Winternächte, Clubs. Das Arbeitsjournal des Freitags, dem 18. Januer 2013. Pettersson, erneut. Und wiederzukehren. Dann ein Brief an Herrn Kienspan.

6.10 Uhr:
[]Arbeitswohnung. Allan Pattersson, Siebte. (>>> xEars Bambus Maya).]
Es ist dieses vielleicht die erste Sinfonie, mit der man die Klangwelt dieses Komponisten betreten sollte; sie auch wird unszulande vergleichsweise am häufigsten aufgeführt. Was leider nicht heißt, daß sie häufig aufgeführt wird, nur, w e n n Pettersson, dann in aller Regel diese Siebte. Nach ihr, aber, sollten Sie sich rückwärts bis zur Zweiten durchhören, mehrmals, dann die Achte, ebenfalls mehrmals, bis Sie für die Riesenbrocken der Neunten und vor allem auch Dreizehnten bereit sind. Ah ja, parallel zur Siebten noch, unbedingt, das >>>> zweite Violinkonzert. Schon danach werden Sie Pettersson, auch als nicht geübte E-Musik-Hörer niemals wieder vergessen, keiner von Ihnen, das verspreche ich.

Seine Musiken werden für immer Teil Ihres eigenen inneren Kosmos sein. Immer wieder werden Sie zu ihnen zurückkehren, und sie zu Ihnen. Bei JPC bekommen Sie sie gerade im Angebot, ich hab zur Bestellung unter dem Cover verlinkt.

Latte macchiato, Morgenpfeife.
Dem DTs nach war das gestern >>>> ein reicher Tag. Im Dunckerclub ging‘s dann von elf bis etwa eins, nachts.

Autorentreffen: Christoph Peters, Jan Peter Bremer, Marcus Braun, aber er auf der Bühne an der Gitarre, Rabea Edel, Frank Willmann; ein paar andere werde ich nicht erkannt, also auch nicht gegrüßt haben. Dazu लक्ष्मी. Hübsch, wie sich uns einer nähert, der seltsam neben der Spur, aber nicht unaggressiv, und immer wieder versucht er, mich von der Frau wegzudrängen, nur mit dem Rücken, aber nicht ohne Kraft, der ich bestimmt entgegendrücke. Da, das meine ich mit hübsch, hält लक्ष्मी ihm das Glas hin und sagt: „Möchtest du einen Schluck Rotwein von Marias Callas?“ Verstört zog er drittels ab, duckte er sich drittels, versuchte letztdrittels, irgendwie in der Nähe zu bleiben. Viel später sah ich ihn dann unten im Beakers noch mal, wie er hinauskomplimentiert wurde; weiterhin die insitive Zähigkeit auf seinen Schultern. – Ich brachte लक्ष्मी noch heim, spazierte dann durchs durchglitzerte Winterschwarz heim, schaute noch mal >>>> bei TT und sah >>>> eine weitere Entgegnung Kienspans, auf die gleich noch zu reagieren ist. Aber d a mochte ich nicht mehr, wollte zu Bett, damit ich heute einigermaßen früh hochkomme, was mir soeben auch einigermaßen gelungen ist. Um zehn geht es mit den Interviews zum Hörstück weiter, diesmal vermittels eines Telefonates, das ich mitschneiden will und danach im Frequenzgang bearbeiten muß, weil Fernmündlichkeit eine Obergrenze von 8000 Hertz hat, das soll klanglich im Stück nicht absaufen. Immerhin wird es sich jetzt bezahlt machen, daß ich fürs Ifönchen eine, ziemlich teure, Flatrate habe einrichten lassen.
Im übrigen will ich das gestern begonnene Spottgedicht fertigstellen, dessen Tonfall ich gerne an Heinrich Heine anlehnen möchte. Und mal wieder mit Staubsauger und Wischer ist durch die Wohnung zu gehen. Der Ofen, also die Asche, will‘s, die immer wieder anfällt. Bin zufrieden, weil ich allmählich eine Vorstellung von dem neuen Hörstück bekomme; es wird sehr viel mehr tatsächliches Feature sein, sehr viel mehr als meine anderen Hörarbeiten. Irgend einen Dreh werde ich aber finden, es aus dem Dokumentarischen wieder herauszuheben. An das ich nicht glaube.

In einer Stunde die Löwin wecken.

Mich bewegt etwas, das ich konkret hier nicht erzählen darf. Wie ein Kind, das doch abgetrieben wurde, wiederkehrt: so sehr hat es auf die Erde und zu diesen Eltern gewollt. Svava. Es wäre die dritte Variation >>>> dieses Gedichtes, dessen Endfassungen in >>>> Der Engel Ordnungen stehen.

Zurückgekehrte würde ich sie nennen. Werde ich.

[Allan Pettersson, Achte.]
9.09 Uhr:
Anwort an Herrn Kienspan >>>> bei TT, >“>>>>darauf reagierend:

Lieber Herr Kienspan,
Selbstverständlich hat ein Autor dazu das Recht (seine Bücher umzuschreiben, Anm.d.Verf.). Dies bedeutet aber nicht, daß seine Änderung richtig ist, wenigstens nicht dann, wenn ein Text bereits herausgegeben worden ist. Spätere Literarwissenschaftler sprechen in solchen Fällen von “Varianten”, über deren Gründe bisweilen eingehend geforscht wird. Ein besonders markanter Kandidat für Varianten-Literatur war Jean Paul, der seine Romane quasi mit jeder Neuauflage umschrieb. Besonders spannend wird die Variantenforschung werden, wenn erst einmal die im Netz erscheinende Literatur gesichtet werden wird, in der eindeutig der Hochliteratur zuzurechnende Texte von ihren Autoren oft innert kürzester Zeiten wieder- und wiederbearbeitet werden.
Aber noch einmal zu Preußler. Interessant finde ich nicht nur die Mitteilung, der Autor habe nach jahrelangem Zögern zugestimmt, zumal in der vom Verleger gewählten Formulierung; ich kann mir gut vorstellen, welche Art Druck da ausgeübt worden ist, bis der alte Mann klein beigab. Interessanter ist die Bemerkung, die Erben hätten zugestimmt. Wie das? fragt man sich doch, wenn die Rechte bei Preußler liegen. Sollte es etwa so sein, daß er selbst gar nicht mehr rechtswirksam zustimmen konnte? Weshalb sonst die Erben? Noch lebt er ja.
Es geht dabei nicht nur um Preußler, sondern um einen Ansatz, der auf quasi alles bereinigend eingreifen will. >>>> Hier finden Sie eine vorläufige Vorschlagsliste; bislang sieht sie so aus:
– Die Rache des Elefanten (Wilhelm Busch)/- Schöner Leben mit dem kleinen Arschloch (Moers, Walter); Eichborn Verlag/- Das kleine Gespenst (Otfried Preußler; Thienemann Verlag Stuttgart/- “Hexe Lilli 14. Hexe Lilli auf der Jagd nach dem verlorenen Schatz: Mit vielen exotischen Zaubertricks!” (Knister); Arena Verlag Würzburg, 2003/- Der kleine schwarze König (Langenstein, Paule; Pattloch Verlag, August 2007)/- Herr Klingsor konnte ein bisschen ” (Otfried Preußler (Autor), Dietrich Lange (Illustrator); Thienemann Verlag 1987)/- Mary Poppins (Travers Pamela L., Deutsch von Elisabeth Kessel; Verlag Süddeutsche Zeitung Junge Bibliothek, München 2005)/- Max und Moritz: Eine Bubengeschichte in sieben Streichen (Busch, Wilhelm; Esslinger Verlag Schreiber, 1997)/- Moni und der Monsteraffe” (Franzobel (Autor), Sibylle Vogel (Illustrationen); Picus Verlag Wien, 2008)/- Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm (Rafik Schami & Ole Könnecke); Carl Hanser Verlag München/- Pippi Langstrumpf, Pippi Langstrumpf geht an Bord, Pippi in Taka-Tuka-Land/Lindgren, Astrid/- Der Struwwelpeter (Hoffmann, Heinrich; Esslinger Verlag Schreiber 1997)/- Wie schön weiß ich bin (Dolf Verroen); Hammer Verlag 2005/- “Der weiße und der schwarze Bär” (Muggenthaler, Schubiger), Peter Hammer Verlag/- Die Fahrt ins Wunderland (Fritz Baumgarten, Lena Hahn), Terzio Möllers & Bellinghausen Verlag/- Der weiße N[..]r Wumbaba (Alex Hacke, Michael Sowa), Verlag Antje Kunstmann; Auflage: 10., Aufl. (30. August 2004)
Ich bin mir sicher, der Lederstrumpf wird bald folgen; auch bei Karl May wird man durchsehen, Daniel Defoe sowieso, aber auch den großen Stevenson, den großen Scott (Ivanhoe -ausgerechnet! – etw) usw. Aus einem wirklichen W u n d e r der Libretto-Literatur, nämlich Hofmannsthals Rosenkavalier, wird der kleine Mohr verschwinden, ganz sicher. Und so weiter und kein Ende.
