ABCH-83-APCA

Gegen zehn Uhr abends hatte ich dann doch das Gefühl, nach Hause gehen zu müssen. Jedes weitere Glas wäre zuviel gewesen. Angefangen hatte Alles gegen zwölf Uhr mittags. Zusammen mit den B&B-Leuten (Alice allerdings als Brautjungfer war schon mit Anderen fort) ging es zwei Städtchen weiter Richtung Orvieto nach Lugnano, zur romanischen Collegiata-Kirche, wo A. und E. beschlossen hatten, sich gestern kirchlich trauen zu lassen. Einig werden. Eines werden. Und tatsächlich: alle waren gekommen. Mittäterschaft des Lesens. Spätestens, als einer der Kleriker auf die Kanzel stieg und mit heiserer, zölibatärer Stimme aus dem Hohenlied vorzuhaspeln begann, entschied ich mich für den Platz vor der Kirche, deren Kosmatenboden den taillierten Kleidern kaum Konkurrenz machen konnte, man bemerkte ihn fast nicht. Eine ungewöhnlich starke Sonne trieb mich immer wieder in die schattige Vorhalle, irgendwann aber doch wegen der Menge in eine solche Nähe zum niedrigen Palmengewächs, daß ich dauernd nur noch das Wort „Stechpalme“ denken mußte. Die ameriner Burschenschaft übte indes quäkende Trötentöne, um dann dem Paar und dem Rest die Ohren zu betäuben. Komisch nur bedingt, daß manche Gespräche darum gingen, wie man mal geheiratet habe. K., zurück vom Bodensee, sagte in ihrem vom dortigen Dialekt eingefärbten Deutsch, in den USA koste das 10 Dollar und dauere 5 Minuten. So hätte sie das gemacht. Ich natürlich wieder auf dem Kapitol (die Fotos davon bei ihr, die ich auch gar nicht haben bzw. wiedersehen will, sie profanierten mir das Schlagwort (irgendein Spruch geistert jetzt in mir, in dem Campidoglio sich auf „la rivoglio“ reimt (ich bin für reimlose Lyrik))). Hernach in den grünen Gefilden hinterm Palazzo Farattini. Die Sonne brannte mir ein Loch in die Lenden, während der Wein nippende, quackelnde, Futter aufnehmende Kopf gleichwohl vom Baldachin im Schatten gehalten wurde. Wenigstens das. In praller Sonne schon ging das Gehopse los, aber da hielt ich mich noch zurück. Ausgelassene Kinder und Beschwipste begossen die Hopsenden mit Wasser, das sie wohl auch dringend brauchten. Irgendwann lernte ich einen Nachfahren des ersten, in Amerika residierenden Bischofs kennen, ob nun ein direkter oder indirekter, habe ich dann doch nicht gefragt. Jenes Geraldini, der Beichtvater der Königin Isabella gewesen und ihr dazu geraten, Kolumbus fahren zu lassen. Roberto erzählte neulich von seinem Grabstein in der Kathedrale von Santo Domingo. Der und sein Freund versuchten nämlich, eine aus New York angereiste Freundin der Braut in eine obskure Diskothek zu locken, der ich dieweil diese Geschichte erzählte. Die allerdings konnte nur Deutsch und Englisch, außer dem Polnischen, ihrer Muttersprache. „Ricercatrice in neuroscienze“ erklärte ich. Der Chef der beiden Freundinnen an der dortigen Uni war ebenfalls von dort angereist. Woher er komme: „Aus Berlin.“ Und wenn ich nicht in ein Gespräch vertieft war oder einfach nur mithopste (es gab irgendwann einen feinen Jazz, denn der Bräutigam ist ein bekannter Jazzfotograf), stand er da, schaute und ließ alles branden, was an Geräuschen in ihm zusammenprallte. Zurück von diesen zehn Stunden Wahnsinn, setzte ich mich in den Schaukelstuhl und schlief prompt ein. Bis zwei.

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