Hexenreflex

Wenn es ihr
zu schwarz wird

dann zieht sie
ihre Federkappe auf

beißt sich in ihr
eigenes Fleisch

und beugt sich
tief ins Rot zurück.
sie zu bebluten.

Wenn es ihr

Wenn es ihr
zu schwarz wird

dann zieht sie
ihre Federkappe auf

beißt sich in ihr
eigenes Fleisch

und beugt sich
tief ins Rot.

Hexenreflex.

32 thoughts on “Hexenreflex

  1. Statt der ersten… … Zeile würde ich “Hexenreflex” als Titel nehmen. Würde dann auch vermeiden, dass das jetzt am Schluss wie eine nachgeschobene Erklärung wirkt.

    1. Ja, darüber diskutierte ich gestern mit Aikmaier, er hat den selben Vorschlag gemacht.

      Rein nur Hexenreflex? Oder: Der Hexenreflex?

      Mit Artikel ist es so, als könnte es auch in einem Lexikon stehen, das man aufschlägt um zu nachzulesen, was es damit auf sich hat und welcher speziellen Spezies dieser eigen ist.

      Und ich bin froh Herr Gogolin, dass Sie das aufgeworfen haben.

    2. zum hexenreflex (und zum gedicht insgesamt); in der tat, read An und ich diskutierten gestern genau Ihren, PHG, vorschlag, der mir auch sofort kam. zumal, da dieser letzte vers die, sagen wir: stimmung des gedichts am schluss ganz ändert. ich habe dann im gespräch mit der dichterin doch wieder davon abstand genommen, weil der “hexenreflex” im titel das “sie” des lyrischen ichs sofort, und vielleicht zu stark, identifizierte.

      großartig – das muss ich noch anfügen – an diesem gedicht: die federkappe, bei der ich sofort auch eine tarnkappe assoziierte, und das (zumindest in meiner imagination) schwanenartige zurückbeugen der frauengestalt in das rot der eigenen, aufgebissenen wunde. stark.

      A.

    3. @Aikmaier zum Lyrischen Ich. Das Argument ist treffend, aber trifft nicht, weil durch die Kürze des Gedichts der “Hexenreflex” sowieso geradezu unmittelbar ins Auge springt. Das liegt an unserer Form der Wahrnehmung, der hier keine wirkliche Sukzession erlaubt ist. Eben wegen der Kürze. Mit einem Blick ist der Text erfaßt, und das springen Reizwörter dann vorlaut ins Auge.
      Deshalb meine Idee, das Lyrische Ich vom Lyrischen ganz in der ersten Zeile durchzustreichen, bzw. es zu objektivieren. Das ginge zum Beispiel so:

      Wenn es der Hexe
      zu schwarz wird
      usw

      Es braucht nun weder mehr den Hexenreflex noch den Reflex als solchen, weil er in der Schilderung selbst schon enthalten ist.

    4. @ANH “Wenn es der Hexe
      zu schwarz wird”

      … Mmh, dann ist sie, die ja eine sein kann oder eben nicht, verschwunden und der Hexenreflex ist dann tatsächlich nur auf die Hexe bezogen. Das wäre schade. Denken Sie an den Hexenschuss. Man muss keine sein und doch kann es einen erwischen.

      Und wie? Sie würden den “Hexenreflex” ganz streichen, auch im Titel?

      @Aik
      Schwaniges. Da bin ich sowas von d’accord mit!

    5. @ANH; wahrnehmungsform physiologisch haben Sie sicherlich recht. ein gedicht (aber auch manche prosa) zwingt einen leser, der solcher ist, jedoch dazu, gerade diese wahrnehmung zugunsten der sukzession all dessen, was dort auf den blatt (und sei es virtuell) komponiert ist, zu zügeln. und dann trifft mein argument.

      wenn es der hexe
      zu schwarz wird

      wirkt auf mich persönlich daher immer noch zu offensichtlich, vereindeutigend.

  2. Noch etwas@read An. Ich bin mir nicht sicher, ob “Reflex” das richtige Wort ist. Ein Reflex ist spontan, auch unbewußt, während “zieht sie ihre Federkappe” an etwas Überlegtes hat, zumal mit der zweiten Handlung danach. Was Sie meinen, ist eher ein Handlungsmuster als ein Reflex. Dann wäre “Hexenmuster” passend, etwa; es gäbe auch eine Irritation hinzu, die das Gedicht eben nicht mehr genau zuordnen ließe; die Nähe von Hexe und Lyrischem Ich wäre gebrochen.

    1. zu noch etwas @read An; ich habe “reflex” etwas anders aufgefaßt. nicht so sehr im physiologischen sinne, sondern als “reflex” von reflectere, ‘zurückbiegen’. insofern, als dieses in-sich-zurückbiegen des lyrischen ichs eben als “reflex” im wortsinne gilt. darum gehört auch, meiner meinung nach, der hexenreflex nach wie vor kommentierend an den schluss des gedichts.

    2. Immer wenn es ihr
      zu schwarz wird

      dann zieht sie
      ihre Federkappe auf

      beißt sich in ihr
      eigenes Fleisch

      und beugt sich
      tief ins Rot.

      Hexenreflex.

      (jetzige Fassung)

      @ANH zum Reflex

      Darüber habe ich auch nachgedacht und komme zu dem Schluss, dass das Aufziehen der Kappe willkürlich wirken mag aber auch reflexhaft geschehen kann (das gilt erst recht bei der zweiten Handlung). Das Gedicht macht dazu keine Angaben.

      Ach, und lesen Sie das Gedicht einmal laut. So nachgeschoben hört sich das gar nicht an.

    3. Aik, ich denke darüber nach aus ihre Federkappe : meine Federkappe
      zu machen. Das mag zwar schizophren anmuten, wäre aber bedenkenswert. Allein schon wegen:

      beißt sich in ihr
      eigenes Fleisch

    4. @ read An; warum nicht? dann entfernt sich das gedicht zwar sehr vom reflexhaften, aber das scheint ja ohnehin vom tisch zu sein. und vielleicht macht das plötzlich eingeführte “ich” noch weitere assoziationen auf (über die schizophrenie hinaus…).

      es grüßt

      A., reisender

    5. Warum nicht? Weil es sich, denkt man tatsächlich an die Transformer Actionfiguren, dann nicht mehr wie ein “Kurzanriss” einer “Figur” liest, die ja, siehe die Originale, von vorn herein ausgestattet sind mit Fähigkeiten und einem jeweiligen Background, im Sinne von: ich stelle sie dir vor. Das klingt hier zumindest an, wenn auch nicht konkret auserzählt. Zumal auch namenlos. Das alles braucht es aber auch nicht. Sonst hätte es was Serielles und darauf will ich nicht hinaus. Re:transform. Wobei, was heißt schon zurück. Eher Blut auf’s Plastik, Metall, Federn…

      Daher zögere ich noch…

      A., reisender

      wie poetisch, das könnte ein Romantitel sein.

    6. Bitte auf keinen Fall … … beißt sich in “ihr
      eigenes” Fleisch…

      entweder “in ihr Fleisch” oder “ins eigene Fleisch”, aber “ihr eigenes” ist eine unnütze Verdoppellung. In was für ein Fleisch sollte sie sich denn beißen, wenn es “ihr Fleisch” heißt, als in ihr “eigenes”, das versteht sich doch von selbst!

    7. bitte auf keinen fall … … “ins eigene fleisch”; denn da klingt die redewendung, eben das ins alltäglich gewendete, zu stark an. allenfalls, wenn phg recht behalten soll, das “sich” streichen. freilich wäre dann das reflexive dieses in-sich-selbst-beugens geschwächt.

      es grüßt

      A., angekommener

    8. @PHG Die Doppelung hatte ich gar nicht bemerkt. Ich tendiere eigentlich zu “ins eigene Fleisch”, weil es das des Anderen miteinbezieht.
      Mit dem ihr, auch wenn es eine Doppelung ist, finde ich es noch stärker, da es eine IN-DIESEM-FALL Handlung beschreibt.

      Verstehe aber (@Aik) was du meinst.
      Sich ins eigene Fleisch schneiden.
      Das wäre nur schlecht. Tja, bleibt nur noch “in ihr Fleisch”, das liest sich erstens aber nicht und wie oben erwähnt, es fehlt das des anderen.

      Nur das sich streichen… Vielleicht. Dann habe ich doch aber immer noch eine Doppelung.

  3. Hexen und so Liebe read An,

    schön, Sie an der Arbeit zusehen. Und einmal wieder Zeilen von bezaubernder Schwärze, dunkler Erlösung, blutende Rettung.

    Nach meinem unmaßgeblichen Geschmack bliebe es, könnte ich es mir wünschen, bei dem Titel „Hexenreflex, weil magischer, poetischer als das englische Begriffspaar, bei gleichem Inhalt, denn es ist ja d i e Hexe und jene ohnehin eine zaubernde und insofern auch verzaubernde – also umgewandelte – alte (?) Frau.

    Tatsächlich ist es wohl im Ausgangspunkt (nur) ein Muster, aber dies immer wieder abgespult – wird das dann nicht zum Reflex? Außerdem: „Reflex“ mag schief sein, aber das Schiefe macht es gerade aus für mich.

