Und Carlos Kleiber. Das Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 10. August 2011. Nachdem ich unterwegs war in Sachen.

>>>> Polyamorie.Und ein Gespräch führte, das in die Tiefen unsrer Organe führte. Nein, kein Sex diesmal.

9.14 Uhr:
[Verdi, Otello (Carlos Kleider an Covent Garden 1980).]
Gerade erst zurückgekommen. Da war mir nach diesem ungeheuren Verdi, der, zusammen mit seinem Falstaff, zu ‚meinen’ wirklich großen Opern gehört. Wenn man sie kennt, zittert man vor bestimmten Einsätzen. Immer wieder stellen sich einem die Härchen auf – bei bestimmten Dirigenten und Sängern, nicht immer. Weshalb man auch ärgerlich werden kann oder traurig, wenn eine Tonaura nicht getroffen wurde, ein Ausdruck, eine Phrasierung. Aber es gibt Aufnahmen, ja sogar im Studio hergestellte Aufnahmen, die es immer wieder erreichen, selbst, hat man sie schon Hunderte von Malen gehört. Fast alle Carlos-Kleiber-Aufnahmen erreichen das, im Falle Otellos aber auch der „Otello in Barcelona” unter dem hierzulande nicht sehr bekannten Alexander Rahbari; über seine Einspielung habe ich, erinner ich mich, schon mehrfach geschrieben. Indes mir die Klasse der rigorosen Musik-Auffassung Carlos Kleibers so nahe ist, daß mir eine gesonderte Erwähnung vorkommt, als würde ich Minerva eine Voliere voller Eulen schenken.
Es gehört zu den Traurigkeiten meines Lebens, daß ich Carlos Kleider nie live erlebt habe, obwohl es mir möglich gewesen wäre; entweder war ich verhindert oder es fehlte mir schlicht am Reisegeld. Als er dann, mit 74, verstarb, fing ich zu weinen an wie seinerzeit, als ich erfuhr, daß es Glenn Gould nicht mehr gab. Manches – wie wichtig es einem ist – merkt man selbst dann zu spät, wenn man sich bemüht, ständig wach durchs Leben zu gehen. Ich fürchte, es wird mir mit Keith Jarrett ähnlich geschehen.

Trübsalsbläsereien am Morgen? Nein. Vielleicht ein bißchen Melancholie: der Kinderträume wegen, die zu verabschieden sind, ohne daß man sie ganz loslassen darf – weil man sonst nicht mehr alles beschreiben könnte, nicht mehr empathisch, sondern man würde den Geschehen und Ideen gegenüber spöttisch, was ja, Hand aufs Herz, eine Form der stillen Verzweiflung ist. Die wir vermeiden müssen, schon, um diesen zweiten Jungenroman schreiben zu können: Kinderbücher breiten Leben a u s, wenn sie gut sind, und drängen es nicht auf Zimmer zusammen, die den Eskapismus säen. Was etwa die besondere Realismus-Größe von Stevensons Treasury Island ausmacht, daß er das eben nicht tut. Sondern die Ambivalenzen betrachtet, und zwar mit wissender Sympathie.
Damit bin ich beim eigenen Thema. Guten Morgen. Weiterschreiben.

Abends der Profi, wieder einmal >>>> in der Bar. Fünf Seiten will ich heute schaffen.

(Nachtrag: N i c h t geschafft, sondern knapp eine.)

Arbeitsfortschritt:
Jungenroman II, bis TS 12 oben.

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