Zurück. Das Arbeits-, vor allem wieder Argojournal des Montags, dem 12. November 2012. Mit einem Rückblick auf das Seminar und einmal wieder, durch den Deutschen Literaturfonds, eine erfüllte Erwartung.

4.46 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Latte macchiato, Morgenpfeife.
Zuerst das Traumprotokoll einstellen, das ich gestern noch im ICE aufgeschrieben, aber eben nicht mehr in Der Dschungel veröffentlicht habe, weil ich, als ich heimkam, sofort ins Bett wollte, um heute auf jeden Fall gleicher wieder die Routine aufzunehmen. Abgesehen davon glauben Sie nicht, wie sehr einen solche Seminare erschöpfen, sogar jemanden wie mich, für den Kräftemangel normalerweise gar kein Kriterium ist. Diese Arbeit sauge, sagt >>>> Phyllis Kiehl, sie sauge vor allem emotional, was daran liegt, daß die Teilnehmer meist eingeteilt sind; sie gehen nicht aus tatsächlichem Interesse a,m Schreiben, gar an Literatur dahin, sondern es gehört zu ihrem Stipendienprogramm und muß absolviert werden wie irgend ein anderes Pflichtfach auch. Die Lust daran muß man in ihnen erst erzeugen, bisweilen gegen Widerstand, weil sie zudem, als meistens Einserschüler kurz vor dem Abitur, sowieso in enorme Pflichten eingespannt sind, oft auch politisch und/oder anderweitig sozial tätig; hinzu kommen Aktivitäten für Sport, bisweilen ein Instrument usw, dazu oft erschwerte Hintergründe wegen der Migrationsgeschichten teils ihrer selbst, teils ihrer Eltern, Flucht, oft von inneren Verwundungen begleitete Integrationsgeschehen, nahezu immer irgend welche Diskriminationserlebnisse – kurz: jetzt sowas wie Geschichten schreiben zu sollen, muß ihnen bizarr vorkommen. Aber darum geht es auch nicht wirklich, sondern, wir möchten, daß sie sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten für sich selbst finden, eben in der Sprache, die nicht die ihrer Herkünfte ist, auch wenn sie teilweise in Deutschland geboren wurden, verfügen sie doch über deren Tradition, das heißt Selbstverständlichkeit nicht, zwar meistens in der gesprochenen Rede doch, aber sowie etwas wirklich niedergeschrieben werden soll, fallen sie gegenüber sehr viel weniger Begabten anderen ab. Das versuchen wir, ein wenig aufzuheben, und das Leitwort dafür ist Lust, Spaß, Freude. Die will erzeugt sein. Vor allem dies macht die Seminararbeit schwierig. Hinzu kommt, daß viele der jungen Leute, wie die meisten anderen Schüler:innen unterdessen auch, radikal auf Leistung gebürstet worden sind, man kann fast schon von abgerichtet sprechen, und zwar auf eine Leistung als wirtschaftliche Erwartungserfüllung; längst geht es an den Schulen nicht mehr um die Vorbereitung auf etwas wie ein Studium generale, also nicht um Non per schola sed vita, sondern gelernt wird beinah allein noch für das, was die Wirtschaft jeweils verlangt und was fürs staatliche Gemeinwesen Steuergelder abwerfen soll; nicht eigentlich Reife ist mehr opportun, schon gar nicht akzeptierter Wert, sondern Einfügung, Anpassung, Flexibilität an ökonomische Interessen, Mitläufertum, vor allem in Sachen Konsum usw. – noch kürzer: ein gut geschmiertes Zahnrädchen im Laufwerk zu werden. Darüber sollte einen auch das politische Engagement nicht hinwegtäuschen, dessen jeweilige Ausrichtung nicht zuletzt ganz ebenfalls industriell kuratiert ist. – eine fast notwendige, nämlich logische Begleiterscheinung einer kapitalistisch fundierten Massengesellschaft, im Gegensatz etwa zur religiösen Staatsverfaßtheit, für die freilich Ähnliches gilt, nur mit anderem Telos (wobei es durchaus Analogien gibt, zu denen bei uns eine quasi-Sakralität dessen zählt, was „in“ ist; an solcher Abrichtung durch den Massendruck läßt sich ganz ebenfalls sehr gut verdienen – jede Mode weiß nicht nur ein Lied, sondern ganze Opern davon zu singen).
Also ich fiel sofort ins Bett, kam deshalb gut heraus vorhin, will erst einmal mein >>>> DTs für gestern schreiben und dann das Protokoll des Traumes einstellen, von dem ich gestern nachmittag schon etwas abgedeutet habe und das ich im ICE dann niederschrieb. Danach gleich geht es wieder an die Thetis-Neulektüre; möglichst auf 100 Seiten will ich kommen, um gegen Ende der Woche gleich mit dem zweiten Andersweltbuch weiterzumachen, das immerhin kurz genug ist, um in der kommenden Woche den letzten Duchgang Argo zu beginnen; bevor ich da lese, werde ich die Liste einarbeiten, die bereits jetzt aus der Thetislektüre entstanden ist. Wie es aussieht, immerhin, bin ich „in der Zeit“.
Guten Morgen.

6.29 Uhr:
Das neue Traumprotokoll >>>> steht drin.

18.45 Uhr:
[Immer noch und wieder >>>> Pelléas et Mélisande.
Allmählich kann ich das Stück auswendig.]

Hab‘s mir jetzt sogar auf den mp3-Player kopiert, um es weiterzuhören, wenn ich nach dem Abendessen, das ich mit meinem Jungen einnehmen werde, in >>>> die Bar radeln werde, um dort wieder einmal mit dem Profiu beisammenzusitzen; den Säkularramadan habe ich ich, nun gut, nach immerhin einundzwanzig Tagen, abgebrochen. Was an den wunderbaren >>>> Damen im „Palais“ Bijou gelegen hat.
Argo bei Seite 530; drei Tage noch, denke ich, dann gehe ich zum zweiten Andersweltbuch über, das sich vergleichsweise schnell lesen wird. Dann wieder Argo-„direkt“.
Zu den Seminaren findet sich heute bei Tainted Talents >>>> ein wichtiger Grundlagen-, nämlich Vornahme-Text.

Als ich vorhin in den Briefkasten schaute, lag die lang schon erwartete Ablehnung des Deutschen Literaturfonds drin. Weglegen, neuen Antrag schreiben und auch den – vergessen. Ein Dichter zu sein, heißt auch, stoisch zu werden. Wie ein alter Bauer, der sich von seinem Land nicht vertreiben läßt, auch wenn die Möbelhauser da gerne eine weitere Mall stehen hätten.
Vielleicht sollte ich einmal Die Dschungel als zu förderndes Projekt einreichen; da muß dann unter der Ablehnung der Standardsatz gar nicht mehr stehen:Die Gründe für die Entscheidung des Kuratoriums können wir Ihnen leider nicht mitteilen.Denn diese Gründe wüßte dann sowieso jeder. Man muß sowieso nur nachschauen, wer da in der Jury sitzt.

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