Mit dem Mittag: Lastens Ende, neues Licht. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 26. November 2012. Wie Romanfigurinen in die Welt treten: Oh über die Morganen!

5.10 Uhr::
Buchhaltungsmist – den ich gestern so vor mir herschob, daß ich insgesamt zu gar nichts mehr kam, außer halt morgens der Rezension. Ich verordne mir drum heute eine Netz- und Argo- und sonstige Literatursperresperre – bis ich die Kacke vom Tisch hab. (Merke, wie aggressiv es mich macht, und zugleich auch, wie depressiv – mit dem ersten Zustand kann ich umgehen, mit dem zweiten nicht. Weil er mich lähmt und die Gefahr besteht, daß ich erneut nur herumsurfen werde. Genau deshalb: Netzverbot.)

Bin jetzt mal weg.

Bin wieder da: 12.37 Uhr: Eigentlich nicht zu fassen.
[Arbeitswohung. >>>> Hans Werner Henze, Erstes Klavierkonzert.]
Tatsächlich den ganzen Müll fertiggekriegt, sämtliche Belege kopiert, alles zu den zwei Anschreiben und ausgefüllten Formblättern ins Couvert getan und zur Post gebracht. Dann eine Kleinigkeit gefrühstückt, jetzt etwas Zeit bis zum Mittagsschlaf.
An Argo aber morgen erst wieder; heute will ich den sowieso angebrochenen, mit Quittungsrechnerei usw. verschleuderten Tag für andren Kleinkram nutzen, etwa meinen nächsten Antrag, der selbstverständlich auch wieder abgelehnt werden wird (so bereits die letzten zehn oder, glaube ich, sogar elf in Reihe), an den Deutschen Literaturfonds fertigmachen und hinausschicken; Fristablauf ist am Freitag. Vielleicht, daß ich heute noch etwas Zeit finde, zweidrei weitere Stücke der Kleinen Theorie zu bearbeiten, die ich „richtig“ in der nächsten Woche wiederaufnehmen werde, sowie der Argo-Roman beim Lektor liegt. An den WDR schreiben, wegen des nötigen Verschiebens meines nächsten, ja bereits beauftragtenm Hörstücks – all sowas eben. Zu den Depressionen – eine Art Depression muß man sagen, da dieses Gelähmtsein einen Grund hat – hab ich eben was >>>> im DTs notiert, sowie dazu, wie ich sie fast immer bekämpfen kann. „Wie gut, daß es das gibt!“ rief die Löwin heute früh am Telefon aus, und sie meinte nicht meine Vorliebe allein. Darüber sprachen wir ein paar Minuten. Sie war aber, >>>> Frau Frankenbergs wegen, etwas sauer, weil Frauen das wirklich können: eifersüchtig auf Romanfiguren sein, ebenso auf Schauspielerinnen; schon Do, erinnere ich mich, konnte das sein und schätzte es gar nicht, wenn ich flirtende Blicke auf Filmplakate warf. Ich bin mir nicht sicher, aber habe den Instinkt, daß dies eine speziell weibliche Fähigkeit ist; Fähigkeit jedenfalls ist es, weil es ganz Entferntes mit großer Subjektivität aufzuladen versteht, so daß es zu als wirklich empfundenen Menschen wird. Mir geht diese Fähigkeit ab, aber ein bißchen beneide ich Frauen darum. Ähnlich seltsam muteten mich immer die Eifersüchteleien in Chats an; dort sind aber ganz offenbar, wie insgesamt im Netz, auch Männer davon betroffen. Der Komplex wäre sehr wohl eine weitere Miszelle der Kleinen Bölogtheorie wert. Mal sehn. Noch hab ich erst mal etwas anderes, um sie zu ergänzen, in petto.

(Was es eigentlich ist, das mich an Buchhaltung so geradezu irrational lähmt, weiß ich nicht genau – vielleicht, daß ich mir dann immer über meine ökonomische Situation klarwerden muß, wovon ich gelernt habe, daß das unbedingt zu vermeiden ist. Hätte ich es anders gehalten, zwei Drittel meines Werkes wäre aus purer Zukunftsangst nie entstanden. So hingegen, ist so ein Quatsch dann endlich weggeschickt, kommt tatsächlich die Sonne wieder heraus. Schaun Sie nur aus dem Fenster. Isso:  ).



19 Uhr:
[Bach, Cello-Suiten, Janos Starker 1997.]
Nicht zu fassen. Ich wurschtle stipendienanträgig vor mich dschungelhin, da piepst (bei mir piepst das) Facebook, und Nora Falkenberg – ja, meine Figur! -, die aber selbstverständlich >>>> meinen Text gelesen hat, fragt an, ob es bei mir Kaffee gebe; der ihre sei ihr ausgegangen. Dann sitzen wir hier, und ich bin am Literaturfonds überhaupt nicht mehr interessiert, statt dessen an Bach, den wir hören, und sie, Frau Falkenberg, entschieden, favorisiert „ihren“ Yo-Yo-Ma gegen meinen Janos Starker; ich meine, da hat man überhaupt keine Chance so als Mann, wenn die Weichheit ihm, Herrn Starker, den Rang abläuft, wenngleich ich doch höre, wie die CBS-Pressung weichgefiltert ist… aber dann, das ist nun wieder beachtenswerte Psychologie: „Wenn jemand so weich daherkommt, und man braucht überhaupt keinen Schutz um sich aufzubauen, und dann, plötzlich, greift er zu – da ist man dann verloren, geschockt, wirklich gepackt, und kann sich nicht mehr helfen-“ Hm, dachte ich und schreib das hier selbstverständlich hin, weil es gelesen werden wird… oh die >>>> Morganen! wir müssen schon recht pfiffig sein, als Exemplare eines stärker wirkenden Geschlechts, eines unterdessen vielleicht auch nur noch so, zumal ironisch, genannten, um den Nackengriff ansetzen zu können, der dann die Dame durch den Raum führt – vielen fällt meist schon vorher die Hand unregelrecht nicht nur hinunter, sondern ab. Außerdem nehmen sie die falsche, die rechte nämlich. Und auch dieses wieder sind die offenen Karten, mit denen ich bluffe. Denn versteckte taugen nicht.
Weiter mit dem Dschungel-Antrag. Zu essen, später, gibt es Fisch.

Da ist er:

21.33 Uhr:
So, fertig geworden auch mit dem Antrag. Morgen früh wird ausgedruckt, eingetütet, zur Post gebracht und – vergessen. Es reicht, wenn ich mich, wenn die neue Absage kommt, noch mal dran erinner.
Nun etwas essen. Und morgen wieder Argo.

Moment… eine Nachricht von >>>> Chromò: aus Colombia – so weit, offenbar, ist sie diesen irrsinnigen Fluß bereits hinauf und scheint jetzt also wieder Internet zu haben. Aber ich esse erst, bevor ich lese, sonst werden die Kartoffeln kalt. Erotisch devote Frauen, jedenfalls die, die mir in meinem Leben bislang begegnet sind, sind alles andere als Mäuschen. Man muß viel sein, um ihnen wirklich standzuhalten. – Wieso ich grad drauf komme? Weil die Libanon-Erzählung Teil meines Antrages ist und weil ausgerechnet, da, als ich ihn fertighabe, diese Email aus Kolumbien kommt. Sie werden nicht allen Ernstes verlangen, daß ich an Zufälle glaube?

15 thoughts on “Mit dem Mittag: Lastens Ende, neues Licht. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 26. November 2012. Wie Romanfigurinen in die Welt treten: Oh über die Morganen!

  1. BUCHhaltungsmist enthält als Begriff immerhin das Buch, ansonsten aber wohl wirklich nur Mist. Ich leide mit Ihnen, denn so eine Arbeit hat so etwas unsäglich, ja tatsächlich, Depressives, sie will einen so klein wie möglich machen mit ihrem ihr innewohnenden Erpressungspotential – denn wehe, man tut nicht, wie einem geheißen!

    1. Das@Schlinkert. Tue ich ja oft nicht. Die Folgen lassen sich sogar ganz gut ertragen – nur daß das Zeug immer wieder zurückkommt. Es ist hartnäckiger als ich, sogar um vieles. Und das will einiges sagen.