Im übrigen wurde, meines Wissens, Astrid Lindgren n i c h t gefragt, wegen Pippi Langstrumpf, die aber auch wirklich das Musterbild einer menschenverachtenden Rassistin war. Bald wird man ihr gewiß den Vornamen nehmen, sie wird dann Jutta Langstrumpf heißen, weil es – im Deutschen – ein Mädchen ja nun wirklich diskriminiert, nach einer Ausscheidung benannt zun sein; das Zusatz-P spielt nach der Deutschen Rechtschreibreform wirklich keine en Schmerz mäßigende Rolle mehr. Wie dieses Kind gehänselt würde! Und wann immer sich irgend jemand wegen einer Begriffsverwendung im Buch zurückgesetzt fühlt, hat er das Recht, Änderung zu beantragen, bis bald überhaupt nichts mehr sich schreiben läßt, das nicht mehrfach und juristisch abgesichert wurde.
Es geht nicht darum, rassistische Begriffe weiterzuverwenden, in gar keiner Weise. Aber sie wurden verwendet, und zwar auch in nicht-rassistischem Sinn, etwa von Hannah Arendt. Das ebenfalls streichen? – Was verhindert wird, ist Reifung – nämlich zu lernen, daß erwachsen zu sein bedeutet, mit Ambivalenzen zu leben. Kinder lernen dies schneller als Erwachsene, einfach deshalb, weil ihre Synapsen sich noch schneller, rasend schnell, bilden und neubilden. Es geht um Vermittlung, nicht darum, Unbequemes umzuschreiben. Aus Kinderbüchern “unmoralische” Begriffe herauszustreichen, bedeutet eine komplette Kapitulation der Pädagogik zugunsten, schließlich, einer Programmierung von Gesellschaft auf Eineindeutigkeit. Da wird kein Platz mehr für Zwischenräume sein, zu denen eben auch das unmoralische Sprechen und Schreiben gehört. Hier muß entschieden ein Menschenrecht auf Unrecht eingefordert werden, damit ein kultivierter Prozeß des Umgangs damit überhaupt erst eingeleitet werden kann.
Auch ich bin immer wieder getroffen, wenn, namentlich in US-amerikanischen Filmen, von Deutschen, zu denen auch ich gehöre, als von “Krauts” gesprochen wird. Ich fühlte mich davon schon als Junge verletzt, aber habe zu verstehen gelernt und akzeptiere es heute, gerade, weil ich die Hintergründe begriffen habe. Und ganz gewiß mag sich ein Junge von anderer Hautfarbe als der meinen diurch den Begriff “Mohr”, wenn er ihn irgendwo liest, zurückgesetzt fühlen, aber entscheidend ist zum einen, ob er heute noch diskriminierend behandelt wird – dagegen wäre entschieden vorzugehen -, zum anderen, daß die Geschichte eben so war und wir, wir alle, lernen, mit ihr zu leben. Da nicht nur die Deutschen (und Österreicher und Schweizer) gegenüber anderen Ethnien abfällig waren und teils sind – sogenannte schwarze Völker gegenüber schwarzen Völkern, Semiten gegenüber Semiten, der Sikh gegenüber dem Hindu, der Hindu gegenüber Moslems, Jaints, Christen, der Japaner gegenüber dem Chinesen undsoundsoundsoweiter -, sondern die gleiche Struktur in nahezu sämtlichen Völkern bestand und teils besteht, wird der Dunkelhäutige sehr schnell verstehen, welcher Prozeß hier vorlag und wirkte, als ein Buch geschrieben wurde. Es gehört zum Fortschritt der Geschichte, ihn überwunden zu haben, ohne die Vergangenheit zu leugnen.
(Ganze Wortfelder, übrigens, auch nichtrassistische, sind betroffen. Auf “Schuhe wichsen” haben Sie selbst angespielt; der Säuberungswahn will die Doppelbedeutung eliminieren, weil sie sexuell, also schmutzig, sei. Das genau wirkt da mit, und zwar jetzt und heute, immer noch. Das Umschreiben von Büchern steht der Aufklärung radikal entgegen, es ist tief reaktionär.)
Seien Sie mir grimmig gegrüßt,
Ihr
ANH

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