„Gender“ & Poetik. Das Abeitsjournal des Donnerstags, dem 4. Juni 2015.


[Arbeitswohnung, 10.07 Uhr]

„Du schreibst Männerliteratur.“ Seltsames, ja, Verdikt? Vor allem recht zwiespältig, wenn man bedenkt, daß 70% aller Belletristikleser:innen -innen eben s i n d. Vielleicht stimmt die Aussage auch nicht, jedenfalls nicht normativ, also nicht für alle meine Bücher. Für die umfangreichen aber ist etwas dran.
Ich merke es gestern abend, als ich auf Einladung Dr. Nos in einem Whisky und Zigarren zugeneigten Club von Wirtschaftlern und Anwälten las. Genau diejenigen Texte stießen auf Zuspruch, die männlich konnotiert waren, ausgerechnet das für so schwierig verschrieene >>>> Argo. Nicht aber, etwa, daß meine Literaturen objektiv-testosteron fundiert sind, sondern es geht eher um das Selbstbild als Mann, das sich in sie einprägt, um einen gewissen, aber nicht-misogynen, Machismo der Selbstinszenierung, bzw. des Selbstverständnisses. Die Tatsache, Mann zu sein, und sie so auch zu wollen, es also g e r n e zu sein, un„hinterfrag“bar, drückt sich aus: Es gibt keinen Zweifel an der Geschlechtsidentität. Genau dies mag eine Rezeption durch Frauen, gewisse Frauen, behindern.
Allerdings fällt das >>>> Traumschiff aus dieser Dynamik heraus – vielleicht weil Geschlechtsidentität für den sterbenden Herrn Lanmeister keine Rolle mehr spielt. Wir nähern uns, wenn es dem Tod zugeht, einander alle an, ob Weiblein, ob Männlein – was vermutlich auch daran liegt, daß weder mehr an Empfängnis noch an Zeugung gedacht wird. Insofern könnte dieser Roman die Brücke sein, eine, die von den Triestbriefen dann wieder eingerissen wird; bis aber die erscheinen werden, wird noch einiges Blut durch die Aterien laufen, hinab, und herauf durch die Venen.

Bin viel mit dem Hund unterwegs, der derzeit bei mir zu Gast. Seltsam normal. Er lernt schnell. Etwa bleibt er unterdessen, wenn ich vor einer Straßenüberquerung „Stop“ sage, tatsächlich stehen, schaut zu mir auf und wartet, bis ich sage „Jetzt kannst du gehen“. In zwei Tagen habe ich ihm das beigebracht. Erstaunlich. Auf der anderen Seite wirkt er nicht wirklich glücklich darüber, daß ich mit ihm so weite Wege spaziere, was umgekehrt aber mir Freude bereitet. Irgendwie ist er immer ziemlich schnell aus der Puste, und ihn am Fahrrad mitlaufen zu lassen, kann er nun gar nicht leiden. Er tut‘s, hechelt aber danach, daß ich mir fast Sorgen machte und den Versuch nun nicht mehr wiederhole.
Eigentlich aber hätte ich gern einen >>>> Puma, mit dem ich spazierengehe. Katzen liegen mir mehr als Hunde, aber wie ich gerade merke, wenn ich drüben die beiden Perser füttre und streichle, sind mir ihre Stimmen zu hoch. Ein Puma kann – grollen, dunkel. Man müßte sich vor ihm auch immer ein bißchen vorsehen. Und ich würde mich schrecklich unbeliebt machen, einmal mehr, wenn ich mit ihm übern Prenzlauer Berg spaziere und er sich nach seinen möglichen Beuten umschaut. – Ich schreibe das hier hin, weil es zum Geschlecht paßt, über das ich gerade nachdenke.
Jetzt wieder aufbrechen, hinüber, wo ich an der Rezension weiterschreibe.
Gestern meine Schirmbeck-Bücher hervorgeholt, für den Vortrag, der am 1. Juli zu halten ist. Und anderes liegt, fristbewehrt, an. Nur daß ich zur Zeit nicht so sonderlich inspiriert bin – was bedeutet, daß meine Arbeitsdisziplin noch nicht so ganz wieder hergestellt ist. Daß ich dies öffentlich zugebe, ist ein Selbstzwang, der sie wieder herstellen soll – eine Disziplinarmaßnahme, wenn Sie so wollen.

2 thoughts on “„Gender“ & Poetik. Das Abeitsjournal des Donnerstags, dem 4. Juni 2015.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .