Untriest 71: Mittwoch, den 22. April 2015. Darinnen Witzel wieder und außerdem The Horseman.

Arbeitswohnung, 7.15 Uhr


An manche, Liebste,

Lektüren erinnere ich mich a u c h, weil mir dir Orte vor Augen stehen, an denen ich ihnen nachging – so daß s i e mir nachgehen; etwa, es waren die Jahre meiner Psychoanalyse, Dorothea >>>> Dieckmanns Guantánamo, das ich zu Teilen auf einer Bank am Weinbergspark las, nur einen Straßenzug von meinem Analytiker entfernt. Ich bin mir sicher, daß ich mich nun Witzels immer weitererinnern werde, weil ich gestern nachmittag mit >>>> seinem Roman in den Thälmannpark abzog, um wenigstens ein bißchen was von dem strahlenden Sommerwetter zu haben; an die achtzig Seiten las ich dort, Chucks und Socken ausgezogen, das helle Jackett neben mich gelegt, hin und wieder, aber wirklich nur selten, aufschauend, wenn eine Frau vorbeiging, keiner aber nachsinnend, denn das Buch hält sein hohes Niveau. Etwas mehr als ein Drittel habe ich nun gelesen, da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Meine Begeisterung für diesen Text ist ungebrochen. Nur, mein Herz, sieht es momentan nicht so aus, leider, als könnte ich diesen Aspekt meines Gesterns heut wiederholen; eher ist mit Regen zu rechnen, so dicht ist der Himmel bezogen.
Und Bäume, eingangs des Parks, standen im schimmernden Schaum weißer Blüten! Pan erwacht –
Vorher hatte ich mit meiner Lektorin noch einmal meinen Możdżer-Text, den für die FAZ, durchgesprochen; ich bin derzeit nicht sehr frei im Formulieren, so, als käme eines meiner inneren Räder nicht in Schwung, vielleicht sind‘s auch drei oder vier.
Sowas spiegelt sich in verkrampten Sätzen, die was sie sagen wollen einfach nicht erwischen und darum herumabstrahieren. Jetzt aber ist das Ding wohl gut, ich werd es gleich noch einmal durchsehen und dann an die Redaktion schicken. Ebenso will ich endlich meine Rezension zu >>>> Schultens Gorgo, die im letzten Jahr in der >>>> Volltext erschien, für Die Dschungel formatieren und einstellen. Danach die Triestbriefe wieder. Und ich hatte gestern den starken Impuls, heute meinen Sport wieder aufzunehmen; endlich; die engsten Gürtellöcher spannen bereits den Gurt um den Bauch. Innerhalb einer Woche sollte er wieder lockerer sitzen. Es gibt so etwas wie einen Umkehr,quasi,schluß, einen Rückeffekt auf die Seele. In die spricht mir schon dauernd die Löwin hinein, nicht minder konsequent als besorgt: „Sie müssen wieder Sport treiben!“ Meine, nun ja, Ausrede, ich hätte zuviel zu tun, läßt sie nicht oder nur kaum gelten. Ich bin‘s ja auch selbst, der gegen sie spricht: Was denn schaffe ich momentan schon?
Allerdings gehen auch ständig Elektobriefe hin und her, vor allem zwischen dem Verlag und mir. Es waren nun, fürs Traumschiff, derart viele Korrekturen noch, die meine Lektorin und ich in den Fahnen angebracht haben, daß noch einmal ein ganz neuer Satzlauf in Auftrag gegeben wurde, der abermals wird durchgesehen werden müssen. Und erste Rückmeldungen für projektierte Lesungen gehen ein, wir rangeln sanft um Termine.
So wollte ich die Früharbeitsphasen wieder aufnehmen, aber kam dann doch erst um halb sieben aus dem Bett. Immerhin, besser als acht. Trotzdem, ich brauche diese Morgenstunden, um mich wohlzufühlen, inspiriert zu fühlen und dann auch tatsächlich etwas zu schaffen. Sonst vertrudeln mir die Tage. Doch in der Nacht hielt mich ein ausgezeichneter Spielfilm fest, The Horseman von Tommy Lee Jones, eine poetisch-harte, fast unerbittliche Erzählung, die noch heute früh ziemlich nachwirkt. Ich lese mich, Herz, grad durch >>>> die Kritiken, hätte wohl auch selbst ein wenig dazu zu sagen, aber will mich heut vom Kurs nicht abbringen lassen. Nur eines aber, nämlich doch zu sagen ist, daß, jedenfalls bislang, keine von ihnen die nihilistische Struktur von Briggs, wie einer schreibt, Veitstanz auf dem Fährfloß verstanden hat, mit dem der Spielfilm schließt. Wie im Nebenbei wird das beschriftete Grabholz, das der nun selber irre Held für die eigentliche Heldin der Geschichte besorgt hat, ins Wasser gestoßen und sie – vergessen werden.

Abends eine >>>> Veranstaltung mit Sabine Scho.

Sei umarmt,
A.

12.16 Uhr
So, habe die Schultens-Rezension jetzt >>>> eingestellt. Außerdem ist Popps Träumebuch erschienen, schrieb er mit gerade. Und auch für den Verlag muß nachgedacht werden: Was kommt auf die U4? (Hab nicht den mindesten Schimmer, Herz. Hölf mir!).
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