Ameise & Rose

Der endgültige Bericht aus dem Krankenhaus ist da. Ich bin aus dem Schneider. Nichtsdestotrotz ist meine Wahrnehmung noch immer eine andere. Seit ein paar Tagen schlafen mir häufiger die Hände und Unterarme ein. Wie konnte ich nur so ein Missempfinden an meinem Körper ausbilden? Klar, es war die Recherche auf eigene Faust, das Hineinkriechen in meine Extremitäten, die täglichen neurologischen Selbsttests, die ich, nachdem sie mir bekannt waren, mit mir selbst durchgeführt habe. Am Ende des Tages, kurz vor dem ins Bett gehen, dann der(!) Test. Immer wieder, mit ausgebreiteten Armen, den Kopf auf den Brustkorb legen. Ameise und Rose. Furcht vor dem Kribbeln im Nacken. Das waren die schlimmsten Wochen. Mal sehen wie es aussieht, wenn ich die Tabletten irgendwann absetze. Ich habe ein wenig Angst davor, dass die Symptome danach nicht verschwinden. Das Muskelzittern z.B..

Gestern, der erste Arbeitstag. Ich wurde gleich mit unserer, einmal im Monat tagenden, SMler Gruppe betraut. Absolut nette Gäste, gutes Trinkgeld, und so einige skurile Szenen hinter geschlossener Tür. Eine Frau, die ihr Essen nur angeleint und kniend am Tisch einnimmt, frei nach dem Motto: Ich weiß wo mein Platz ist. Ein älterer Herr, gekleidet als Dame, mit einer offenbar großen Leidenschaft für Pfefferminztee. Sie bestellt selten etwas anderes. Und immer wieder neue Gesichter und hin und wieder das Angebot an den Treffen teilzunehmen. Ich mag meinen Job! Dennoch: Ich will nicht immer Kellnerin bleiben. Ich muss mein Leben umstrukturieren. Schon seit seit einiger Zeit trage ich mich mit dem Gedanken mein Studium über Bord zu werfen und eine Ausbildung zu machen. Ich brauche es schlicht nicht! Was mich interessiert studiere ich auch so und viel schneller! Vielleicht eines der Dinge, die mich unter anderem aus der Bahn geworfen, bzw. aus dem Gleichgewicht gebracht haben. Ich bin dann doch schon 29! Trotzdem geht es mir gut, vor allem mental. Und da ist diese ungeheure Lust an den Dingen, an Kleinigkeiten, dem Alltag. Ich verbringe viel Zeit im Garten und habe mir fest vorgenommen ab jetzt wieder 2x wöchentlich schwimmen zu gehen. Wär doch gelacht wenn ich es nicht schaffe, als ehemalige Leistungsschwimmerin, mein normales Körperempfinden wieder herzustellen. Als Vorausbelohnung, wie weibisch, habe ich mir gleich einmal einen neuen Bikini gekauft. Sieht gut aus! Auch sone Lust!

11 thoughts on “Ameise & Rose

  1. Ich mag Bikinis, liebe read An. Aber – weibisch, welch ein diskriminierendes Wort! Bitte durchstreichen. Was das Studium anbelangt: Ich habe selbst so entscheiden, damals, es aber später zu 3/8 bereut; die übrigen 5/8, immerhin, waren es wert.

    Nett, übrigens:Eine Frau, die ihr Essen nur angeleint und kniend am Tisch einnimmt.Wie denn? Aus einem Napf? Oder hat sie – ihr Herr sei gescholten – das Problem, mit Gabel und Messer vom Boden her hantieren zu müssen? Das wäre gar nicht elegant.

    1. Das muss von den Tabletten kommen, ich erlebe da zeitweise leicht euphorische Zustände und merke wie wichtig solche Vorausbelohnungen für das Befinden sind. Auf so etwas habe ich vorher eher verzichtet, das ist ganz interessant, eine Lust an sich selbst. Daher vielleicht das Fremdgefühl.

      Was das Studium anbelangt. Eigentlich wollte ich schon nach dem Abitur eine Ausbildung machen, dachte dann aber, jetzt hast du schon mal die Möglichkeit, also tu es. Außerdem, alles was bereits mitgenommen habe bleibt doch, mit oder ohne Abschluss. Ich merke doch wie sehr ich einen strukturierten Alltag brauche und einfach etwas handfestes machen möchte.

      Nein, nach einem Napf wurde bisher nicht verlangt. Außerdem sind wir da nicht adäquat ausgestattet. Einen Hundenapf haben wir. Aber den würde ich nicht bringen. Sie nimmt das Essen am Tisch ein, ob das jetzt aber ein Kompromiss aus Vorsicht ist kann ich nicht sagen. Die sind einfach schon happy eine neue Wirtschaft gefunden zu haben, in der sie aufgenommen wurden nachdem ihnen in ihrer alten, in der sie sich trafen, nahe gelegt wurde sich nicht mehr sehen zu lassen. Daran merkt man einfach, dass wir uns hier nicht in einer Großstadt wie Berlin befinden.

  2. Aus dem Schneider! Rein in die Klamotten. Ach was, mit dem Kalauern such ich nur zu verbergen, wie erleichtert ich bin, das zu lesen. Klingt gut: Neuer Bikini und Lust! (Wasserfrauen – s i c h zu Wasser lassen wie ein Boot….jep!)

    Ich weiß, wie schlimm das ist, wenn der eigene Körper außer Kontrolle gerät. Weil die Lüge von der Leib-Seele-Dichotomie dann offenkundig wird (I can´t forgive Descartes!). Letztes Jahr bin ich zum ersten Mal in Ohnmacht gefallen. Strange. Keine Ursache zu finden. Ist noch zweimal passiert. Ich geh ein wenig vorsichtiger mit mir um. Lehn mich an die Wand, wenn ich den Schwindel aufkommen fühle. Geht ganz gut. “Gleichgewicht verlieren.” Es ist was dran – an diesem Bild, nicht nur a l s Bild. Wenn der Boden wankt unter den Füßen, entstehen ganz neue Perspektiven. Das ist doch auch was!

    Herzliche Grüße

    Melusine

    1. Schlupflust hydrophil Sitzt das Leben wie angegossen ist die Lust mein Schneiderlein.

      Das stimmt, solche Bilder sprechen, ganz unverschlüsselt sogar. Daher lässt man die Patienten auch in ihren Worten beschreiben. Ja, das ist kein schönes Gefühl, die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren, das ist eine Ohnmacht, wie Sie sagen, ohne Macht! Und will man die mit Gewalt zurück, wird es noch schlimmer. Ich habe mich auch eine Zeit lang zum Stabilisieren überall angelehnt. Ich dachte auch andauernd, was der Seele fehlt, das weint der Körper. Und passen Sie auf sich auf Melusine, schließlich will ich mit Ihnen an Frankfurts Häuserwänden entlangschleichen!

      Ganz herzlich,

      An

    2. Eben schreibe ich. Vom Unterschlüpfen, lese
      ich hier jetzt von der “Schlupflust”,
      wobei ich im konkreten Fall
      eher an eine Last denke. Kann
      mich aber auch irren, was nicht
      nur menschlich ist, sondern auch
      fraulich macht.

    3. Nein, davon wusste ich bis eben nichts. Ja Edith, wie steht es da um Sie? Wie finden Sie >>>das? Und welche ist die Ihrige Farbe?

      Und ja, Schlupfverlage gibt es bestimmt, die heißen aber anders. Ansonsten kenne ich mich auf dem Terrain nicht besonders aus.

      Und was ist Ihnen hierbei Last? Sag schon Edith, ich will’s wissen, sonst schiebe ich Ihnen ein paar Schlupfpuppen unter die Zunge. “Still versteckte Selbstspiele” usw. Das haben Sie doch mal an anderer Stelle geschrieben, wenn ich mich nicht irre, als Frau. Ich mache mir ja eine Vorstellung von Ihnen. Auf was wollen Sie hinaus?

    4. Auf was ich hinauswill. Suche jedenfalls nicht die Nähe formaler Matrizen.
      Daß meine (Halb-)Sätze oft improvisatorisch
      wirken, nimmt deshalb nicht wunder. Ich liebe
      es, mich (zeitweise) an die Tastatur zu setzen und vor
      mich hin zu spielen, e r wird das später, bereits
      etwas lieblos, dieses “ewige Gequatsche” nennen,
      und dann und wann gelingt es mir, Spontanes derart
      in einen Ausruf zu integrieren, daß er wie der Ausdruck
      drängend geborener Sponatiaität wirkt. Auf was ich
      hinauswill? In der Tat, das Rätsel, das diese Frage
      stellt, ist auch für mich selbst bis heute nicht
      befriedigend gelöst. Und was schlußendlich die
      “Selbstspiele” angeht, von denen Sie sprechen,
      ja, man kann sich in großen Verlagen still verstecken
      und kleinen groß herauskommen. Den Schwestern
      interessiert diese Fragestellung nicht:
      Sie schreiben (ohne zu palavern.)

    5. Ja schon gut Edith. Sie sind besessen. Ich hoffe wenigstens Sie selbst kennen die Beweggründe sich unablässig die Blöße zu geben für etwas, das sich offenbar nicht lösen lässt. Und das ist auf Dauer bestimmt wirklich unbefriedigend. Ich selbst würde nicht in einem lieblosen Umfeld verharren wollen.

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