kleinem Rahmen werde ich dennoch die Stücke >>>> auf Anfrage bereithalten, damit sie nämlich nicht für alle Ewigkeit im Äther verschallt sind. Die beste Übersicht auf das, was es unterdessen da gibt, verschafft zur Zeit Wikipedia. Durchaus mit Genugtuung sehe ich, daß >>>> die dortige Bibliografie im Gegensatz zur seit vier Jahren unbetreuten Site der Fiktionäre nahezu vollständig ist; auch die Hörstücke sind dort unterdessen erfaßt. Dafür einmal ein Dank an die Autoren, die da wirken.

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