  2. Es reicht halt nicht, das … … Trinken aufzugeben. Man muss sich auch einen Schreib-Ramadan verordnen.

    Aber ich denke, das Problem senkt seine Wurzeln weit tiefer hinab, in den Brunnen der Vergangenheit. Und ich frage mich deshalb schon lange, was für einen evolutionären Vorteil das Schreiben auf dem Wege der Menschwerdung einmal gehabt haben kann? Dass heute noch von vielen sogenannten “Autoren” so stoisch daran festgehalten wird, obwohl es sich für die allermeisten von ihnen längst auf verheerende Weise als nachteilig erwiesen hat, muss einen gattungsgeschichtlichen Grund haben. Man greift ja auch, wenn man nach dem Kaffeekränzchen auf einen Verdauungsspaziergang in den Wald geht, immer noch reflexhaft nach einem Stock, als müsse man sich gegen wilde Tiere zur Wehr setzen.

    Andererseits, wenn man in quasi schon historische Zeiten blickt, etwa ins 24. vorchristliche Jahrhundert, so wird man finden, dass der erste überlieferte Autor eine Frau und Priesterin war, die Prinzessin Enheduanna, Hohepriesterin in der Stadt Ur. Könnte es also sein, dass Autoren unbewusst ihrer unterdrückten weiblichen Seite Ausdruck zu geben versuchen, wenn sie dieser sich längst nicht mehr lohnenden Tätigkeit des Schreibens nachgehen?

    Das erscheint mir allenfalls als zweit- oder drittrangiges Erklärungsmodell tragfähig. Weit eher wäre da schon zu mutmaßen, dass jeder, der heute ernsthaft schreibt, die alte Deutungshoheit der Priester zurück zu gewinnen trachtet.

    Mir scheinen dies freilich beides bereits späte Verkleidungen eines weit tiefer reichenden Defektes zu sein. Unser Bewusstsein ist ja bekanntlich eine noch recht junge und deshalb auch nach wie vor instabile Entwicklung. Warum sollte es deshalb nicht bereits weit vorher einen Versuch der Natur gegeben haben, sich selbst zu objektivieren, indem es den Prozess der DNA-Replikation gewissermaßen in den makroskopischen Bereich gespiegelt hat. Ein auf Zellebene operierendes zeichencodiertes System erschafft sich eine Eiweishülle, die selbst wieder zeichencodierte Systeme zu produzieren beginnt. Ich denke, so muss es gewesen sein.

    Natürlich wurde dieser Weg der Evolution dann recht schnell wieder verlassen, da er keinen Selektionsvorteil erbrachte. Nur geht ja im Genom in der Regel nicht wirklich etwas verloren, und so geschieht es leider immer wieder, dass dieser Teil unseres Erbes nicht wie vorgesehen in den inaktiven Abschnitten unserer DNA vor sich hinschlummert.

    Die mit diesem Defekt gestraften Individuen bringen mitunter massenhaft sinnlose Texte hervor, die unter der unscharfen Bezeichnung ‘Roman’ nur unvollkommen ihre Daseinsberechtigung vorzutäuschen vermögen.

    Es steht zu hoffen, dass schon in naher Zukunft auch für diesen Gen-Defekt eine Abhilfe gefunden werden wir. Craig Venter sei Dank!

  3. Frauen, Trinken, Schreiben Das ist in etwa auch die Reihenfolge der Vorstellungen vom Autorendasein, mit denen sich viele Bewerber in meinem Coaching-Programm anmelden.

    Einigermaßen verwirklicht wird dann allerdings meist nur das Trinken.

    1. Das ist@PHG (auflachend). Tatsächlich bitter. Wobei man den Probanden zugutehalten muß, daß es in der Tat sehr schwierig ist, eine Frau zu verwirklichen, zumal als Mann. Meist kommt nur die Verwirkung dabei heraus, wobei es insofern auch nicht eigentlich zu bedauern ist, wenn das Schreiben gleich am Anfang auf der Strecke bleibt. Zu trinken scheint mir dann wirklich die richtige, und einzige, Alternative zu sein.

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