Auch über Zuspruch und Kritik. Das Beiseiteräum- und sowieso Ordnungs-Journal des Freitags, dem 1. Juli 2011. Sowie zur Bildung. Doch abends Zenders Hölderlin

8.18 Uhr:
[Arbeitsjournal.]
Also fertig mit >>>> dieser Arbeit; es ist aber noch die Akzeptanz der Redakteurin abzuwarten, die eine sehr genaue Hörerin und nicht sehr leicht zu begeistern ist – so, wie mein alter Deutschlandfunk-Redakteur Zenke es auch nie war. Aber wenn diese Leute dann “gut” sagen, ist es mehr, als wenn andere in Stürme der Begeisterung ausbrechen. Ihre Skepsis hat mir viel geholfen und mich weitergebracht, als ich anders je gekommen wäre. Ich brauche diese Prokler, die eine ganze Rundfunkgeschichte im seelischen Treibnetz haben und Zusammenhänge rein erspüren, weshalb sie sich nichts vormachen lassen. Das ist auch die Stärke der Lektoren, die ich schätze; im Prinzip, aber auch in der Haltung, geht es >>>> darum, also um den Inhalt des Bildungsbegriffs. Gelebte Bildung bedeutet, daß sie zu einem seelischen Teil des Eigenen wird, das sich Neuem gegenüber offenhält, und Neuen, aber auf den Erfahrungen seines Inhalts beharrt und ihn nicht anheimgibt.

Latte macchiato, Morgenpfeife, verschlafen. Weil ich mal wieder bis halb drei Uhr nachts Filme geguckt hab. Außerdem trieb mich das Testosteron durch die Pornosites. Strauss-Kahns Fall hat, wie ich’s mir dachte, übel zu riechen begonnen; ich fürchte nur, man steckt die Nasen in einen falschen Haufen. Politisch wurde das Ziel erreicht, also was soll man denn Mann noch mit elektronischer Fessel rumlaufen lassen? Wär ja dumm für die Öffentliche Hand, wenn er schließlich die Kosten seiner Verwahrung nicht mehr tragen könnte.
Hier ist dringend Ordnung zu schaffen, auch sauberzumachen. Es sieht aus wie bei einem Junky vorm Exitus, jedenfalls verwahrlost; soviel zur Verwahrung. Der Schreibtisch braucht wieder Struktur wie ich selbst (das – das Ichselbst – braucht wieder eine Zeitregel: früh aufstehen, arbeiten, Sport, Mittagsschlaf, weiterarbeiten und abends erst die Zügel lose, aber auch nur bis spätestens halb eins), und das Ritual der inneren Struktur wird erleichtert durch eine äußere der direkten Umgebung. Damit leg ich also gleich mal los. Parallel ein Backup des Systems und aller Dateien. Zum Beispiel ist aber auch mal wieder was einzukaufen. Außerdem wird die Löwin kommen in der nächsten Woche; da sollte es hier glänzen. Damit sie, zum Beispiel, vom Fußboden essen kann.
Nach der Putzerei normales Monatsbeginnszeug: Geldwege usw., Ablage. Dann zum Sport. Und nachmittags schließlich an das Lektorat der Kleinen Litblog-Theorie. >>>> Abendscheins Anmerkungen liegen hier seit Wochen auf dem Schirm.
Am Abend höre ich mir dann noch einmal, wieder über die Boxen, das Hörstück in der letzten Montage an; vielleicht bitte ich jemanden hinzu; das hängt aber davon ab, ob mein Junge heute hier schlafen wird. Jedenfalls mag ich Kontrolle, also den Filter durch andere Ohren und Augen. Ich höre darauf, auch hier, in Der Dschungel, immer wieder. Die Bemerkungen und Kritiken wirken nach und gehen ins Ergebnis ein. Deshalb vorveröffentliche ich fast von jeder neuen Arbeit Auszüge in Der Dschungel. Sogar aus ganz offensichtlich übelmeinenden und hämischen Kommentaren filtre ich eine Essenz, die zur Konturierung meiner Ästhetik beiträgt. Es ist doch das Problem des Zuspruchs, daß man mit ihm nicht arbeiten kann, so wohl er einem persönlich auch tut: so not er tut.

11.49 Uhr:
[Alberto Franchetti, Germania.]
So, der Schreibtisch ist schon mal fertig.Zwischendurch mit der Redakteuerin telefoniert und einen Telefontermin für heute abend verabredet.
Jetzt geht’s an den zweiten Arbeitstisch.

13.06 Uhr:
[Allessandro Scarlatti, Qui dove (Simone Kermes).]
Nun ist auch der zweite Arbeitstisch fertig und für neue Projekte bereit.Der dicke Stapel ist übrigens, in Wartehaltung, ARGO.
Jetzt an den Mitteltisch, danach dann die Küche und schließlich ich selbst.

17.23 Uhr:
[Vallaincourt/Harvey: >>>> Bhakti ]
Mein Training absolviert, für Kraft heute mit ein bißchen Laufen nachher (3 ½ km), danach einkaufen gewesen, heimgekommen – und im Briefkasten liegt etwas von der VG Wort, das man einen warmen Segen nicht nur nennen kann, sondern muß. Also gleich nochmal losgeschossen und den Espresso kaltwerden lassen, den ich nun kalt trinken werde… na ja, handwarm; wir haben’s ja nicht Winter. Außerdem lagen die Unterlagen (CD/neuer Stick) vom WDR im Briefkasten, fürs Administrative auch einiges in der elektronischen Post. Da muß ich gleich ran und, vor allem, nach diesem VG-Wort-Segen sofort alle Rundfunksendungen nachmelden, die ich in den vergangenen zwei Jahren hatte. Ich bin schlampig mit der Melderei, überhaupt, bekanntlich, mit Buchführungssachen: was jenseits der direkten künstlerischen Arbeit liegt, vergesse ich oder verdräng es. Egal. Und aufsaugen will ich noch, dann ist immerhin die Wohnung wieder einigermaßen in Schuß. Aufwischen tu ich nächste Woche tags vor der Löwinnen-Ankunft; dann sind auch Bad und Toilette tüchtig dran.
Sehr schöne Stücke, dieses „Bhakti”. Nicht zum Putzen geeignet wie Simone Kermes vorhin, aber zur hörenden Meditation. Andere bügeln dafür, ich hör Neue Musik.
Noch weiß ich nicht, wie der Abend laufen wird, ob mein Junge hier schlafen wird, ich krieg ihn nicht ans Telefon. Ich wüßte gern, ob ich Freunde zum Mithören des neuen Hörstücks einladen kann. Also darum kümmer ich mich jetzt noch vor der Staubsaugerei.
Wirklich gearbeitet hab ich heute nix – in Zahlen: NIX.

18.47 Uhr:
[Hans Zender, Hölderlin lesen II für Streichquartett und Stimme.]
Mein Sundowner: ein Talisker. Dazu >>>> Motzeks Herbst 84. Gestaubsaugt ist. So viel Schwierigkeiten ich oft mit Hans Zenders Kompositionen auch habe, >>>> dieses hier ist wirklich so magisch, daß ich die drei Stücke hiermit zur Musik des Tages erkläre… –
-ah! meine Redakteurin am Tel…. [(Links nachher) (Links jetzt).]

Lustig, wenn jemand den eigenen Heimcomputer nicht kennt.

Wo war ich stehengeblieben? Bei Zender, stimmt. Salomé Kammer, einfach großartig. Ich hab ja selbst mal mit ihr gearbeitet, im Jahr 2000 zur Uraufführung meines von Caspar Johannes Walter vertonten Liederzyklus >>>> „Städtebilder”. Unbedingt anhören, also den Zender, oh Leserin.

Wenn das Ding mit der Dropbox geregelt ist, fange ich mit den VG-Nachmeldungen an. Und um neun geht’s >>>> in die Bar auf ein Treffen mit dem Profi. Das Hörstück wird erst morgen abgehört; >>>> BRSMA ist erst wieder ab morgen in Berlin.

19.16 Uhr:
So, die Dropbox steht.

14 thoughts on “Auch über Zuspruch und Kritik. Das Beiseiteräum- und sowieso Ordnungs-Journal des Freitags, dem 1. Juli 2011. Sowie zur Bildung. Doch abends Zenders Hölderlin

    1. Aber Kätzin… das wissen Sie doch, daß meine Black & Decker >>>> in der Serengeti geblieben ist. Vielleicht besorg ich aber auf die schnelle eine neue. Imgrunde fand ich’s gerecht, daß der nette Massai sie mir entwendet hat, also wenn unser Verdacht richtig gewesen ist. Er hat die Maschine ganz sicher nötiger als wir gehabt, weshalb ich den Vorfall ziemlich sofort unter Selbst-Entwicklungshilfe abgebucht habe. Und mich sogar noch gutfühlen durfte. Sowas ist bei Diebstählen selten.
      Nun steh ich aber erstmal mit leerem Versprechen da. Ob Sie mir das nachsehn mögen?

    2. Das leere Versprechen nachsehen? Selbstverständlich. Nicht aber die Frage, mit der es umwickelt ist.

    • »Gelebte Bildung bedeutet, daß sie zu einem seelischen Teil des Eigenen wird, das sich Neuem gegenüber offenhält, und Neuen, aber auf den Erfahrungen seines Inhalts beharrt und ihn nicht anheimgibt.«

    Ich verstehe den Satz nicht. So sehr ich mir Mühe gebe.

    1. @Nömix: Gelebte Bildung bedeutet, daß sie zu einem seelischen Teil des Eigenen ( dessen, was unser innerstes Eigenes ist) wird, das sich Neuem (nämlich neuen Eindrücken, Erfahrungen, auch unerwartetem Fremden) gegenüber offenhält, und Neuen (also neu kennengelernten Menschen; das ist ein Sprachspiel mit Neuem=neuen Erfahrungen und Neuen=neuen Menschen), aber auf den Erfahrungen seines Inhalts (des Eigenen) beharrt und ihn nicht anheimgibt (etwas anheimgeben=unachtsam oder gleichgültig weggeben; ich spiele hier auf das Recht von Herkünften an).

    2. Danke. “Etwas anheimgeben” war mir in der Bedeutung “achtlos weggeben” nicht geläufig, nur in der Bedeutung “etwas jemandem überantworten, seiner pfleglichen Obhut anvertrauen”.

    3. @Nömix ff – bei Ihrer Interpretation (vielleicht ist sie auch richtig, das weiß ich nicht) fällt mir spontan ein: etwas in ein Heim geben… Jetzt kommt es drauf an, wie so ein Heim (Waisenhaus, Altersheim) so ist…

  1. Schopenhauer mit der Büchse der Pandora in der Hand.-
    Wenn einer alles Gelernte vergisst, bleibt (nicht zwingend) übrig, was Bildung heißt.

    1. Wohl wahr, Lutz. Es bleibt sogar g a r nichts übrig außer Trieben und Instinkt.
      Bildung braucht ein Material, dennoch i s t sie nicht das Material. Allein das Holz ist auch dann noch kein Schrank, wenn daneben Schrauben, Klinken und Schloß liegen.

  2. Bildungen (Gebilde) morphologisch verstanden sind etwas anderes als der emphatische Begriff von Bildung. Im Bewußstsein sind jene aber Modelle, welche diesen attrahieren. Würden wir die Modelle vergessen, bliebe die Bildung im günstigen Falle bestehen. Weniger wünschenswert ist die tabula rasa bei einem, der auf den Kopf gefallen ist.

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