„Stalking“ als Straftatbestand der Massengesellschaft. Im Arbeitsjournal des Mittwochs nachgedacht, dem 24. April 2013.

6.30 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
„Meine Früharbeit pendelt sich zur Zeit auf ab 6 Uhr morgens ein“, schrieb ich soeben ins >>>> DTs der letzten beiden Tage. „4.30 Uhr bleibt schwierig. Wahrscheinlich fehlt der Sport.“ Ich gehe aber auch objektiv zu spät ins Bett, um eine frühere Arbeitszeit wahrscheinlich zu machen. Dafür allerdings arbeite ich momentan auch bis gegen 22 Uhr über den Abend hinaus.
Also auch heute wieder um sechs Uhr hoch. Als ich mir den Latte macchiato zubereitete, dachte es in mir nach; wieso ich drauf komme, weiß ich gar nicht. Ah ja, doch: Gestern im Telefonat mit der Löwin gab ich wieder einmal meinem Unbehagen Ausdruck, daß wir zunehmend von Regularien eingeengt werden, die unter jederlei nur denkbarem Vorschub, besonders gern aber dem Jugendschutz, quasi hinter unseren Rücken gesetzlich verankert werden; das neuste war, daß es keine Sonnenstudios mit sozusagen Selbstbedienung mehr geben darf, wo man also seine Münze einwarf, und es wurde hell. Sondern nunmehr ist für deren, der Studios, Betreuung eine Ausbildung vonnöten; vor allem sieht der Gesetzgeber vor, daß Menschen unter achtzehn sich nicht mehr künstlich besonnen lassen dürfen. Das geht an der Realität dessen, was ein Erwachsener sei, gänzlich vorbei, indem es nicht nur festgeschrieben, sondern indem eine Vorstellung zementiert wird, die noch aus dem letzten, ja vorletzten Jahrhundert stammt, eine höchst künstliche aus dem sexualfeindlichen Ungeist des Biedermeiers. Tatsächlich sind – ob uns „Erwachsenen“ das nun gefällt oder nicht – heutige Jugendliche sehr viel früher reif als in den restriktiven Zeiten seit, sagen wir, den 1880ern, was auch eine Folge der neuen Medien, aber auch schon eine Folge der Befreiungsbewegungen von 1968 bis etwas Mitte der Achtziger ist. Mit denen hängt ganz sicher eine höhere Souveränität im Umgang mit der eigenen Sexualität zusammen, sowie das damit Hand und Hand gegangene Zurückdrängen monotheistisch kirchlicher Einflüsse im moralischen Bewußtsein, aber auch der westlichen Staaten Bemühen, die Menschen möglichst früh für den Produktionsbetrieb bereitzustellen.
Dann, während ich die Computer hochfahren ließ, kam mir dieser Gedanke ans sogenannte Stalking. Wie vieles von dem, was wir heute darunter verstehen, war einmal Grundlage für eine ganze Literatur! Denken Sie an die Troubadours, an die „Eroberungen“: hartnäckige Willensbezeigungen und auch Handlungen, sich jemanden geneigt zu machen; die Löwin sagte gestern: „Ich mag Männer, die zäh in ihrem Werben sind“ – zäh, eben, war einmal der Ausdruck dafür, und manche Umworbene strich ihre Segel, schliff ihre Mauern – das Bild der Eroberung hat Gründe. Nicht das Lästige scheint im Focus gewesen zu sein, das es ganz sicher auch gab, sondern ob jemand Energie genug hat, seine Werbung durchzuhalten. Gedichte sind daraus entstanden, Lieder, sehnsuchtsvolle Sinfonien. Wer sich heute darauf einläßt, so zu sein, watet bereits, bis zu den Waden hoch, in den Ordnungsstrafen – oder, wie mir mal jemand, der resigniert hat, erzählte: „In Schweden steht man schon beim ehelichen Beischlaf mit einem Fuß im Gefängnis“. – Man kann das darwinistisch sehen und sagen, nun gut, wer zähe ist, riskiert dann eben auch das; ja, ob er es riskiert, zeigt erst seine Kraft – oder ihre, selbstverständlich, aber Frauen „erobern“, in aller Regel, sexuell sehr viel schneller. Übrigens sprach man auch von „Verführung“, in welchem Wort die moralische Ambivalenz schon deutlich zu spüren ist, die wir unterdessen nicht mehr aushalten können sollen. Ambivalenzen sind das Gegenteil von Correctness. Statt daß man die Menschen erzieht, wenn sie auf dem Bürgersteig mit dem Fahrrad fahren, dies umsichtig und rücksichtsvoll zu tun, werden sie auf eine, und nur die, Fahrspur des Radwegs verpflichtet; dies wird sogar für hochschwangere Mütter durchgesetzt: die müssen im Hochverkehr auf die Straße, wenn es keinen Fahrradweg gibt. Wenn es aber einen gibt, dann wiederum ist es auch schon ein geahntes Ordnungsvergehen, wenn man statt dort auf der Straße fährt, egal, wie schnell man ist und ob man das vielleicht genau deshalb tut, weil ihrerseits Fußgänger gern auf dem Fahrradweg gehen. Das ist ihnen nicht vorzuwerfen, vielmehr, sie schlendern halt – logisch, wenn jemand als Tourist durch Berlin geht und nach den Häusern und nicht dem Verkehr sieht. In Mitte ist das täglich zu erleben.
Es wird zunehmend strikt kanalisiert. Wir werden behandelt, als wären wir Programme, die festgeschrieben sind. Wahrscheinlich ist das eine Folge der Massengesellschaft: Wir sollen verameist werden. Deswegen, in Anderswelt, Deidameias Protest: „Wir hingegen wollen so viele Welten wie möglich. Wir sind für Willkür, Hans Deters. Wir wollen Ekstase, nicht Ordnung.“ Sie spricht sogar von einem Menschenrecht auf Unmoral. Um diesen Geist ist es mir in fast all meinen Büchern zu tun. In Neapel muß ich nicht gucken, wenn ich durchs Verkehrswühlen gehe – es wühlt dort nahezu immer -, sondern ich überquere eine Straße, indem ich einfach losgeh: und die anderen bremsen. Wenn ich erst warte, bis jemand anhält, werde ich alt am Straßenrand. Wir statt dessen sollen, auch tief in der Nacht, wenn längst gar kein Auto mehr fährt, vor roten Ampeln warten. Wir sollen auch als Fußgänger warten und stehn dann da und warten vor der Leere. So werden wir Maschinen. Auch das ist ein Thema der Anderswelt.
Über Rücksichtnahme sprach ich mit der Löwin; sind wir in sie erzogen, braucht es kein Gesetz. Ist es jemand aber nicht, wird sofort eines gemacht und bestimmt dann auch die, die die Rücksichtnahme haben; auf diese Weise wird die Erziehung entmündigt und an ihre Stelle die Vorschrift gesetzt und auf die Instanz eigenen Denkens – und Mitfühlens der Staat, und übrigens völlig schnuppe, ob er nun grade mal „links“ oder von einer Mitte oder von „rechts“ regiert wird: die Bewegung ist überall die gleiche.
Wir brauchen eine Mentalität des Ungehorsams. Heutiger politischer Widerstand richtet sich gegen die Außenbestimmung – eine im weitesten Sinn moralische, weil sie in den meisten Fällen mit – meist ökonomisch grundiertem – gesellschaftlichen Interessen überschminkt wird: etwa Nachteilen für die, höchst abstrakte, „Allgemeinheit“, Volksgesundheit, Jugendschutz usw. Im Sexualbereich ist das besonders deutlich. Ich muß mir nur vorstellen, was mein unterdessen Dreizehnjähriger im Netz schon alles gesehen hat; das hat ihn erfahren gemacht, viel früher, als manch Erwachsener das für kindgerecht hält, aber viel erfahrener eben, als manch solch Erwachsener selbst ist. Ich schließe mich durchaus mit ein. Wir, noch aus verkorksten Sexualerziehungen kommend, sind gelockt, vielleicht sogar aufgegeilt oder im Gegenteil geekelt, er aber – klickt das Zeug weg, und gut is’. So einem also wollen wir Verklemmten sagen, was er zu tun und lassen habe.

Heute kein Argo-Lektorat; ich habe meine Tranche fertig, erst morgen wird mich Neues erreichen. Also gehe ich ans Zwölfjahreshalber, vor allem aber will ich >>>> Gogolins Vorschlag folgen und die Sätze der ersten vierfünf Kapitel der Argo-Erzählung verkürzen, um weitere Geschwindigkeit zu gewinnen, die grad am Beginn des dritten Teils einer Trilogie sehr wichtig ist, deren zweiter beeits vor zwölf Jahren erschien. Es ist eine Balance aus Resümee und Erzählung zu finden scharf zugunsten der Erzählung; das Resümee vorverlege ich eh ins Zwölfjahreshalber.
Vorher noch schaue ich mir >>>> Helmut Schulzes ersten drei >>>> Giacomo-Übersetzungen an; wir lektorieren gegenseitig, er hat schon gestern begonnen. Und dann ist noch immer das Gerichtsvollzieher-Hörstück vom Eis zu kriegen, meine unterdessen einerseits ziemlich schwere, andrerseits schon immer wieder mal vergessene Schleppe; an verschleppten Sachen verliere ich erfahrungsgemäß das Interesse. aber es geht auch um Ökonomie, die mir mal wieder mindestens ebenso schwer werden wird, kriegt das Ding nicht endlich den Haken.
Zweiter Latte macchiato.
Guten Morgen.

15.04 Uhr:
[Lutosławski, Dritte Sinfonie.]
Zwischendurch bei meiner Fußpflegerin zum Gepflegtsein gewesen, dann 20 Minuten unter der Sonne, weil ich mir ganz gern die Bräune erhalten möchte, >>>> die mir Neapel geschenkt hat. Vom Deutschlandfunk kam noch gestern die Nachricht, daß mein alter Mentor Zenke die Betreuung des Hörstücks übernehmen wird, etwas, das mich rasend freut. Unklar ist noch, ob ich die Produktion selbst machen kann; so etwas sei beim DLF eher der Ausnahmefall. Aber ich bin guter Dinge, so oder so.
Bei >>>> Saviano gelesen, auch das liegt auf der Linie, über die ich heute früh schrieb:

Die Vongole landeten genau so im Topf, wie sie aus dem Meer kamen. Garantiert frisch, aber mit hoher Infektionsgefahr. Längst ist man daran gewöhnt, daß Tintenfische wie Hühner schmecken, weil beide aus Züchtungen stammen. Um den unverwechselbaren Geschmack des Meeres auf der Zunge zu haben, mußte ich also ein bestimmtes Risiko eingehen.Das Risiko, eben. Auch ich will es eingehen dürfen. Ich w i l l den Geschmack des Meeres schmecken und akzeptiere nicht, daß man ihn mir vorenthält, weil um meine Gesundheit gesorgt wird.

Gogolins Vorschlag mit den kürzeren Sentenzen am Anfang kommt mir, nachdem ich jetzt etwas umformuliert habe, sehr plausibel vor. Mal sehn, was UF dazu sagt. – Auch das Lektorat an den ersten Giacomo-Stücken habe ich heute früh geschafft. Und um vier telefoniere ich mit meiner WDR-Redakteurin; sie schrieb, es gehe jetzt nur noch um ganz kleine Stellen. So krieg ich das heute wohl, spätestens morgen früh vom Tisch. Die drei Kreuzchen dürfen S i e für mich machen.

19 thoughts on “„Stalking“ als Straftatbestand der Massengesellschaft. Im Arbeitsjournal des Mittwochs nachgedacht, dem 24. April 2013.

