Am Tag vor Schirmbeck: Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 30. Juni 2015, eine sonnenbeglückte Gartenterrasse darin und ein Brot. Überdies Graz.

[Bei den Petunien, 10.22 Uhr]
Die Arbeitsjournale: Es geht um Dokumentation.Um Fiktion aber auch. In der Hinsicht, in der – durch Auslassungen, Perspektiven, Betonungen – jene immer auch – auch, eben – Fiktion ist, hat aber diese an jener teil. Wieder einmal le mentir vraie.
Wir sitzen also im Garten, und in der riesigen Birke hält ein Drumm von Taube, ein Ladeflugzeug quasi, mühsam das Gleichgewicht auf den doch eher zarten Zweigen. Ich sage, daß sie sich den komplett falschen Baum ausgesucht hat; als Hangar angemessener wär ihr die massive Kastanie, die ebenfalls im Garten steht. Aber die Taube will nicht hören. Schattenschnell schwebt unversehens ein Falke herbei und schreit; es ist der Männersopran eines ins Morsen abgerissenen Counters. Dennoch, die Taube interessiert ihn nicht. Jedenfalls tut er so. Diese wiederum rührt sich nicht. Die ganze Birke ein als Wasser erstarrtes Fallen. Sogar der Wind spielt nicht länger im Silber.
Dann ist der Falke weg. Ich meine, das überrascht. Denn auf Lauer wird er nicht liegen, oder schleichen Falken neuerdings an, wie ich das bei den Löwinnen sah, in Kenia? bis in die Beingelenke die Körper hinabgeduckt, fast schleift der Bauch überm Gras der Savanne.
Ich bin einzuschlafen geneigt. Jetzt, am Morgen, Die Sonne liebt mein Gesicht und liebkost es, liebkost auch den Hals und einen Teil meiner Brust, die durch das geöffnete Hemd nicht lugt, nein -: sich eratmet.
Das alles ist Dokument und Fiktion. Darüber zu sprechen, unter anderem, kam eine Einladung nach Graz. Die Literaturtage dort werden Ende November stattfinden; neben den Gesprächen und Statements zur sich im Medienzeitalter wandelnden Literarästhetik werde ich auch das >>>> Traumschiff vorstellen dort. Und insgesamt: Die Lesungsfolge wird dichter; 15 Veranstaltungen sind bis Ende Januar bereits terminiert. Es werden noch mehr werden. In Der Dschungel will ich sie aber erst nach offiziellem Erscheinen des Romans annoncieren, in Italien dann, nach dem 11. August. Auch Talkshows scheinen hinzuzukommen.
Dokument und Fiktion. Wahrheit, teils, ist immer Dichtung.

Dazu das Brot, frisch gebacken (vergleichsweise lange Teigführung, gekühlte Gare über Nacht):


Dazu >>>> die Geschichte des Brotes. Wie kam der Mensch darauf, herrje!, die Samen von Gräsern zu mahlen, als die das erste Getreide ihnen doch erschienen sein muß? Ich will es genau wissen; außerdem spiele ich seit heute früh mit dem Gedanken, in einer Bäckerei, die das aber auch ist, ein Praktikum zu machen; imgrunde hätte ich sogar Lust auf eine Bäckerlehre, um schließlich nach der, selbstverständlich, Gesellenwanderei (einmal um die Welt) auch noch den Meister zu erlangen, sagen wir mal im Alter von siebzig. Schuster oder Bäcker: nach wie vor die der Erde poetisch-nahste Ergänzung wenn man Dichter ist. M e i n Sentimentales. Die Wörter Hand und Werk.

Was zu tun ist. Ein Dossier muß geschrieben werden, ein kleines zum Traumschiff, seiner, nun ja, „Geschichte“ und wenig auch zu mir. Sowas bleibt nicht aus. Und eine nächste Kurzgeschichte, eigentlich stehen sogar zwei an. Sowie die fünf Gedichte aus dem Béart-Zyklus, die im Oktober erscheinen sollen. Morgen abend Darmstadt, übermorgen abend Hamburg. Dann, zurück in Berlin, eine Fleißarbeit für S. Fischer, für die allerdings ich nicht selbst zeichnen werde, sondern Aldona v. Hüon tut es für mich. Man darf mich den Adjutanten nennen dieser Hohen Frouwe.

Danken Sie der Sonne. (D.H.Lawrences wunderbare Erzählung, in der ihr eine Frau den unbekleideten Schoß in die Umfangung und Durchdringung hält – besser: in die Durchseelung).
ANH

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .