Das Arbeitsjournal mit Allan Pettersson. Mittwoch, der 14. September 2011. Über Verfemung. Mösen sodann, nämlich als Marmor von Porphyr.

6.16 Uhr:
[Arbeitswohnung. Pettersson, Erstes Streicherkonzert.]
Stig Westerberg dirigiert das Schwedische RSO auf Vinyl. Gestern, als ich nach einer „neuen Nadel” schaute, wurde ich erst wieder erinnert, >>>> welch ein Geschoß da über die Schallplatte fährt: nach fünfzehn Jahren steht nun ein Austausch an, mußte aber schon schlucken, als ich den Preis sah.
Seit Viertel vor sechs auf. Erster Latte macchiato. Es ist ein kleiner Text durchzusehen und hinauszuschicken, ein wirklich nur kleines Lektorat, dann geht es an die >>>> Pettersson-Arbeit. Heute früh kommt mir die Ersteinspielung seiner Ersten, bzw. der Fragmente der Ersten, ins Haus. Hoff ich. Die Post muß halt mitspielen. Es wird aber auch ohne gehen. Jedenfalls höre ich mich nun durch sein Gesamtwerk durch, während ich schreibe, bzw. mich vorbereite, also zuerst noch einmal sämtliche Notate lese, die ich seinerzeit für >>>> das Pettersson-Requiem zusammengeschrieben habe. „Schreiben Sie mit Leidenschaft!” schrieb mir die Redakteurin in die Mail von gestern; das sind Sätze, die ich liebe, vor allem dann, wenn sie von Leuten kommen, vor denen ich solche Achtung habe. (Es ist an der Zeit, von Verfemungen zu schreiben und nebenbei von den Dynamiken, die sie in Gang setzen: schließlich wird der Verfemte, wenn er sich nicht beugen will, zu einem wütigen Querkopf und reicht so seiner Ausgrenzung den Grund eigenhändig nach. „Feme” bedeutet eine Genossenschaft, also den Betrieb; jemanden zu verfemen, heißt entsprechend: ihn aus dem Betrieb ausstoßen. Das Wort ist eng mit „feim” verwandt, mit „abgefeimt”, das eben heißt, betriebsintern und heimlich zu entscheiden, ohne offen für Urteile einzutreten oder Verurteilungen legitimieren zu müssen – so betrachtet, ist es auch ein anderes Wort für „korrupt”. Wenn man etwa hört, Barenboim führe Othmar Schoeck nicht auf, weil Boulez den nicht möge… so stand’s einmal in einer Antwort der Lindenoper, noch zu Quanders Zeiten, drin.)
Jetzt bereite ich mir erst mal den zweiten Latte macchiato. Und ich muß mich dringend rasieren, was an mir jetzt schon herumhängt, ist beinahe einen Bart, aber einen juckenden, zu nennen. Zuvor jedoch bereits an den Pettersson, um acht die Löwin wecken, dann schon die ersten Zeilen hinwerfen, werfen, ja! duschen dann und mich kleiden: mittags will ich, daß der Entwurf des Artikels bereits steht. Ich habe achttausend Zeichen, das ist nicht viel, wenn man erzählen möchte; was hier jetzt steht, ist davon – von der Zeichenzahl – schon mehr als ein Drittel. Damit Sie einen Eindruck haben. – Und immer wieder erstarrt man sekundbruchteillang und fängt an zu schwingen und mitzusingen, wenn die Musik einhält in ihrer repetitiven Raserei und den so schweren Vorhang vor der Schönheit öffnet. Dann, immer, kommt ein Licht. Was jetzt schon den Character einiger Sätze hat, die ich in dem Artikel drinhaben möchte… nein: will.

: 7.18 Uhr.
[Pettersson, Drittes Streicherkonzert.]

12.39 Uhr:
[Pettersson, Zweites Violinkonzert (revidierte Fassung von 1978).]
So, jetzt kann ich anfangen zu tippen. Nur dieses eben noch: >>>> ein Nachtrag zum rasierten Geschlecht. Bei TT. Zwischendurch auf Skype ein Interview mit einer Studentin geführt, die zum Verhältnis Literatur & digitalen Medien arbeitet. Jetzt aber brauch ich Leidenschaft.

18.08 Uhr:
[Pettersson, Fünfte Sinfonie.]
Und dann war sie und ist sie noch: der Entwurf ist fertig. Und ist soeben ausgedruckt. Jetzt geht es um die Feinjustierung der Sätze in ihrem ununterbrochenen Fluß. Ob das aber eine Zeitung so macht? Gebaut ist das Ding wie Pettersons Sinfoniensätze selbst. „Unendliche Nähe” steht irgendwo bei Benjamin, der das seinerseits von Schlegel hat.
Ohne Mittagsschlaf durchgearbeitet, nur unterbrochen von einem pikanten Skypeflirt mit der Löwin, vielleicht für eine Viertelstunde. Jetzt wird der Rohling auf dem Papier zur Ersten Fassung korrigiert.

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