  1. Man kann es auch so sehen: Man beraubt uns unsrer Gefährdungen und damit der eigenen Erfahrung. Stürzt jemand von einem Hang, wird an diesen Hang ein Geländer gebraut, das ihm seinen Character nimmt – zu dem eben gehört, daß sein Betreten nicht ungefährlich ist. Wir werden auf diese Weise nicht nur entmündigt, sondern uns wird der Lebensraum verändert – auch denen, denen es gar nicht einfallen würde hinabzustürzen, weil sie nämlich nachgedacht haben oder erfahren genug sind, dort zu stehen.
    Einer besonders bizarren Geschichte erinnere ich mich aus der Zeit, da mein Junge noch klein war. Als im Kindergarten einer seiner Spiegefährten mit der Kordel seines Annoraks an einer Schaukel hängenblieb und sehr heftig stürzte, wurde ausgegeben, daß im Kindergarten keine Annoraks mit Kordeln mehr zugelassen seien, ja, es gab sogar Eltern, die eine Gesetzvorgabe anstreben wollten, derzufolge die Produktion solcher Annoraks, zumindest ihr Vertieb, in Deutschland nicht mehr gestattet sei. Wie das ausgegangen ist, weiß ich nicht; ich wäre, hätte ich mich damit weiter befassen müssen, ausgerastet. “Weil etwas passieren kann” wird zur moralischen Basis einer jeden Einschränkung von Freiheit, zu der das Risiko gehört; beide nämlich sind, und zwar unbedingt, aufeinander bezogen.

    [Weitres Nachdenken beim Bereiten
    des zweiten Latte macchiatos.]
  2. In Tschechien erlebte ich den Straßenverkehr in den Provinzstädten immer als angenehm, weil es kaum Ampeln gab und sich die Fußgänger durch eine ubiquitäre Zebrastreifenregelung sehr flüssig vorwärts bewegen konnten. Und bezeichnend auch, als ich vor Jahren einen deutsch-polnischen Kammweg entlanglief: auf deutscher Seite Geländer, auf polnischer keine.
    Ja, die Reglementierungswut… Eben las ich, daß in New York das Alter, ab dem man Tabak kaufen kann, von 18 auf 21 erhöht werden soll.
    Ich lese gerade das Buch “Mindfuck”, in dem erläutert wird, wie und warum wir uns selbst sabotieren. Wir haben offenbar diese Autopolizei auch in uns, entweder als erlernte Muster aus frühen Lebensphasen oder gesellschaftlich konditioniert (z.B. Mangelerfahrungen der Kriegsgenerationen, Unterwürfigkeit gegen der Obrigkeit), wobei die Autorin behauptet, wir leben und leiden unter einem Regelkonstrukt, das mindestens 30 Jahre hinterherhinkt. Wir müssen demnach an zweifacher Front gegen Anachronismen kämpfen, die uns mental blockieren und eine kreative Lebensführung erschweren.

    1. @Dostoevski. Dieses Hinterherhinken hat oft auch den nachvollziehbaren Grund, daß Gesetze, bis sie einmal durchgebracht sind, Zeit brauchen, in der sich Entwicklungen weitervollziehen, die es dann gar nicht mehr abdecken kann. Das ist prinzipiell ein Problem von demokratischen Gesetzen, weshalb man sie eben auf ein Mindesmaß beschränken muß: ihr notwendigerweise normativer Character verlangt das. Aber ich glaube, es ist gerade Absicht, uns zu reglementieren, aus Angst nämlich, daß man die Kontrolle verliert. Dabei wird Staat wieder etwas, von dem wir uns demokratisch mit vielen Kämpfen eigentlich gelöst hatten: etwas, das von außen auf uns herabspricht, anstelle, daß wir das Gefühl entwickeln könnten, wir seien er. Auf diese Weise wird “Im Namen des Volkes” zu einer Lüge, an der Lobbies, Parteien, Kirchen, ja je nach Bedeutung sogar Vereine mitstricken; Demokratie selbst wird zur Farce, und dies eben durch im Namen des Volkes verfügte Gesetzgebungen, die ein in erster Linie ökonomisches Primat haben.

      Eine sehr eindrückliche Geschichte erzählte mir einmal mein Wahlvater Dieter Betz: Im Zweiten Weltkrieg, als politisch Bedrohte übern Paß nach Italien flohen, wo man sie auch nicht aufnehmen durfte, steckten sich italienische Soldaten eine Zigarette an, wozu sie sich wegdrehen mußten. Da hatten sie doch gar keien Schuld, wenn die Flüchtlinge durchschlupfen konnten, zudem das niemand mitbekam. Betz: “Warum nur haben wir Deutschen solch eine Grandezza nicht?!”

      Als der Emigrant Pablo Neruda aus Italien ausgewiesen werden sollte, weil er Kommunist war und unverheiratet mit einer Frau zusammenlebte, widersetzte sich >>>> Edwin Cerio dem Beschluß und stellte Neruda und seiner Partnerin ein Haus auf Capri zur Verfügung.

  3. Das ist Stalking. Die Menschen neigen heute zum Verharmlosen
    und Vermischen von echten Vergehen mit Belanglosigkeiten.
    Wie kann das bloße Besuchen z. B. eines FaceBookProfils
    als Stalking bezeichnet werden ? Stalking ist ein massiver
    Eingriff in das Leben eines anderen Menschen. Sicher nicht
    ein UmwerbungsVersuch. Die Motivation ist schon eine
    andere !

    Die Lehrerin Heike Block wurde von einem ehemaligen Schüler getötet, mehr als 20-mal stach Gero S. auf sie ein. Zuvor hatte er der jungen Frau zwei Jahre lang nachgestellt. Sie konnte das Stalking mit detaillierten Notizen beweisen – aber niemand griff ein. Protokoll eines absehbaren Mordes.

    Weiterlesen:
    http://belleeer.twoday.net/stories/stalking/

    Auch das ist Stalking:

    meine Kategorie war eine ganz andere,
    zerstochene Reifen (kannst Du natürlich nur als Anzeige gegen UNBEKANNT machen),
    zerbeulte AutoMotorHaube,
    zerknickte ScheibenWischer,
    Verfolgungsjagden per Auto,
    Auflauern an den unmöglichsten Orten samt Beobachtens aus der Ferne,
    Anschreien an Orten,
    Rumlungern ums Haus (bei Dunkelheit),
    den Bekanntenkreis belästigen per Anrufen, Besuchen, SCHAUSPIEL,
    nach einem Jahr wurde er so auffällig, auch wiederholt unter Zeugen,
    dass ich endlich genügend BeweisMaterial gesammelt hatte!!!
    (ich habe hier noch nicht alle Punkte aufgeführt)
    und er durfte lernen,
    dass man hier in Deutschland Menschen doch nicht einfach belästigen, bedrohen, kann,
    sondern, dass das sogar STRAFBAR ist!!!

    Weiterlesen:
    http://belleeer.twoday.net/stories/erotomanie/

    1. @Belleeer. In Ihrem Kommentar vermischen Sie objektive Straftatbestände (Zerstechen von Reifen usw) mit solchen, die unterdessen unter Stalking fallen, etwa “Rumlungern ums Haus”: das, in der Tat, darf k e i n Straftatbestand sein. Es mag lästig sein, ja, aber daß etwas lästig ist, darf nicht die Grundlage gesetzlicher Regelungen werden.
      Ist es unterdessen geworden. Und wir werden unfrei. Ich kann nur immer wieder deutlich zum Widerstand dagegen aufrufen, ja zum Ungehorsam. Mir ist jeder Einbrecher lieber als ein Mensch, der sich an jedes Gesetz hält. Gerade in Deutschland sollten wir wissen, warum.

    2. In dem Zusammenhang… ist auch ein Herumlungern vor dem Haus,
      besonders bei Dunkelheit, ein StraftatBestand.
      Es dient der Einschüchterung.

      Freiheit ist etwas anderes und schränkt nicht
      massiv das Leben eines anderen ein.

      Stalking ist das willentliche und wiederholte (beharrliche) Verfolgen oder Belästigen einer Person, deren physische oder psychische Unversehrtheit dadurch unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedroht und geschädigt werden kann. Stalking ist in vielen Staaten ein Straftatbestand (in Deutschland als „Nachstellung“) und Thema kriminologischer und psychologischer Untersuchungen.

      Das Spektrum der so genannten Stalking-Verhaltensweisen kann in dramatischen Fällen über körperliche Gewalt bis hin zu Tötung reichen. Es muss darauf hingewiesen werden, dass einzelne Handlungen dabei nicht notwendigerweise als kriminell eingestuft werden müssen, die Anzahl und die Dauer solcher Handlungen allerdings als Stalking betrachtet werden. Der Versuch beispielsweise, die Telefonnummer einer Person zu ermitteln, muss als einzelne Tat nicht notwendigerweise als Störung auffallen, in Kombination mit anderen Handlungen kann solch ein Verhalten aber als Stalking bezeichnet werden. Umgekehrt ist eine Person, die vereinzelt versucht eine Person zu erreichen, nicht notwendigerweise ein Stalker.

      Fälschlicherweise werden auch generelle Störenfriede, Nervensägen oder unangenehme Personen als Stalker bezeichnet, obwohl deren Handlungen nicht unbedingt eine Verfolgung darstellen. Des Weiteren kann bei einem Verbrechen wie Mord oder Überfall nicht jeder vorherige Versuch der Kontaktaufnahme als Anzeichen von Stalking bezeichnet werden.

      Körperliches Attackieren oder die Ausübung von körperlicher Gewalt kommen, nach einer Analyse der Technischen Universität Darmstadt in Zusammenarbeit mit dem Weißen Ring, in jedem fünften Fall vor. Häufig sind es jedoch die eher „leichten“ Stalking-Handlungen, wie etwa das Telefonieren oder das Sich-Aufhalten in der Nähe des Opfers, die den überwiegenden Anteil aller Handlungen ausmachen. Je nach Charakter, Belastbarkeit und Empfindlichkeit des Opfers können aber bereits diese „leichteren“ Formen des Stalkings beim Opfer psychische und physische Reaktionen hervorrufen, die sich mit Dauer des Stalkings entsprechend steigern und individuell zu ernsthaften Erkrankungen führen und sich bis zur Arbeitsunfähigkeit entwickeln können.

      Weiterlesen:
      http://de.wikipedia.org/wiki/Stalking

    3. Schön auch, was der WikipediaBeitrag zum CyberStalking schreibt.
      Sollten sich manche zu Herzen nehmen !:

      Cyberstalking oder Cyber-Mobbing bezeichnet die Belästigung und das beharrliche Nachstellen einer Person unter Anwendung und Zuhilfenahme von modernen technischen Hilfsmitteln wie Handy oder Internet.

  4. Zum Stalking Es lohnte sich, auch die Literatur auf dieses Phänomen hin einmal mit einem anderen Blick als jenem, den Sie hier so wohlwollend und romantisierend darauf werfen, gegen den Strich zu lesen. Auch so manche Vergewaltigung ist literarisch zu höchster Gefühligkeit geadelt worden (Röschen auf der Heide, gelle!)

    Vielleicht lohnte es sich für Sie auch als Autor, wären Sie einmal der Zähigkeit einer Stalkerin (und stalken heißt: dauerhaft und in den kompletten Alltag des “Gestalkten” eingreifend) ausgesetzt, die Sie zutiefst erotisch und anders abstoßend finden. Die aber sich einbildete, es sei dies ein Fehler bei und in Ihnen, der zu beheben sei durch Belagerung Ihres Wohnraums, Betexten Ihres Anrufbeantwortes und Ihrer Email-Accounts, durch Beschwatzen aller Ihrer Freunde und Bekannten, durch Besetzen aller öffentlich zugänglichen Räume, die Sie aufsuchen, durch Anrufe bei Ihrem Arbeitgeber (gut, den haben Sie nicht), zuletzt auch durch Drohungen und Verleumdungen. Alles im Namen der Liebe. Vielleicht könnte das eine Frau sein, mit der Sie einmal ganz kurz zusammen waren, ein Fehler, der Ihnen schon am ersten Morgen danach beim Aufwachen bewusst geworden wäre und als ein scheußliches Sodbrennen sich sogleich in Ihrer Kehle ausgebreitet hätte, ein Ekel, den Sie (das wäre Ihnen, aber dieser Frau nicht, als vollkommen unüberwindlich klar geworden) niemals mehr ablegen könnten, verbunden wäre es gewesen gar mit einem Ekel über sich selbst in den Armen dieser Frau. Sie hätten, selbstverständlich, als ein Mann mit respektvollen Manieren, dieses Gefühl nicht sogleich ausgesprochen, sondern versucht sich anders, zartfühlender, aus dem Staub zu machen bzw. aus der Affäre zu ziehen. Das aber wäre vereitelt worden, stattdessen hätte sich diese Frau in Ihrem Leben breit gemacht, Ihrem Sohn vor der Schule aufgelauert, Ihren Ex-Freundinnen Briefe geschickt und Ihrem besten Freund seine Stammkneipe verleidet.

    Es wäre Ihnen sicher möglich gewesen, der Zähigkeit dieser Frau, die unverdrossen Jahr um Jahr all Ihre Beziehungen begleitet, kommentiert, bedroht hätte, Bewunderung entgegenzubringen und Ihrer Werbung (gleichwohl sie ihr um der unüberwindlichen Abscheu nicht hätten nachgeben können) Ihre Achtung nicht zu versagen.

    Kleinere Geister vermögen das nicht. Manche, in schweren Fällen, wechseln die Wohnung, den Arbeitgeber, den Wohnort, die Freunde. Manche suchen Hilfe beim Rechtsstaat. Die ist gar nicht so leicht zu kriegen, wie es in Ihren Zeilen, in denen Stalker als Märtyrer der Liebesfreiheit erscheinen, den Anschein hat. Es lohnte sich darüber vielleicht ein Gespräch zum Beispiel mit meinem Bruder, der in einem solchen Fall zu urteilen hatte. Das Opfer war zu jenem Zeitpunkt, zu dem der Rechtsstaat endlich einschritt, bereits 5mal umgezogen, hatte zuletzt sogar das Land verlassen und befand sich in psychiatrischer Behandlung.

    Manchmal geht es auch schneller und unpoetischer. Ich habe schon erlebt, dass die Drohung eines groß gewachsenen und muskelbepackten Freundes, die Angelegenheit ganz archaisch mit ein wenig brutaler Gewalt zu lösen, Wunder wirken kann und die “Liebe” sich , hastdusnichtgesehen, in Luft auflöst.

    Lieber wäre es mir allerdings, nicht auf so brachiale Methoden (und männliche Hilfe) angewiesen zu sein, wenn der Fall eintritt. Vielleicht kann es ja doch ausreichen, wenn eine sagt: “Dich will ich nicht in meinem Leben.”, dass der sich einfach verzieht. Soll er halt aus der Ferne zäh weiter lieben, wenn´s sein muss. Wenn eine umworben sein will, dann lässt sie es denjenigen schon merken.

    Und: Nein ist Nein! No way.

    1. @Melusine.

      Nein ist Nein!Das eben stimmt nicht, nicht grundsätzlich, im Liebesspiel. Ich habe zu oft schon etwas ganz anderes erlebt.

      Und selbstverständlich ist, was Sie da beschreiben, furchtbar. Aber es läßt sich im Rahmen bestehender Gesetze lösen; die sind auszuschöpfen, anstatt immer weitere und weitere hinzuzutun. Sonst werden wir eines Tages Gefangene sein. Wenn Sie das wollen, bitteschön. Ich werde jedenfalls immer und immer wieder dagegen verstoßen. Wenn man mich dann dafür einsperrt, ist es eigentlich egal; denn andernfalls wär ich auch draußen in die engsten Regularien gesperrt. Der Weg in die Freiheit ist n i e der Ruf nach Autorität, die ja letzten Endes genau den “starken Mann” vorstellt, den Sie gerade nicht wollen, nur halt als die “abstrakte” Erscheinung der Staats,ecco!,gewalt.

      Bei einem Arbeitgeber anzurufen und eine(n) anzuschwärzen, läuft für mich nicht unter “Stalking”, sondern solche Fälle können sehr einfach als üble Nachrede und dergleichen behandelt werden; sie fallen unter das Persönlichkeitsschutzrecht. Aber unglückliches Verliebtsein und Werben, sei es auch zäh, unter Strafe zu stellen, wird auf Dauer jedes Verliebtsein zerstören, weil niemand mehr wissen wird, was man denn jetzt noch zeigen darf und was nicht. Wir sind genau auf diesem unheilvollen Weg. Wenn Sie sich dabei glücklich fühlen, nun, Gott befohlen; der war schon immer gut darin, uns Menschen zu Sündern zu machen, anstatt daß wir frei sind und von jedem Apfel kosten können, den uns lockend jemand reicht.

    2. Das Eindringen in das Leben und die Beziehungen eines Menschen, der klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er das nicht will, ist auch Gewalt. In dem oben angedeuteten Fall ist es erst im Spätstadium zu justiablen Verleumdungen gekommen. Vorher hatte der Mann über ein Jahrzehnt das Leben und die Beziehungen dieser Frau systematisch zerstört, ohne dass rechtsstaatliche Gewalt griff.

      Und damit es klar ist: Es ist schade, immer, wenn Gewalt nötig ist. Aber ich halte sie für gerechtfertigt, wenn jemand ein “Nein” nicht akzeptieren kann. Liebe ist das nicht, den ausdrücklichen Willen des anderen zu missachten, sondern Besitzanspruch. (Beinahe jeden Tag, wussten Sie das, wird in Deutschland eine Frau von einem Mann, der behauptete sie zu lieben, ermordet.) Denn die Liebe, die eine ist, will das Glück des anderen mehr als das eigene.

      Also, damit es klar ist, weil Sie schreiben “Gewalt” wolle ich nicht: Wenn´s nötig wird, warte ich nicht auf die staatliche Gewalt, sondern nehme die Sache selbst in die Hand. Sie mögen ja die Erfahrung haben, dass ein “Nein” nicht ernst gemeint ist. Vielleicht gibt es Frauen und Männer, die solche “Spiele” interessieren. Die, die ich kenne, trauen sich durchaus “Ja” zu sagen, wenn sie es wollen. Ich setze dagegen die Erfahrung, dass manche Menschen ein “Nein” halt nicht begreifen wollen, weil sie sich “ihrer Sache” so sicher sind, es aber, Überraschung!, doch ganz schnell kapieren, wenn es etwas nachdrücklicher vorgebracht wird, so nämlich dass es spürbar wird! Und dass dann von Liebe, trallala, auch gar nicht und nie mehr die Rede ist.

      Vor anderthalb Jahren habe ich “Das Museum der Unschuld” von Orhan Pamuk gelesen, in dem die Geschichte eines unglücklich Liebenden erzählt wird. Er müht sich um die Frau, die er verlassen hat, und will sie wiedergewinnen. Aber er “stalkt” nicht. Der Platz, den er sich in ihrem Leben zu verschaffen versucht, ist bescheiden. Sein Vorgehen ist respektvoll, niemals aufdringlich. Er respektiert die Grenzen, die die Geliebte setzt. Wie auch die Troubadoure, nicht wahr?

      Der Unterschied ist gar nicht so schwer zu kapieren. Sie setzen sich hier für Leute (Männer und Frauen) ein, deren Verhalten Sie, wenn es Ihnen real begegnete, verachten und, wenn es Sie selbst und Ihre Familie beträfe, gegen das Sie sich mit (fast) allen Mitteln wehren würden.

      Freiheit hat ihre Grenzen ganz klar da, wo ihre Wahrnehmung die Freiheit des Anderen einschränkt. Auch “Liebe” (oder das, was sich dafür ausgibt) ist keine Entschuldigung dafür, die Freiheitsrechte eines anderen einzuschränken und seinen erklärten Willen zu missachten. Überhaupt wirkt “Liebe”, die als Entschuldigung für etwas herhalten muss, auf mich immer abstoßend. In derselben Weise stalken nämlich auch manche Eltern ihre Kinder “aus Liebe” oder manche Geschwister einander (der große Bruder, der die Schwester von der Schule abholt, obwohl sie es nicht will.)

      Wenn Sie einer einen Apfel reichen und die schlägt Ihnen den aus der Hand, ist das auch ein Akt der Freiheit. Dann ziehen Sie – unglücklich vielleicht – von dannen und schreiben ein Gedicht. Aber Sie kippen keinen Lastwagen voller Äpfel vor deren Haus aus. Hoffe ich.

    3. Sie, @ Melusine, mißverstehen mich. Ich springe nicht zum Schutz von Leuten bei, die, wenn nicht anders zum Ziel ihrer Sehnsucht gelangend, unlautere und vor allem auch feig Gewalt anwenden; ich meine aber, daß es ein in seinen Folgen unüberschaubarer Fehler ist, alles und jedes per (Straf-, ,bzw. Ordnungsstraf)Gesetz regeln zu wollen, und zwar einfach schon deshalb, weil Gesetze niemals die Gegenwart rekleftieren können und weil sie, das ist mein Hauptpunkt, normativ sind. Damit gehen sie an der Flüssigkeit, zu der ihre Entwicklung gehört, einer Wirklichkeit vorbei, deren Wirklichkeit sich jemand, die oder der genügend Geld, also Macht, hat, erfüllen kann, ob nun Gesetze da sind oder nicht. Nicht, daß ich einen gesetzlosen Zustand wünschte (doch, ich wünschte ihn ich mir schon, aber er brauchte, um zu angemessen zu funktionieren, tatsächlich gleich gebildete und auch ökonomisch gleich mächtige Menschen), aber man sollte die Gesetze auf das Mindesmaß begrenzen und nicht alles und jedes unter Androhung von Staatsgewalt regeln. Wir haben unterdessen genügend Gesetze, deren Ausschöpfen die von Ihnen genannten Übergriffe regeln; ein Rest am Risiko, belästigt zu werden, bleibt dann, aber den haben wir alle, jede und jeder, selbst zu tragen, weil Leben eben Risiko ist; nimmt man das Risiko heraus, werden wir Replikanten.
      Wir werden auch um den Umstand nicht herumkommen, daß Leben selbst mit Gewalt operiert, daß sie ein Teil von ihm ist; das gilt selbstverständlich auch für die Liebe und, sowieso, die Sexualität. Daß mir eine Frau hinterherläuft oder Ihnen ein Mann, gehört zu dem, was wir zu ertragen haben – bis eben zu dem Punkt, an dem die “Stalkerin” oder der “Stalker” bereits vorhandene Gesetze verletzt. – Es geht ja auch nicht nur um diesen speziellen Bereich, sondern um die Verkehrsordnung, die Warenordnung, die Versammlungsfreiheit, das Rauchen, den (hierzulande verbotenen) Verzehr, bzw. für ihn das Angebot, von Stierhoden usw. usf. Es geht darum, daß wir selbst normiert werden sollen. Wir werden uns von Robotern eines Tages nicht mehr unterscheiden; deshalb habe ich oben von “Verameisung” gesprochen: wo die eigene Gedankenkraft und Verantwortung greifen sollten, greift dann nur noch der Reflex auf das Gesetz, sprich: das Programm.
      Wirklichkeit ist flüssig. Ein Nein ist nicht unbedingt ein Nein, es ist aber unbedingt eben auch kein Ja, es kann tatsächlich ein Nein sein. Oder es kann ein “Ja” werden, genau so, wie ein “Ja” ein “Nein” werden kann, für uns selbst unvermittelt und unbegreifbar und enttäuschend. Gesetze hindern uns daran, diese Flüssigkeit zu erfahren und zu verarbeiten. Überdies sind sie nicht selten Ausdruck politischer Willen, die viel weniger an tatsächlichen Mehrheiten als an der Macht und Interessen von Lobbies hängen.
      Daß es einige Menschen gibt, die eine erforderliche Gedankenkraft nicht aufbringen, die, um meine Löwin zu zitieren, “unterkomplex” sind, darf nicht dazu führen, daß derethalben auch alle anderen, die komplex sind, gesetzlich mitbestimmt werden. Genau das zu tun, ist aber das Wesen eines Gesetzes, weil Gesetze eben normativ sind und die faktische Ungleichheit von uns Menschen berücksichtigen gar nicht können.

  5. emotions defizit syndrom stalking ein neues wort für ein altes treiben
    nur das es bereits wie eine krankheit um sich greift
    die vereinsamung des modernen menschen
    im virtuellen raum
    schafft ein defizitäres verhältnis zum anderen
    da die sprachlichen möglichkeiten des mediums
    nicht ausreichen grundlegende menschliche
    bedürfnisse auszufüllen
    das defizit führt dann zu einem krankhaften
    versuch der kompensation via stalking

    1. @Sandrose. Das ist eine interessant Interpretation, der ich nachdenkend nachgehen werde, obwohl ich an eine Vereinsamung im virtuellen Raum nicht glaube. Die Menschen sind heutzutage nicht “getrennter”, als sie es zuvor gewesen. Dennoch scheint mit ein Zusammenhang zu bestehen; irgend etwas Evidentes ist an dem, was Sie sagen.
      Danke.

    2. Weniger ein Mangel an Emotionen scheint mir die Ursache für die (vermeintliche oder tatsächliche?) Zunahme des Phänomens. Weder mangelt es dem Stalker an Gefühlen für sein Opfer (seine “Verliebtheit” nimmt ja geradezu übersteigerte, auch ihn selbst quälende Züge an), noch – nach meiner Beobachtung – an der Fähigkeit zur Einfühlung (der Stalker weiß sehr genau, wo er sein Opfer treffen kann, wo es schutzlos und verwundbar ist).

      Sondern: Ein Mangel an “Haltung”, an dem Willen und der Fähigkeit, Ansprüche nicht nur an die Welt und die anderen zu richten, sondern auch und zuerst an sich selbst. Man hätte das früher vielleicht “Stolz” genannt oder “Ehre” (dafür krieg´ ich wohl auf die Mütze; das sind sehr aus der Mode gekommene Begriffe, auch – vor allem letzterer – sehr missbrauchte. Mir sind sie dennoch wert.)

      Der Stalker kann die Zumutung nicht ertragen, dass er nicht immer kriegt, was er begehrt. Wie ein Kleinkind plärrt und lamentiert er, weil er an das, was er so arg haben will, nicht ran kommt. Er hat nicht gelernt, mit Frustration “umzugehen”, d.h. sie produktiv zu verwandeln. Stattdessen klagt er die Welt und das Objekt seines Begehrens an und “bestraft” sie.

      Das heißt auch: Wir sind schuld. (Wenn es Schuldige gibt). Eine Generation, die ihre Kinder nicht dazu erzieht, das eigene Begehren nicht als Anspruch an die Welt zu deklarieren, sondern Ansprüche an sich selbst zu definieren und diesen zu genügen. Stattdessen werden viele noch bis in jugendliche Alter wie Babys behandelt, auf deren Bedürfnisse allzeit und umfassend “eingegangen” werden soll, wie es so schön heißt.

    3. Auch @Melusine daran scheint mir einiges zu sein, zumal ich Ihnen, was Haltung und Stolz anbelangt, ohnedies sofort beispringe. Aber zum einen ist dieses “durch die Liebe zum Narren gemacht werden” ein bereits uralter Typos, tatsächlich schon in der Antike zu finden; deshalb wird man von Amors Pfeil auch “getroffen”, das heißt, eben in seiner Autarkie verwundet; dies begleitet das Phänomen der Liebe von allem anderen an; zum anderen schreiben Sie sehr richtig von etwas, das “eine Krankheit” sei. Dazu Ingeborg Bachmann:

      Ich glaube, daß die Liebe auf der Nachtseite der Welt ist, verderblicher als jedes Verbrechen, als jede Ketzrei. Ich glaube, daß, wo sie aufkommt, ein Wirbel entsteht wie vor dem ersten Schöpfungstag. Ich glaube, daß die Liebe unschuldig ist und zum Untergang führt; daß es nur weitergeht mit Schuld und mit dem Kommen vor alle Instanzen.
      I.B., Die hier lieben, müssen umkommen, Programmheft Otello, Oper Wiesbaden 1992
      Wenn man Bachmanns Sicht umdreht, die Liebe also will, dann kommt man auch mit dem Stalking klar, packt es jedenfalls nicht ins Strafgesetzbuch.
      Sie schreiben sehr richtig von dem Aspekt des Krankhaften; wir sollten dieses sehen, nicht ein Strafdelikt; ein solches wäre erst dann zu ahnden, wird tatsächlich, wie oben dieskutiert, ein Verbrechen begangen, das der oder dem so rasend Begehrten einen deutlichen Schaden zufügt; so etwas war im Rahmen der bereits existierenden rechtlichen Normen längst zu ahnden.

