Für Marc Reichwein ein Barthes- & das Böhmer-Journal des Sonntags, dem 4. Dezember 2011, mit einem Bildnis Alexander Gumzs aus dem ‚ausland‘: Lesungsnachschrift.

10.05 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Nun also >>>> Die Welt; da hab ich keinen Grund, unzufrieden zu sein. Als ein Guru bezeichnet zu werden, ist besonders für einen „Paria“ – ich ziehe Nietzsches Begriff des Unholds* vor – nicht völlig ehrenrührig. In die Druckausgabe hat es der Artikel indessen, glaub ich, n i c h t geschafft**. Aber wer gibt nach einer Lektüre schon die URL ins Handy… – Und schön, sogar sehr schön, daß Marc Reichwein meinen eigenen Manierismen einen beigibt, der von ihm stammt und um den ich ihn ein wenig beneide, einen Metaphern-Manierismus nämlich, indem er „Lieferungen“ als „Versionen“ versteht; das, in der Tat, finde ich großartig: weder >>>> der Verleger noch ich selbst sind auf diesen so naheliegenden und ausgesprochen treffenden Gedanken gekommen. Jedenfalls hat etkBooks recht daran getan, nun auch >>>> die eBook-Ausgabe des Bändchens auf den Markt zu bringen. Was die „Erste Lieferung“ anbelangt, so wird die zweite eine Auswahl der >>>> Paralipomena und >>>> Notate, nach vorheriger Überarbeitung selbstverständlich, in die Druckform bringen – also auch da nur das, was „haltbar im Buch“ ist, bzw. von dem wir glauben, daß es so sei.

So haltbar wie >>>> die Elegien, wie ich es selbst hörte, als ich >>>> gestern las. Es waren nur wenige Leute da, knapp zwanzig, was schade war, aber doch zu erwarten gewesen, wenn man eine Literaturveranstaltung auf den anbrechenden Abend eines Sonnabends legt, wenn die zu raven gesonnene Jugend, eine so frühe wie späte, sich auf den Club zubereitet, meist im Vorschlaf also; und ein älteres Publikum ist an dem Ort nicht unbedingt zu erwarten und/oder sowieso in Familien gebunden. Das nahm dem „Event“ aber nichts. Anfangs las Gumz, dann ich, und zwar als Einstieg die Erste, dann war Pause, dann las Gumz zwei sehr schöne Gedichte der ihrer erkrankten Mutter halber verhinderten Kalász, dann wieder ich, nunmehr die Neunte, zum Abschluß noch einmal Gumz, dessen erstvorgetragenen Gedichte mir gut gefallen hatten, hingegen er seinen nun zweiten Part, elektronisch dilettierend, restlos zerdaddelte; da half es auch nichts, daß jemand von hinten „Zugabe“ rief, gedämmt freilich, denn wir waren für wirkliches Rufen wirklich ein Weniges zu wenige.

Tief glückhaft allerdings, für mich, die Anwesenheit लक्ष्मीs; die der zwei Freunde sowieso. Allerdings trennten wir uns gleich hernach, es war auch schon halb zwölf.

[*🙂 „Ihr Nietzsche, jetzt Unhold“
so unterzeichnete der Mann einen der
Brief an Rohde.

**) Das hab ich dann wohl >>>> falsch geglaubt.]

Ich bin mal wieder etwas desolat, wie immer nach Abschluß einer >>>> größeren Arbeit. Meist geht das, so auch nunmehr, mit wild durch das Netz surfenden Test(p)osteronschüben einher; imgrunde müßte ich, sowie ich sie merke, aber nicht eigentlich Zeit habe, sofort Hand anlegen, doch andererseits genieße ich diese Wellen der Erregtheit, bin viel zu wenig Asket, um es zu halten wie mein Stiefvater, der in solchen Verfassungen – tolles Wort für einen Völkerrechtsjuristen – schnurstracks ins Bordell ging. „Dann hab ich‘s hinter mir“: so erklärte das der da schon alte Mann. Meiner Mutter, die Sexuelles nur mit gerümpftem Pragma akzeptierte, war das protestantisch ein Segen -. Jedenfalls unterbrachen meine Anfälle grob die Lektüre, in der ich doch grad drinnen war. Andererseits ist‘s ja mein Thema, um >>>> Röhnert zu entsprechen: Pornographie im Werk Paulus Böhmers. Ich werde klarstellen, daß es sich um eine solche nicht handelt, sondern um den Ausdruck eines, der am Anfang und am Ende körperlich wahrnimmt – was eine Abwehrbewegung gegen Sublimation ist, nämlich ein Begreifen des im Alten Sinn tragischen Zustands, dem wir anheimgegeben sind. Ab morgen, wie weit ich dann auch immer im Lesen sei, werde ich zu schreiben beginnen:

Kaddish
den Arealen des Hypothalamus,
daß wir in Flammen verzehrt die Flammen büßen,
die wir nicht zu bändigen (ver)mochten, Kaddish
der Konspiration von Hirn, Hormon, Immunsystem
und den Entladungen der chemischen Sprachen
(in einem Raffinement, mit dem kein Logiker je
zu träumen wagte, mit Blindheit geschlagen
für die körperlichen Aspekte des Selbst, ein Simandel!),
die wie Ebba und Brut sind, Mondphasen,
Geburtswasservorgänge, die das Gleichgewicht außer
Kraft setzen zwischen Innen & Außen, zwischen dem Ab-
grund des Ich(s) und der Öde der
Objektivität,
wie die Ausstrahlungen bunt
geäderten Marmors, wie die
von irrenden Surrealisten entdeckte Klumpung
der Materie im All, wie Enzensbergers fünfzehntausend Schattierungen,
wie die stets latente Gegenwart des Todes.
>>>> Paulus Böhmer, Vierter Kaddish.

5 thoughts on “Für Marc Reichwein ein Barthes- & das Böhmer-Journal des Sonntags, dem 4. Dezember 2011, mit einem Bildnis Alexander Gumzs aus dem ‚ausland‘: Lesungsnachschrift.

    1. Man könnte glatt den Eindruck gewinnen, dass Sie seit dem Skandal um “Meere” nur noch im Netz publizieren. Und warum ist das Weblog nicht verlinkt? Ansonsten aber fein, der Artikel.

    2. @Phyllis zur einen Dimension. Daß ein Link fehlt, fand auch ich bedauerlich. Wegen der anderen, nur als inexistent bezeichneten Publikationen muß man annehmen, der Rezensent wisse gar nichts von ihnen. Um Kenntnisnahme zu erreichen, genügt Annoncierung nicht, auch nicht eine hier in Der Dschungel; sondern dahinter muß unterdessen Marktmacht stecken, also Kapital. Erst dann wird wahrgenommen. Das liegt in der Logik des demokratischen Kapitalismus, meint: des Mainstreams, der ja erzeugt wird von wiederum Interessen. (Sie wissen doch, was “Zins” im Englischen heißt.)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .