Waschen, ein Kinderkonzert und die Oper. Das Sonntagsjournal des 10. April 2011, eines Tages, der mit einem Lebensgemeinschaftstraum begann.

7.12 Uhr:
[Arbeitswohnung nach dem Waschsalon (1).]
Sonntagmorgensfrieden in den Straßen des Prenzlauer Bergs; nur vereinzelt sitzt mal ein Nachzügler aus der Nacht in den Tag, trinkt Kaffee und liest eine Zeitung an den kleinen 24-Stunden-Märkten oder Nachhängerkneipen: denn die Sonne leuchtet schon. Aber kühl, sehr kühl ist noch der Tau.Der Sonntagmorgen zwischen sechs und sieben Uhr ist die allerbeste Zeit für meinen Waschsalon. Da ist er leer, wie wartend, ja er freut sich, wenn ich die Tür öffne mit meinem Rucksack und hereinkomme, damit seine Maschinen nicht mehr allein sind, sondern ein freundlich’ Gesicht sehn. Sogar der Wechselautomat gibt jetzt Münzen heraus. Kein Elend, nur Reinheit. Hier wird um Mitternacht geschlossen, dann kommt die Putzfraukolonne, und morgens strahlt alles wie Persil69, das in meiner frühen Jugend bestimmender Werbeträger im Fernsehen war, neben HB. Da bekomm ich eine Art Heimatgefühl und sortiere vor den Maschinen die Wäsche. Dann stopf ich die Wäsche in die Maschinen hinein, drehe den Knauf ins rechte Programm, und für jede Maschine geh ich gesondert zum Automaten, um zu zahlen und das Waschpulver zu ziehen, getrennt in Voll- und Buntwaschmittel. Meine weißen T-Shirts wasch ich prinzipiell mit der Kochwäsche mit. Ich wäre weniger wohlgelaunt, müßte ich bügeln; doch meine Hemden kommen zum türkischen Schneider in die Reinigung; sie werden gelegt geliefert, was sehr viel Platz spart und die Glätte erhält. 1,75 Euro pro Hemd – das würd ich, auf Stundensätze umgelegt, niemals erbügeln.
Nachdem nun alle Maschinen laufen, diesmal sind es nur drei, radle ich durch den friedlichen Sonntagmorgen zurück an den Schreibtisch. Inmitten des Raums, auf seinem Vulkanlager, liegt noch mein Sohn und schläft.In einer Stunde etwa fahr ich hier wieder los, um die fertiggewaschene und geschleuderte Wäsche in die Trockenmaschinen zu tun. Der Prozeß des Trocknens wird, mit dem Zusammenlegen danach, eine abermalige Stunde erfordern. Danach dann, wieder daheim, wird gefrühstückt. Vater und Sohn.
Nachmittags geht es ins >>>> Kinderkonzert. Mit meinem Sohn, den Zwillingskindlein und लक. Danach werden wir, denke ich mir, ein Eis essen gehen. Und am abend besuche ich >>>> die Premiere der Salomé in der Komischen Oper. Darauf bin ich mit gänzlicher Ruhe gespannt.

Ich habe seltsam geträumt. Ich warf die Frauen zusammen. Sie wurden zu einer jungen Schweizerin. Seltsam. Es war in einer kleinen Stadt wie Bern oder St. Gallen. Wir wurden in ein Haus geführt. Strahlend sagte meine Freundin, ich erinner mich der Zahl genau: „238 Quadratmeter!” Das war erst nicht zu sehen. Ein Arbeitszimmerchen, ein Schlafzimmerchen, ein Flurchen, ein gutes Stüberl, das Badchen. „Meine Eltern haben uns das besorgt.” So daß ich begriff, daß wir auf Wohnungssuche gewesen waren.
Es ging eine Holztreppe hinauf, unters Dach. Das enorm helle, ja leuchtende Dachgeschoß war ausgebaut: ein riesiger Raum. „Hier kannst du arbeiten.” Hier könne ich, dachte ich, zum ersten Mal meine Boxen wirklich hören, weil ihre völlig Klangentfaltung eine Raumdiagonale von 16 Metern braucht. Aber zwei Doppelbetten. Ich überlegte, wie man wenigstens eines von beiden die enge Stiege hinunterbekäme.
Meine Freundin war glücklich. Von ihren Eltern war nichts zu sehen.
„Aber ich werde meine Berliner Arbeitswohnung behalten”, sagte ich.
Dieser Satz löste eine Bewegung der Trauer, wie Wellen, aus, die über ihr Gesicht lief. Ich wußte, was sie dachte: Du sicherst dich ab, du verläßt deinen Bereich nicht wirklich, du läßt dich nicht auf mich ein. Ich kann mich nicht einlassen, dachte ich, denn ich habe einen Sohn. Den verlasse ich nicht. Nie. Nicht, bis er volljährig ist. Außerdem brauche ich die Arbeitswohnung beruflich. Zudem hätte ich in diesem Dachgeschoß, der schrägen Wände wegen, die zudem zu über der Hälfte aus Glas bestanden, meine Bücher und Musiksammlung nicht untergebracht.
Die Traurigkeit war aus dem Gesicht meiner Freundin nicht wieder hinauszubekommen. So daß ich’s aufgab und erwachte.

9.12 Uhr:
[Arbeitswohnung nach dem Waschsalon (2).]
Alles erledigt, und mein Junge, tatsächlich, schläft immer noch.
Die Pavoni zischt: ruft für den zweiten Latte macchiato.

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