    4. Sehen Sie, ANH, ich glaube, Sie verwechseln das Stalking (irgendwie klingt dieser Anglizismus selbst in meinen Ohren, die keineswegs auf “deutsche” Sprachreinheit Wert legen, gruselig) mit der Verliebtheit, wie sie in mancher Literatur besungen wird. Denn der Stalker, wie ich ihn erlebt habe, ist viel weniger an der Liebe , ja nicht einmal am Objekt seiner Liebe interessiert, als dass er sich mit sich selbst, mit seiner Gekränktheit beschäftigt und um derentwillen auf Rache sinnt. Der Rache hängt er dann das Mäntelchen der Verliebtheit um, wobei er leicht enttarnt werden kann, sobald es ihm selbst “an den Kragen” geht. Dann hört das nämlich ganz schnell auf.

      Ich rede ungern irgendeiner Art von “Verrechtlichung” das Wort und könnte jetzt auch gar nicht genau darlegen, wie die rechtliche Situation tatsächlich ist. Ich weiß aber, dass mein Bruder sich bei dieser Frau, deren Fall ich oben beschrieben habe, für das Versagen des Rechtsstaates entschuldigt hat. Denn ihr Leben war zu jenem Zeitpunkt schon unwiederbringlich verpfuscht.

      (Wie auch schon erwähnt: Persönlich würde ich im schlimmsten Fall nicht das Recht anrufen, sondern Gewalt androhen und zur Not auch anwenden. Aber das nur unter uns 😉 Und ich rufe damit keineswegs und ausdrücklich nicht andere zu Gewaltanwendung und Selbstjustiz auf. Nur wegen der eventl. mitlesenden 3. Gewalt)

    5. Prinzipiell @Melusine sehe ich das wie Sie, wobei mich eine “3. Gewalt” nicht sonderlich stört; möge sie gerne zuhören. Im Gegensatz zu Ihnen lege ich allerdings auf Sprach”reinheit” wert, aber nur gegenüber einer ganz bestimmten, die zunehmend die Herrschaft über alle anderen übernimmt. Immer wieder verweise ich in diesem Zusammenhang auf >>>> Donald Rumms- und Krachfeld; bin halt ein guter Amti-US-Amerikaner. Gegen spanische, französische, italienische, griechische, arabische, chinesische, japanische, suahilische und sonstige Wörter habe ich nichts, im Gegenteil, Farsi gefällt mir ausnehmend gut, ebenso Urdu. Die Leser:innen meiner Bücher wissen, daß ich ein ausgemachter Freund der sogenannten Fremdwörter bin. Das soll alles rein ins Deutsche und auch darin bleiben, je schneller,desto besser; je mehr Wörter verschiedensprachiger Wörter es sein werden, desto besser ist es. Nur von dieser einen Sprache habe ich, als eingeschworener Feind des (prinzipiell patriachalen) Monotheismus die Schnauze voll.

      Nein, “der” Stalker interessiert mich gar nicht sonderlich; ich buche ihn unter “verwundet” ab. Ich selbst habe auf eine ihm zugeschriebene Weise schon versucht, Frauen, in die ich verliebt war, für mich zu gewinnen; der letzte solche Prozeß währte – es liegt Jahr zurück – fast sechs Monate: Ich ließ Rosen schicken, klemmte eigenhändig Rosen eigenhändig allabendlich hinter ihre Haustür, beauftragte eine Blumenhandlung, jeden Montag einen Stauß zu schicken, was ich im voraus bezahlte, schrieb Briefe, Gedichte, schickte sie auch ab. Nach dem halben Jahr gab ich auf. Heute käme ich dafür hinter Gitter. Ich darf mich also mit Fug und Recht als einen heutigen Kriminellen betrachten. Handlungen, die der Frau objektiv geschadet hätten, wären mir allerdings nie eingefallen; im Gegenteil, wo ich es konnte, half ich ihr hinter den Kulissen beruflich voran. Und bei dem wollte ich auf keinen Fall, daß mein Name genannt wurde; sie weiß es ganz sicher bis heute noch nicht. Aber ich war vernarrt – wie Aragon bezüglich Triolet schreibt: un fou d’Elsa (sogar einer seiner Gedichtbände heißt so).
      Ich bin ausgeglitten. Isso. Die Vorstellung aber, deswegen nunmehr ein Vorbestrafter zu sein, ist mir schaurig. Es sind viele Texte, nicht nur Gedichte, aus dieser Geschichte entstanden. Und dafür bin ich dankbar, auch dieser Frau, die der Anlaß für sie war. Imgrunde sind meine ersten Bücher immer Schreiben an Frauen gewesen, in die ich unglücklich verliebt war, und das seit meinem vierzehnten Lebensjahr.
      Wogegen ich mich wende, ist die permanente Zunahme rechtlicher Vorschriften, die wir zu beachten haben. Ich habe meinen Beitrag nicht grundlos in den Zusammenhang mit der Massengesellschaft gestellt; genau darum spreche ich auch von “Verameisung”. “Stalkling” ist davon nur ein Teil; aber es scheint mir bezeichnend zu sein, daß auf meinen Beitrag, der die folgenden Kommentare ausgelöst hat, eigentlich nur in Sachen Stalking reagiert worden ist.

    6. emotions defizit syndrom passivität nur scheinbar
      wachstum aktiv
      kristalline annäherung
      vom ameisenbewusstsein
      zum pflanzenbewusstsein
      integration ist aber auch überwindung
      a propos windung
      evolution goes über leichen
      bäume pflanzen
      träume pflanzen
      mehr denn je
      also open source
      wellen und meer
      haarige verdichtung
      im individuellen rahmen
      gesellschaftsumfassend
      eine demokratische saat

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