Das Arbeitsjournal des Sonntags, dem 21. April 2013.

9.41 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Sonnenhell ist es draußen, wenn auch etwas kühl. Ich habe bis tatsächlich Viertel vor neun Uhr geschlafen, eines Traumes wegen, den ich sofort >>>> dort notiert habe. Er ergibt die Grundlage einer Erzählung oder Kurzgeschichte, ganz zweifelsfrei, die aber mit Argo zusammenhängt, zum einen seine Struktur halber, zum anderen, weil sich auch hier Imago und Realität stark ineinanderschieben; daneben hat er Aspekte von Wunscherfüllung. Die Einflüsse reichen aber weiter, reichen in meine Jugend, als ich in ein Mädchen verliebt war, daß Martina Gabriela Anna hieß; das habe ich im Roman aufgenommen und in Michaela Gabriela Anna umgewandelt; die Anima aber, meines Traums, hieß Martina, wobei ich glaube, daß auch die schöne Napolitanerin unter der Totenkopf-Kirche Martina hieß. Ich hatte versucht, das Namensschildchen an ihrem Revers zu lesen und, erinnere ich mich, war ein wenig enttäuscht, seltsam, daß ich „Martina“ las.
Jedenfalls überprüfte ich jetzt gleich, denn ich hatte das Gefühl, seit BuenosAires.Anderswelt einen Fehler gemacht zu haben – so intensiv war der Traum, daß ich meinte, ich hätte die junge Ungefugger in Thetis.Anderswelt ganz unbedingt Martina genannt. Göttinseidank hat sie da aber noch keinen Namen, sondern der wird erst in BuenosAires vergeben. So mischten sich meine Erleichterung mit einem leichten Unwillen, denn sie hätte Martina, dachte ich, heißen müssen. Was nun nicht mehr zu ändern ist. Aber schon in der „kleinen“ Ungefugger habe ich offenbar eine Anima Gestalt finden lassen. Das wurde mir eben gerade, heute an diesem schönen Morgen, klar, da ich mit etwas dickem Kopf, obwohl ich gar nicht viel getrunken hab gestern nacht, am Laptop vor den Bildschirmen sitze und zu arbeiten beginnen will.
Was eine einzige Begegnung alles aus einem herausziehen kann! Der Kopfschmerz ist, wie wenn der Taum in meinem Hirn herumgewühlt hätte, um etwas Bestimmtes zu suchen. Jetzt ist das Hirn durcheinander und muß erst wieder Ordnung schaffen.
Bis nach 22 Uhr hab ich gestern noch an Argo gesessen; das Ding fängt an, mich wieder zu besetzen, wenn es jetzt schon bis in die Träume reicht. Es verbindet sich dazu mit Momenten der realen Erinnerung, hier etwa meiner – noch immer benommenen – an die Besucherführerin unter der Totenkopfkirche; d.h., es sucht sich die schwachen, weichen Stellen, in die es einhaken kann.
Ich habe, halb bereits wach, über die Folgen nachdenken müssen, die eine Realisierung libidinöser Innenbilder haben könnte – die, wenn man nicht abergläubisch oder überhaupt gläubig ist, als Prägungen verstanden werden müssen; anders als im Traum dachte ich jetzt vor allem politisch: wie sich mit solch perfekter Wunscherfüllung ein Volk ganz steuern lasse, indem man ihm einen umfassenden Eskapismus ermöglicht; wie dies aber auch dazu führen kann, daß die Produktion erlahmt, weil es nichts anderes mehr gibt, das man erstrebt, als mit dem eignen Innenbild beisammenzusein. Nicht mit sich selbst, wohlgemerkt, auch nicht mit dem IchIdeal, sondern mit tatsächlich einem/einer Fremden, die dennoch aus einem selbst kam, wenn auch, siehe „Prägung“, irgendwie in einen hineingekommen sein muß.
Eine gute Erzählung, jedenfalls, die das ergibt; übrigens könnte man auch einen grandiosen Spielfilm daraus machen; ich sehe schon die Bilder, das Ineinandergleiten der Bilder: ganz so, wie die Protagonisten ineinandergleiten, die Frau und der Mann.

Gut, an Argo. Ich werde jetzt erst mal meine Revision der Anfangskapitel lesen, um zu spüren, ob die Änderungen bereits reichen; evtl. nehme ich noch weitere vor. Bis dann die nächste von UF bearbeitete Tranche hier bei mir eingeht, bearbeite ich das „Zwölfjahreshalber“.
Guten Morgen.

(Ich brauch jetzt den zweiten Latte macchiato, doch zieh mich erst mal an. Ich will nicht wie gestern bis mittags im Morgenmantel sitzen, sondern brauche, gerade nach diesem Traum, Form. Also auch Krawatte.)

12.54 Uhr:
So, die erste Revision der fünf Anfangskapitel ist fertig, ich hab sie eben an UF geschickt. Jetzt bin ich gespannt, was er sagt. Für meinen Geschmack – aber ich bin auch sehr sehr nahe am Geschehen – läuft das jetzt richtig schnell.
Was essen.
Fühlt sich gut an in Anzug und Krawatte.

22.04 Uhr:
Bis eben das „Zwölfjahreshalber“ bearbeitet, indessen von UF die zweite Lektorats-Tranche kam. An die werde ich morgen gehen. Bin wirklich zufrieden, zumal UF in zwei Tagen ein ganzes Drittel des Romans gelesen und durchgearbeitet hat – mir zeigt das, daß der Text wirklich läuft. Beruhigend.
Morgen wird das „Zwölfjahreshalber“ nach Düsseldorf gehen, damit es begleitend zur Lektüre schon mal verwendet werden kann; dennoch will ich das ganze Ding noch einmal so durchsieben, daß es in sich selbst ein kleines Kunststück, ein Kabinettstück, wird. Schon hier muß es locken weiterzulesen – für eine „Liste“ eine hübsche Herausforderung.

Leider kam der von meiner WDR-Redakteurin angekündigte Anruf wegen des Gerichtsvollzieher-Hörstücks nicht, das immer noch nicht vom Acker ist.

Bin ein bißchen betrunken; zur Argo-Arbeit lief erst ein Tatort, nun läuft ein Schirach; beides nahm und nehme ich wie eine Parallelwelt wahr. Immer nur drei Viertel nehme ich logisch wahr, so daß sich die jeweiligen Geschehen höchst misteriös vermengen.

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