    Und das „zurück“ bliebe stehen, um den schwarzen Schwan anzudeuten.

    Das „bebluten“ dagegen könnte fallen. Aufziehen der Haube und Zuhacken ist aktiv genug.

    Ihre Überlegung, dass mit „s i c h ins e i g e n e Fleisch schneiden“ der Dritte, der Leser, angesprochen wird, halte ich für richtig und für gut: Diese leise Ansprache erhöht den Apell-Charakter. Diesmal wendet die böse Hexe die Gewalt nicht gegen andere.

    Beste Grüße
    NO

    1. Hallo NO, schön dass Sie auch noch etwas dazu schreiben. Arbeit. Das erlebe ich gar nicht so. Zumal mein Zeitfenster zum Schreiben nun stark eingeschränkt ist. NO, für mich ist es das:

      Wüßte ich woher die Gedichte kommen, ich würde dorthin gehen.

      Zum Gedicht.

      Den Zweck am Ende braucht es nicht. Stimmt. Es nimmt dem Leser die Möglichkeit eigener Bilder. Er hat die beneidenswertere Position. Das Gedicht ist für mich mittlerweile ziemlich verkopft. Das liegt auch am Titel Female Transformer. Und aus poetischer Sicht wäre die Hexe zu bevorzugen weil es dann durchweg konsequent nichts ausdeutet (oder auserzählt). Nichts über das Schwarz. Nichts über die Farbe der Federn, nichts über das Wesen der Hexe (ist sie alt, ist sie schön oder hässlich, gut oder böse) Es beschriebe dann nur diese Handlung. Interessant finde ich aber dass auch Sie an schwarze Federn dachten. Ich hätte gewettet, dass es beim Leser automatisch Weiße abruft. Aber das ist egal. Auf den Titel kam ich weil ich mir einfach überlegt habe was passiert da. Naja gut, das wäre echt verkürzt gesagt. Ich kam auch über die Mythen darauf. Und mir gefällt der gesetzte Rahmen weil er etwas thematisiert. NO, ich muss noch darüber nachdenken, vielleicht ändere ich ihn wieder.

      Und noch eine Frage an Sie wegen den mehrfachen Doppelungen: sich, eigene, ihr. Ich habe keine gute Lösung gefunden. Alles nur Kompromisse. Ich würde es am liebsten so lassen. Was sagen Sie, ist das ein No-Go?

      Herzlich,

      An

    2. Hexenfleisch und Reflexe Liebe read An,

      nein, ganz sicher kein no-go, jedenfalls für mich nicht (aber ich bin hier auch nicht der Profi, wie Herr Aikmaier vermutlich, und kein Dichter wie ANH).

      Ganz im Gegenteil:

      Ich finde, „wenn es ihr“ und „beißt sich in ihr“ verbinden geradezu zwei Teile, fast als wären die ersten 4 Zeilen eine Strophe und die nächsten vier die zweite.

      Des weiteren:

      „beiß sich“ – „beugt sich“ am Ende empfinde ich als eine (unharmonische und deswegen bemerkenswerte) Eindringlichkeit.

      Dass die Redewendung „ins eigene Fleisch schneiden“ mitschwingt, finde ich – im Gegensatz zu Herrn Aikmaier – gerade gut. Es gibt dem ganzen eine unheimliche Wendung. Es ist ja anders hier: In der Redewendung schwingt ja Kritik mit, weil da jemand besonders schlau sein wollte, sich aber geschnitten hat dabei. Hier dagegen keine Häme, sondern Entsetzen, weil es ein selbstzerstörerisches, depressives Schneiden ist.

      Herzliche Grüße zurück!
      NO

    3. Der Leser ist schlauer. Kein Profi. Kein Dichter. Dann sind Sie eben der Connaisseur.

      Kein No-Go. Das wollte ich hören. Ich hätte es wohl eh nicht mehr geändert. O.k., ich kehre zur Hexe zurück. Aber als Titel will ich sie nicht. Der Reflex muss am Ende stehen. Das zurück in der letzten Zeile will ich auch noch streichen. Jetzt fehlt nur noch ein Titel, was nicht so leicht ist, denn es ist ja schon alles gesagt im Gedicht. Es sollte nichts Neues hinzukommen. Bisher fiel mir nur so etwas wie: Die Blutmulde oder Die Federtaufe ein…

      Die Trägerin vielleicht noch. Das wäre auch gleich mehrdeutig: Trägerin der Kappe, Trägerin, bezogen auf ihr Blut (Blutgruppe), Trägerin von etwas, das diesen Reflex auslöst…

      Merci.

    4. Titel Wie wäre es mit “Immer”?
      Das hatten Sie selber schon im Lauf der Diskussion einmal nach oben gestellt gehabt. Und man kann es als gedichtanfang lesen.
      Oder: “Wunde”? Das stammt mittelbar aus einem Aikmaier-Kommentar. Ist neutraler als Ihre “Blutmulde”, denn der Titel nähme Betonung weg von der Federkappe.
      Im Aikmaier-Kommentar steht auch “Aufgebissen”, was ich gut und stark und dunkel finde – aber mit dem Titel wiederholte sich das “beißt sich”.
      Herzlich
      NO

    5. Ich nehme den Hexenreflex jetzt doch als Titel. Auch wenn es ohne Artikel leider nicht geht. Aber es ist die Variante, mit der ich bisher am glücklichsten bin.

    6. Den Artikel würde ich auch gern streichen.

      Ich denke ich verzichte aber auf’s “zurück”, das bleibt einfach offener. So offen wie die Wunde. Und der Leser verweilt dann ein wenig mit im Rot.

      NO, ich warte noch ab, Melusine wollte evtl. noch etwas dazu schreiben…

  4. Wundselb Wenn ich anderswo schrieb, ich sei nicht “abgeschlossen” mit dem Gedicht, dann meinte ich nicht: es sei nicht abgeschlossen, das Gedicht, sondern: mein Sinnen über/mit dem Gedicht sei es nicht – und kann es auch nicht werden.

    Von Beginn an: “Hexenreflex” – schien mir der rechte Titel. Keine Reflexion, ein Reflex. Und nicht “der Hexe”, sonder der “Anderen”, die vielleicht nur Hexe ist oder nicht: 3. Pers. Sg. weiblich. Von der also ist in den Zeilen die Rede – und nur von ihr. Es gibt kein lyrisches Ich (von dem die Kommentare sprechen; ich lese es nicht). Es wird auf eine “sie” geschaut. “Die” kommt von “schwarz”, das es ihr wird, ganz tief ins Rot. Das geht in einem hin. Rasch. Über wenige Zeilen weg. Was ihr geschieht: der Reflex (könnte sein: das Gewahrwerden und der Gewahrsam: eine Hexe sein – aber sie weiß es nicht, es geschieht ihr als eine Schwärze, eine Verdunklung). Wenn das geschieht (passiv), folgt die Aktion, ein Reflex, kein Wille: die Federkappe auf. Das ist “die Andere”: Hexen verhexen etwas (Objekte, zu denen ihnen alles werden kann), dagegen ist das Aufziehen der Federkappe eine weibliche Geste, die gleichermaßen Schmuck wie Tarnung ist: Selbstdarstellung und Selbstverhüllung, eine sehr, sag ich mal ins Unreine, “unhexische” Geste. Der die Biegung folgt: der Biss und die Beugung: tief ins Rot. Eine Wendung zu sich selbst.
    Hexe und Andere, “sie” und “ihrs”; es kann eine sein, die zwei ist oder zwei, die eins werden.

    Die Wunde der Frau ist ihr Geschlecht. (Das ist jetzt so ein Satz, der alles einfach macht und falsch. Aber ich kann nicht von der Beugung ins Rot lesen, ohne an die Menstruation zu denken. Schwarz vor Augen.) Dies Letzte gehört weniger zum Gedicht als zu mir. Und muss daher abgetrennt vom Rest stehen und gelsen werden. Trotzdem erklärt es, warum ich das “zurück” gestrichen/verstreichen ließe. Sie braucht es nicht. Sie ist da schon ganz bei sich/von sich aus.

    Liebe Grüße, liebe read An.

    (Das ist alles, ins Unreine geschrieben, unabgeschlossen. Zu warten mit dem Kommentar jetzt noch brächte Veränderungen, aber keine endgültige Lesart. Meinerseits. Denn andere lesen´s anders.)

    1. Ja. Aber dieses Unabgeschlossne – genau darauf kommt es in Der Dchungel an. Es ist das, worauf ich – jetzt eine Paradoxon – ziele. Zu was ich verführen will. Wobei das “Ich” selbst ein Provisorium ist oder jedenfalls nichts Stetes.

    2. Auch Beute! Was für ein schöner Beitrag Melusine. Ehrlich gesagt, ich kann nichts weiter dazu schreiben. Außer: das nächste Mal nicht so lange warten, ja. Sonst frage ich direkt nach.

      Und abgeschlossen sind sie nie. Das sind rote Bastarde. So nenne ich sie, meine Gedichte. Ich entdecke noch nach Monaten Neues an ihnen, was neue Fragen aufwirft oder ein Nächstes, das entsteht. Voneinander getrennt kann ich sie gar nicht lesen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .