Das mit einem Filmriß erwachte Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 23. Mai 2012, das sich heute erst einmal um Ärzte und das Geldverdienen dreht. Ein kleiner Beitrag gegen die Äquivalenzform.

8.20 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Können Sie mir bitte sagen, wie ich ins Bett gekommen bin? Weshalb ich den Wecker nicht hörte? Sondern ich erwachte erst eines kreuzunglücklichen Anrufs लक्ष्मीs halber um viertel vor sieben; da war die Frau erst einmal zu beruhigen; unmittelbar mußte ich hell wach sein: männlicher Stimme, den Patriarchen darin, der sich kümmert. Alles vorher hatte ich aber vergessen, auch daß ich gestern, also heute nacht noch mit Wien telefonierte, was die Löwin gerade Stein auf Knochen behauptet hat. Keine Erinnerung. Die Hitze, diese gute, spann mich in einen Kokon des Schlafs, wobei mir jetzt morgendämmert – dabei ruft die Sonne bereits ihr mittägliches Prallen heraus: ein Lichtrufen ist das, fürwahr -, daß ich schwer geträumt: in Schachteln, darinnen Hanses („Jacks“), mit grinsend wippenden Köpfen auf den Spiralen. Irgend sowas. Hm.
Also umdisponieren, Argo jetzt erst; macht auch nichts, da ich momentan, von den >>>> Irsee‘er Lektoraten abgesehen, nicht mehr zweifächrig arbeiten muß, sondern mich auf den Roman konzentrieren kann – jedenfalls, bis ich von meiner Redakteurin Bescheid wegen des >>>> Galouye-Hörstücks habe. Danach ist noch mal ein bißchen zu modifizieren, vielleicht nur zu kalibrieren. Und das nächste Stück, über Gerichtsvollzieher, schon anzugehen; der Profi will da helfen, da meine eigenen Kontakte auf meine Briefe nicht reagiert haben. Da sollte ich überdies nachhaken, freundlich, logisch, es geht mir um eine Kulturgeschichte und überhaupt nicht um Niedermacherei; geht mir um Schicksale Geschicke, Auren, Hoffnungen, Verzwirnungen. Aber produziert soll das eh erst im Spätherbst werden. Dann wird – und muß, vor allem – die Argo-ÜA schon abgeschlossen sein, jedenfalls im ersten Durchgang („ÜA“ ist mein Kürzel für „Überarbeitung“; „ÜT“ ist das für „Übertragung“, d.h. der handschriftlichen Korrekturen und Ergänzungen ins Typoskript, für das wiederum mein Kürzel „TS“ steht).
Ach ja, drei CD-Kritiken sind zu schreiben, davon nur eine für die FAZ; die beiden andren CDs sind marginal, und eine vierte werde ich zu besprechen ablehnen: solch eine Weichspülermusik; ich hab das schon mal erwähnt, glaube ich. Und wegen der Nachbesserungs-OP am rechten Auge ist der Profi entschieden der Meinung, daß das g a r nichts zu kosten habe; das solle ich meiner Ärztin so sagen. Ich wiederum denke, ach Gottchen, die 300 Euro sind mir das wert; denn, wäre man mir nicht derart weit im Preis entgegengekommen, müßte ich immer noch Brille tragen, wäre kreuzunglücklich damit; warum soll ich das so nicht auf die Korrektur anwenden? „Ich weiß von XXX, w i e viel Geld die scheffeln mit ihren Augen-OPs… nein, da würde ich nichts zahlen.“ Nun hab ich aber gar nichts dagegen, wenn jemand sehr viel Geld verdient und auch reich wird damit, daß er andere Menschen glücklich macht; ich hab da gar keinen Neid und freu mich, wenn ich Yachten sehe, weiße, herrliche Boote, und Oldtimer, zum Beispiel, wie den offenen Jaguar neulich; daß sie erscheinen reicht mir, ich will sie gar nicht haben und unterhalten müssen – englische Autos, ich sage Ihnen…. – Was mich allerdings geärgert hat: Ich brauche eine Tauchbefähigungs-Bescheinigung (absolut deutsches Wort das, und s c h l e c h t e s Deutsch, eben), und nahbei gibt es eine junge, übrigens bezaubernde Ärztin, bei der ich auch einmal gewesen, dann aber nicht wieder, weil ich nur, wenn ich muß, zum Arzt gehe. Damals schon, vor zwei Jahren etwa, meinte sie, ich solle mal dringend einen Gesamtcheck machen – der Profi gestern, die Sau: „Da hat sie recht, du b i s t in dem Alter“ -; der Check wird von der Krankenkasse auch getragen. Also dachte ich mir: na gut, die TBB (siehe schlechtes Deutsch) stellt die Weichen, dann kombinierst du das halt. Also angerufen. „Das müssen Sie aber privat bezahlen, sowas um 170 Euro.“ „Ja, aber ich soll doch sowieso den Check machen…“ „Tauchbefähigungsbescheinigungen sind Privatangele-genheiten.“ Mir will nicht einsichtig werden, wieso man für quasi dasselbe nun 170 Euro zahlen soll. Werde mir das aber erklären lassen und deshalb mal direkt in der Praxis dieser jungen Ärztin vorbeischauen. Soll sie mir‘s ins Gesicht erklären. Der Profi: „Geh zu meinem Freund Soundso, ich ruf da morgen an. Das mit den hundertsiebzig ist wirklich unnötig. Vor allem von jemandem, der so eng lebt wie du es tust.“
Hier rühren sich in der Tat meine Widerspruchsteufel: daß jemand, die oder der wenig Geld hat und sich die Tauchscheine wirklich abspart, dann noch Leute teuer dafür bezahlen soll, daß sie nichts anderes tun, als ein Formular zu unterschreiben – womit, sei‘s das Tauchen, sei‘s das Fallschirmspringen, Flugscheine, was auch immer, denen vorbehalten wird, die viel Geld haben – egal, wie und womit verdient. Es muß einfach möglich sein, ein solches vieles Geld durch etwas anderes auszugleichen, das eine sonstige Eigenleistung ist. An diesem Punkt beginnt für mich Gerechtigkeit. Man bekommt auch Segler-Überfahrten gegen Hand – es ist ein Tausch. Aus dem ist der Geldverkehr überhaupt erst entstanden: also Handlung gegen Handlung, nicht Mark gegen Mark, Dollar gegen Dollar, Rupie gegen Schekel. Um menschlich zu sein, muß die Äquivalenzform unterlaufen werden können.
Dagegen stehen, ich weiß, die Kammern. Daß sich einer meiner Ärzte seine Hilfe mit Autographen engelten ließ und sich über diese nach wie vor freut, ist standesrechtlich verboten. Der Mann macht es trotzdem; ich weiß von einigen anderen, die es selbstverständlich machen; hätte es ein wiederum anderer Arzt nicht ebenfalls getan, wäre mein Vater bereits mit fünfzig gestorben. Und was für Leidensfälle gilt, hat für die Lebensfreude ganz ebenso, wenn nicht sogar erst recht zu gelten.

Und damit setz ich mich an Argo.

13.04 Uhr:
Hab ich natürlich – was heißt hier eigentlich ‚natürlich‘? – n i c h t gemacht, mich an Argo zu setzen. Erst einmal war, nach meinem wichtigen Gespräch mit Titania Carthaga in der Sonnabendnacht, ein noch wichtigerer Brief an >>>> meine Impresaria schreiben, den ich schon zwei Tage vor mir hergeschoben habe. Und als ich dann in die Küche ging, gingen mir die Gedanken zum neuen Hörstück hin und her, zu meinen poetischen Hörstücken insgesamt. Das wollte formuliert sein und >>>> ist es nun auch. Da war dann schon Cellozeit; etwas weniger als anderthalb Stunden, leider, aber Punkt 13 Uhr höre ich stets auf, um niemandes Mittagsruhe zu stören; ich bin mit meiner Musik insgesamt präsent genug in dem Haus, das möchte ich nicht überstrapazieren, zumal ich jetzt, in diesem frühen Hochsommer, die Fenster nicht schließen mag.

Frühstücken jetzt, dann der Mittagsschlaf. Danach endlich Argo und, abends wohl, Irsee-Lektorate ff. (Und >>>> da da ist hübsch, oder? Ich mag Nonnen.)

3 thoughts on “Das mit einem Filmriß erwachte Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 23. Mai 2012, das sich heute erst einmal um Ärzte und das Geldverdienen dreht. Ein kleiner Beitrag gegen die Äquivalenzform.

  1. entgegen meines mir selbst gesetzten Prinzips, hier schreibend und weniger lesend anwesend zu sein, fand ich heute in Ihrem Arbeitsjournal eine sprachliche Unschärfe, die ich nicht unkommentiert lassen kann.

    kalibriren.

    Was wollen Sie damit meinen? Kalibriren bedeutet die Abweichung eines Messgerätes zu einem anderen das als “normal” gilt zu dokumentieren. Es wird oft fälschlicherweise mit “justieren” gleich gesetzt, vielleicht meinten Sie das?

    Herzlichst
    A.H.

    1. @Häusler. kalibrieren:
      1) genau messen
      2) genaues Maß nehmen

      aber eben auch
      3) eichen

      rororo Fremdwörtlexikon, 2. Auflage 1969
      Letzteres bedeutet, das eine Maß an ein anderes, das der definierten Norm entspricht, anzugleichen. Es wird also nicht nur dokumentiert, sondern auch eingegriffen. In diesem Sinn ist das Wort oben verwendet.

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