Aufatmen: Insa Wilkes Traumschiff in der Süddeutschen. Und aber der Perlentaucher. Im Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 5. November 2015.


[Arbeitswohnung, 7.12 Uhr
Elgar, Orgelsonate in G]

Die Nachricht über >>>> Insa Wilkes Traumschiff-Rezension in der Süddeutschen und auch ihr Text erreichten mich gestern früh kurz vor meinem Aufbruch zu Barenboims Musiksymposion. Es war eine große Erleichterung; vielleicht, dachte ich, ist der Damm jetzt gebrochen. Ich las die Rezension auch noch, zwar etwas zitternd, klar. Aber sie ist ausgesprochen fair, und Wilkes kritischen Beitöne sind klug argumentiert; anderer Meinung zu sein, oder sagen wir, die poetischen Dinge bisweilen anders einzuschätzen als ich, ist ihr völliges Recht. Wären alle Kritiken zu meiner Arbeit auf diese Weise geschrieben und veröffentlicht worden, nie und nimmer hätte ich je protestiert, was man mir offensichtlich, daß ich es tat, übelnahm und -nimmt. Nein, hier hat ein unvoreingenommener Geist gewirkt, und eine ästhetische Empathie, die und den ich rückhaltlos akzeptiere. Eigentlich kann ich nur Danke sagen. Auch, weil Frau Wilke die sich notwendigerweise ergebende Problematik meines Werks genau sieht und sie auch bezeichnet: „Herbsts Romane halten die einen für komplette Systemabstürze, die anderen für geniale Weltenschöpfungen.“ Aufmerken läßt eigentlich nur der letzte Satz der Rezension, weil er für eine so stilsichere Autorin seltsam unverbunden dasteht. Tatsächlich bezieht er sich auf das meinem Buch vorangestellte Motto, einer von mir selbst übersetzten Gedichtstrophe Montales, also auf etwas, das der Leser der Rezension ohne weitere Erklärung nicht wissen kann. Insofern dürfte Wilke auf diesen letzten Satz hingeschrieben haben und genau das den Streichungen der Redaktion geopfert worden sein. Zeitungsautor:inn:en haben auf dergleichen leider keinen Einfluß. Möglicherweise ist die Aufgabe einem Praktikanten oder Volontär übertragen worden, sonst wär der Stilbruch nicht so grob ausgefallen, zumal Montale ausschließlich Lyriker war und sich für einen Romancier als „Vorbild“ gar nicht eignet. Auch das weiß Frau Wilke ganz sicher.
Deshalb müßte es mich nicht weiter scheren; die Leser:inn:en des Feuilletons der Süddeutschen Zeitung dürften ihrerseits stilbewußt genug sein, um von sich aus zu merken, welcher Umstand den allzu losgelösten Satz verschuldet. Insofern tut die Kürzung mehr der Rezensentin etwas an als mir. Und wenn ich bei amazon den Verkaufsrang von vorgestern auf heute früh vergleiche, seh ich ja genau, welch gute Marktwirkung Frau Wilkes Text gehabt hat.
Doch wirklich hart – und wiederum mehr für sie als mich – liegt der „Fall“ >>>> bei der böse suggestiven „Zusammenfassung“ durch den Perlentaucher. Ich ging >>>> gestern nacht schon darauf ein, als ich dem verlinkten Hinweise einer Dschungelleserin/eines Dschungellesers folgte. Wie hier Wilkes „aufwendig nach innen wachsend“ zu „nach innen wuchernd“ und die „poetische Innenweltprosa“ zu „Prosaballast“ umgebogen wird, ist schlichtweg infam. Allerdings habe ich dergleichen beim Perlentaucher schon oft erlebt; es kann dort so weit gehen, daß Kritiker:innen:stimmen nicht nur auf ähnliche Weise verfälscht, sondern sogar lächerlich gemacht werden; in jedem Fall gibt es keine Achtung vor der anderen Meinung, egal, wie gut sie argumentiert ist. Leider kennen wir solch ein suggestiv-agitatives publizistisches Vorgehen allzu genau aus der übelsten deutschen Geschichte, und leider funktioniert es nach wie vor. Ich habe bisweilen von einer „Der-Stürmer-Verfassung“ gesprochen; genau das ist und bleibt es. Unliebsame werden mehr oder minder faschistoid vom Tisch diffamiert und sensible und genaue Menschen wie Frau Wilke als gleichsam Kollateralschäden mit hingeopfert. Denn es geht dem Perlentaucher nicht um Literatur, geschweige um Dichtung, sondern um Ästhetik- und wohl auch parteipolitische Positionierungs-, mithin um Verteilungskämpfe. Jemand wie ich stört sein System.
Schwamm, und mit sehr sehr viel Seife, drüber; das Ganze hat einen ranzigen, miesen Geruch. Karl Kraus sprach von der Journaille.

Der neue Videoclip >>>> d o r t. Zu >>>> dem von gestern erhielt ich eine lange, lange Nachricht, die zu privat war, und nach sehr vielen Jahren immer noch zu betroffen, als daß die Leserin sie als Kommentar hätte veröffentlichen können. Mir allerdings zeigte sie, und bedeutet mir, wie wichtig auch meine Videoarbeit für manche Menschen ist; und es wird da ganz uninteressant, ob es viele oder nur wenige sind und ob mein Pathos zeitopportun ist oder nicht. Daß ich mich aussetze, gibt anderen die Möglichkeit, ihre schmerzhaften Verdrängungen aufzuheben. Genau dies, seit je, war die innerste Aufgabe von Kunst, alleine das gibt ihr Bedeutung.

37 thoughts on “Aufatmen: Insa Wilkes Traumschiff in der Süddeutschen. Und aber der Perlentaucher. Im Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 5. November 2015.

    1. @ANH Habe mir einmal erlaubt, das Ganze beim Perlentaucher zu kommentieren. Mal schauen, ob/wie lange es dort stehen bleibt. In jedem Falle wäre sicher nicht nur ich Ihnen dankbar für eine genauere Beleuchtung, wer warum hinter diesem Eintrag steht.

  1. Die Perlentaucher-Diskussion bei Facebook: Sabine Scho jetzt habe ich gleich wieder böses unrecht. ich hab die perlentaucherzusamenfassung nun gelesen, vielleicht magst du mich für vollkommen stumpf halten, aber ich lese darin keine böswillige vernichtung, auch wenn die löwin meinte, das sei wirklich fies, tut mir leid, ich kanns nicht erkennen, es versucht wilkes widersprüchlichen leseerlebnisse ‘knackiger’ zu umreissen, das ist nicht ganz geglückt, zugestanden, so lese ich es. denk mal an goetz, rückhaltloses lob kann auch wenig anreiz sein, ein buch zu kaufen und viel ekeliger dazu. und, ist dir nie in den sinn gekommen, dass deine immer gleichen argumentationen vielleicht auch ein paar leute ermüden könnten? meine ja auch, ich weiß, mea culpa. zudem spielst du eigentlich deinen gegnern die argumente dadurch immer wieder und wieder und wieder in die hände, leute, die noch gar keinen kontakt mit deiner geschichte im betrieb hatten, werden so automatisch und zwar auch durch dich gegen dich eingeschworen. diese negative dialaketik daran könnte man ja auch mal betrachten. wenn du das nicht ständig wiederholen wüdest, bestünde auch für jeden neueinsteiger vielleicht die chance, das erst gar nicht mitzubedenken! so könnte man es doch auch mal betrachten. wieso muss jede/r deinen stand im betrieb, die/der davon noch gar nichts weiß, so gleich mitbedenken? unter umständen möchte man ja einfach nur ein buch lesen. ich sage dir weiterhin, versuch mal den kill them with kindness kurs, auch wenn du dagegen anrennst, probieren geht über studieren. aber ich wiederhol mich hier auch, entschuldige und jetzt nimm halt wieder an, ich wolle dir böses unrecht, klar, immerzu. das gegenteil ist der fall. und ich bin mir sicher, die meisten menschen lesen selbst in der zusammenfassung des perlentauchers eher etwas anderes, als du es tust.

    Sabine Scho neurologisch ist es so, könnte man argumentieren, dass man in der verneinung gesagtes, sich aber dennoch merkt, zu gut merkt, sprich, wenn der fahrlehrer sagt, sie haben sich wieder falsch eingeordnet am ende der einbahnstraße beim linksabbiegen, wenn sie sich rechts halten, ist die chance, dass man es beim nächsten mal wieder macht, größer, als wenn er sagen würde: sie müssen sich links einordnen. möglicherweise würde es sinn machen, in den dschungeln die dinge so zu perspektivieren, rat fürs richtig abbiegen bei dir zu geben, statt aufzuzählen, was schief läuft?

    Sabine Scho und, jetzt sag doch einfach mal, ja, liebe sabine, könnte was dran sein! was meinst du, wie mich das gleich deutlicher für dich einnähme, weil, kann ich dir sagen, erstens, weil ich auch mal denken möchte, ich seh nicht alles vollkommen verblendet und verkehrt, wenn ich auf welt gucke und zweitens, weil ich solche negativloops selbst zu gut kenne und man sich das schöne, was passiert, damit einfach selbst kaputt macht und das ist wirklich blöd und das sollte man lassen. und zudem dürfen autor*innen über sich irren, viele tun es, wie sagte egger mal leicht verschmitzt über kling, er sieht alles, aber alles vekehrt, auch da war was dran, dennoch ist kling ein bedeutender dichter!

    Alban Nikolai Herbst @Sabine Scho: Deutlicher als ich heute in dem Beitrag den, wie Du schreibst, “rat fürs richtige abbiegen” gebe, kann ich’s nicht tun. Und ich habe das schon sehr oft getan. – Und wie Du Begriffe wie “Bildungsballast” positiv bewerten kannst, ist mir sc…Mehr anzeigen

    Sabine Scho nee, nocht nicht adé, weil ich noch eine frage habe, müssen das die nachgeborenen wie ich das denn alles wissen, um sich ihr meinung bilden zu dürfen? oder anders gefagt, müssen leser*innen es so sehen, wie du es siehst, um sich mit deinen texten zu beschäftigen? ich kann damit meinen frieden machen, dass ich etwas ganz anders sehe, als der autor selbst, bzw, für mich ist das vielleicht sogar bedingung, um ihn lesen zu wollen, weil ich mir meine eigene meinung dazu bilden möchte, ohne sie souffliert zu bekommen, weder vom autor, noch vom feuilleton. und, was meine leute sind, wüsste ich doch auch gern. ich geh sie mal suchen.

    Sabine Scho da steht, zumindest, was ich lese: prosaballast und nicht bildungsballast, aber vielleicht ist das ja geändert worden inzwischen, das weiß ich nicht. und dazu, wo jemand den schwerpunkt in einem text sieht, scheint mir doch sehr individuell, weil ich nach der lesung eingenommen war, für die badezimmerszene, las ich zuvorderst das: “Dass der Autor mit Elementen der Groteske arbeitet und zarte Szenen zu gestalten versteht, versöhnt die Rezensentin allerdings mit so mancher Unbill bei der Lektüre.”, aber, darf ich nicht, got it.

    Sabine Scho bei mir blieb hängen: zarte szenen zu gestalten versteht. aber, darfs nicht, so ein irrsinn…

    Sabine Scho und zudem hat man bei allem lob für peltzers roman auch ständig mokkiert, dass das alles nicht so leichtverständlich und schwerfällig gestrickt sei, der denkt sicher auch, vertreibt mir die leser*innen doch nicht. nur anders als du, meidet der betrieb ihn nicht finanziell, das ist mir glasklar, dass das dann anders wiegen muss!

    Sascha Brossmann Sabine Scho Ich bin natürlich voreingenommen. Aber auch wenn ich mich mit der kältesten mir möglichen rationalen Distanzierung, um weitestmögliche Objektivität bemühe, komme ich zu dem _deutlichen_ Eindruck, dass die Perlentaucher-Zusammenfassung von Wilkes Rezension deutlich zwiespältiger und in einigen Aspekten tatsächlich stark verzerrt klingt. Und zwar ausschließlich zu Albans Ungunsten.

    Sascha Brossmann Ein paar Beispiele zur Verdeutlichung:

    * Der im Perlentaucher hervorgehoben inkriminierte Pathos bezieht sich bei Wilke eindeutig auf Lanmeisters _Rede_, aber weder auf das Setting und noch viel weniger auf das Buch an sich wie es durch die Satzstellung (und damit auch Bezugnahme) im Perlentaucher suggeriert wird.

    * Perlentaucher: «…hakt Wilke ab als Überorchestrierung» versus Wilke: «Paradoxerweise gelingt es Herbst gerade durch diese Überinstrumentierung (sic!), eine “Kathedrale des Schweigens” zu schaffen». Von wegen «abhaken» – Wilke reflektiert vielmehr die inhaltliche und formale Komplexität im Buch und gesteht ihr _trotz_ ihrer anklingenden Vorbehalte klare Qualitäten zu. Wenn hier etwas ganz offensichtlich hakt, dann ist es insofern die Lesekompetenz beim Perlentaucher. Falls nicht kann man da schon Boshaftigkeit unterstellen.

    * Der «nach innen wuchernde Prosaballast» findet sich bei Wilke so _überhaupt nicht_. Da steht u. a. etwas von einem «aufwendig nach innen wachsenden Prosa-System», «poetische[r] Innenweltprosa» oder «Er komponiert ein Wahrnehmungskonzert aus Farben, Klängen und Naturerscheinungen. Was zunächst irritiert, (…), erscheint dann irgendwann plausibel». Und in der gesamten Rezesion bezüglich der Formebene nahezu nichts, was das «trotz» im letzten Satz des Perlentauchers rechtfertigte. Allemal nicht in dieser Gewichtsklasse.

    * Letzteres gilt auch für «so manche Unbill bei der Lektüre» (Perlentaucher), zu der Wilkes Kritikpunkte völlig überproportional aufgebläht werden.

    Vergleich mal bloß überschlagsweise rein textstatistisch den Anteil der Kritikpunkte an Wilkes Rezension und dem Elaborat im Perlentaucher. Und pack dann noch die qualitativen semantischen Unterschiede mit auf die Waage. Weder das eine noch das andere steht in einem angemessenen Verhältnis zueinander. Der Unterschied ist geradezu grotesk.

    Mir bleiben da nur zwei mögliche Schlüsse: 1) Die Lesekompetenz beim Perlentaucher bewegt sich auf einem Niveau, auf dem man sich eigentlich nicht mehr mit Literatur beschäftigen darf. 2) Die Zusammenfassung von Wilkes Rezension ist in ihrer verlogenen Unausgewogenheit schlichtweg infam.

    Sabine Scho ja, und jetzt? ich kann mich nicht erinnern, dass ich je auf eine meiner zusammenfassungen beim perlentaucher noch je auf eine rezension mit dieser leidenschaftlichen akribie geblickt hätte, das ist mir einfach fremd. ich gehe einfach nicht davon aus, dass man meine bücher schon in gänze so erfassen wird, wie ich sie meine geschrieben zu haben. das ist vielleicht der unterschied dabei, es ist mir sogar schlichtweg oft völlig wurscht. ich freue mich natürlich genau so, wenn es dem feuilleton gefällt und ärgere mich auch übers grobe danebenliegen, klar, aber ist das alles wichtig? ich kenne autor*innen, die werden mit ihren neuen bänden gelobt ohne ende, manchmal so verquer, dass sich das nicht wesentlich auf den verkauf auswirkt, überall hymnisch besprochen und dennoch kaum verkauft, passiert auch nicht so wenigen, sprich, ein potenzielles publikum entscheidet auch bei lob nicht zwangsläufig zugunsten einer anschaffung. und sonst, menschen beurteilen menschen ständig falsch, vorurteilsbeladen etc, das ist nicht schön, aber ich hätte weder kraft noch lust das ständig richtigzustellen, ich denke dann eher, sie denken eh alle, was sie wollen, sollen sie halt, wird schon noch ein paar geben, die von perlentaucherrezensionen abstrahieren können. aber, ist jetzt auch egal, was ich dazu meine, das eh.

    Sascha Brossmann Hab ich auch noch nie – aber wenn ich da schon meinen Senf dazugebe, hätte ich gerne auch so was wie Argumente. „smile“-Emoticon

    Sascha Brossmann Ich seh bezüglich der Wirkung aber schon einen Unterschied zwischen einer Lobhudelei (erst recht, wenn da dann noch der eine Jubelperser bei der anderen so’n bisschen abschreibt), die etwas zu offensichtlich geraten ist und deswegen Verkäufe etc. vielleicht nicht unbedingt befördert einerseits und andererseits einer deutlich ins negative gedrehten Zusammenfassung einer Rezension. Das eine _nutzt_ vielleicht nicht. Das andere _schadet_ aber potenziell.

    Gerade für Leute die sich nicht beruflich mit Literatur auseinandersetzen ist der Perlentaucher ja schon ne praktische Informationsquelle und damit ein relevanter Multiplikator. Und ne als deutlich zwiespältig dargestellte Rezension für viele einfach keine Leseempfehlung. Da gibt’s dann immer noch genügend anderes, das mit geringerem Risiko gekauft werden könnte. Auf die Originalrezension kommt man ja außerdem über den Perlentaucher nicht ran, die ist _nicht verlinkt_! Kann also auch nicht jeder einfach mal noch rasch eben nachlesen, was da beim Perlentaucher fürn Bullshit zusammengeschustert wurde. Außer man hat viel Zeit. Haben die meisten Leute aber nicht. Die lesen das eher auf dem Heimweg von der Arbeit zwischen zwei Stationen in der U-Bahn, da recherchieren nicht viele noch weiter, geht überhaupt nicht, die haben ja auch noch einiges anderes zu tun. (Einfaches Grundprinzip für viele damit befasste Berufe: geh’ davon aus, dass Leser:innen, Benutzer:innen, Kund:innen/Konsument:innen undsoweiter zwar nicht blöd sind, aber wenig Zeit haben.)

    Auch wenn’s immer noch besser ist, als wenn da gar nix stünde, gehen mit so einer verzerrten Zusammenfassung also unter Garantie _einige_ Leser:innen verloren. Erst recht angesichts dessen, dass der Perlentaucher ja dank Kooperation die offiziellen Rezensionen für buecher.de bereitstellt. Das ist eine eindeutige Machtposition mit _mindestens_ ökonomischen Auswirkungen.

    Und ich bin in der Hinsicht allemal soweit mit Alban völlig d’accord, dass ich finde, dass diese Machtposition und die dazugehörigen Strukturen wenigstens benannt, sichtbar gemacht und ihrerseits der Kritik unterzogen gehören.

    Ob das nun _strategisch_ so wirkungsvoll ist, wenn’s durch jemanden wie Alban geschieht, der davon persönlich betroffen ist, aus dieser Betroffenheit heraus auch wütend ist, daraus keinen Hehl macht etc. ist die andere Frage. Durchaus denkbar auch, dass Albans prononciert kämpferisch-moralische _Identifikation_ es manchen eher erschwert, sich dem anzuschließen oder zumindest mehr darauf einzulassen. Bequemlichkeit oder weniger polemisch (ab-)wertend: das Wissen um die Begrenztheit der eigenen Energie und Zeit ist aber sicher auch ein relevanter Faktor. Oder auch schlichtweg Angst vor den Folgen eines Bruchs mit der sozialen Konvention. Niemand stellt sich gerne freiwillig außerhalb. Außerhalb zu stehen ist nunmal ziemlich scheiße.

    Sabine Scho man könnte ja auch dem perlentaucher erst mal schreiben, dass man die rezension zu seinen ungunsten verfälscht sieht, vielleicht ändert der es einfach, statt erst wieder den ganzen urwald zusammenzutrommeln, einfach mal versuchen, die dinge problemlösungsorientierter anzugehen. abkotzen macht schon auch spaß und tut mal not, klar, so isses ja nicht, aber vielleicht schadet das eben auch einfach manchmal eher, als dass es nützt und ich frage mich, worum gehts einem autor denn, dass das buch gelesen wird, oder? dann kann ich mich ja persönlich auch mal einfach zurücknehmen, wenn ich checke, eventuell nervt die leute, wenn ich immer dazwischenquatsche, dann könnte ich als autor doch auch so agieren, dass ich dem buch nützen möchte und die klappe mal einen moment dazu halten, was wäre daran so schlimm, das verstehe ich einfach nicht.

    Sabine Scho die sache ist in meinen augen viel einfacher. zum telefonhörer greifen, die entsprechnden leute mal anrufen und sagen, finde ich nicht ok, wäre zig mal wirkungsvoller, als es in den äther zu blasen und hoffen, dass sich schon die richtigen getroffen fühlen. tun sie auch, aber es wird sie vermutlich zu nichts veranlassen, als wenn man öfter mal das direkte gespräch suchte. aber, what do i know, gar nichts, wird mir ja auch gern zu verstehen gegeben. und so ist es auch.

    Sascha Brossmann: Je nun… Sind zwei unterschiedliche Ansätze, beide mit berechtigter Motivation, aber halt diametral entgegengesetzt: Ergebnisorientierter Pragmatismus versus prinzipienorientierter Systemkritik. Ich find’ ja ne Mischung von beidem am sinnvollsten – um etwaige systemische Arschlochstrukturen loszuwerden, muss man auch ausreichend für sich selbst sorgen, sonst reibt man sich komplett auf inklusive Marginalisierung, und das nützt am allerwenigsten.

    Das Schlimme ist m. E. das Gefühl, sich besagten Arschlochstrukturen bereits zu unterwerfen und sie zu bestätigen, wenn man mal etwas opportun handelt und die Klappe hält etc. Streng genommen _ist_ das ja auch so. Nur sind das blöderweise ganz normale menschliche Sozialsysteme. Und um Sozialsysteme zu ändern, braucht man i. d. R. nicht nur nen langen Atem sondern auch _einige_ von denen, die das System bilden. Oder man sorgt alternativ dafür, dass das bestehende System seine Relevanz verliert. Und dafür dass das unvermeidliche neue Sozialsystem weniger arschlochlastig wird (bzw. die Rahmenbedingungen «gutes» Verhalten besser unterstützen). Die geschichtliche Erfolgsquote ist da allerdings zwar nicht völlig hoffnungslos aber eher ernüchternd. So oder so braucht man dafür neben viel Geduld: _Macht_. Und stellt im schlimmsten Erfolgsfall dann irgendwann fest, dass man ungewollt bloß das Ersatzarschloch im Ersatzsystem geworden ist.

    Alban Nikolai Herbst @ Sascha Brossmann und Sabine Scho: W i e bitte??? Ich hätte an denjenigen, der mich bewußt diffamiert, einen Bettelbrief schreiben sollen, seine Diffamierung bitte zurückzunehmen? Ich glaub, ich les’ nicht richtig! Welche Erniederigungsgeste wird hier verlangt???! Und, ja, Sascha!: “Streng genommen _ist_ das ja auch so.” Exakt. LIes doch mal bitte Deine Schlußfolgerung g e n a u. Was h e i ß t denn das mit den “sind das ganzu normale menschliche Sozialsysteme”? Was heißt das in Bezug auf die Zeit des Hitlerfaschismus? Was heißt das in Bezug auf jedes andere gewalttätige Unrecht? Daß wir eh nichts machen können und es also laufen lassen müssen? Das sag mal den Opfern. – Und was die Einsprüche anderer gegenüber erlittenem Unrecht anbelangt: Ich habe es nie erlebt, daß gegen Infamien wie der des Perlentauchers jemals mal jemand, der auch Meinungskraft hat, öffentlich etwas gesagt hätte. Es ist mir gar nichts anderes übrig geblieben, als es selbst zu tun. Nämlich weil, wahrscheinlich, andere Meinungsträger ihre eigenen Abhängigkeiten sehen, und also die Risiken, in die sie ggbf. laufen würden. Und deshalb schweigen sie und haben immer geschwiegen, mit Ausnahme sehr weniger, etwa Wilhelm Kühlmanns seinerzeit in der FAZ. Oder der Literaturwissenschaftler, die längst andere Werungen vornehmen – was mir in meinem Leben und was meinen Büchern aber nicht hilft; sondern derartiges, so froh ich darüber bin, greift erst posthum. – Mal abgesehen davon, wenn man den Opfern es zunm Nachteil anrechnet, wenn sie sich wehren, anstatt das anderen zu überlassen, steht man mit auf der Seite der Täter.

    Sabine Schodas setzt ja voraus, dass jeder immer intentional handelt, das bezweifle ich einfach und wenn einem arschlochhaftes verhalten unterläuft und man sich hinstellt und sagt, das hast du ganz bewusst getan, um mir zu schaden, wird derjenige/diejenige es ebem vielleicht gar nicht verstehen und eben auch nicht ändern, was nützt mir eine systemkritik, die keinen empfänger hat? nüscht. vielleicht bist du ja immer auf der höhe deines bewusstseins, um dich herum dürften es einfach nicht alle sein und die könnten schlicht und einfach bei dir manchmal nur HÄ denken und, wat is denn nu schon wieder los? gerade noch ne gute kritik erhalten, schon is wieder nich gut. oder, ganz anders gesagt, alban, du forderst immer empathie, hast du sie für andere? ich habe schon oft gedacht, weil ich den mechanismus einfach kenne, zeige ich nur einmal meine wunden, wird es in den dschungeln gern auch mal gegen mich verwandt. dann bin ich diejenige, die verdrängt, jetzt gleich wieder täterin, weil du einfach an jedem rat vorbeischaust, ihn immer systemkritisch in der luft zerfetzt, und vergleiche herbeiziehst, da sträuben sich wahrscheinlich nicht nur mir die haare, finde ich einfach nicht angemessen, hier redet kein mensch vom hitlerfaschismus, sondern um eine missglückte zusammenfassung einer rezension, und eigentlich aber, um eine gute rezension, die bei buecher.de jeder dann aufrufen kann, und das muss man dabei vielleicht auch mal sehen, mehr sage ich nicht mehr dazu, es wird ja eh gegen mich verwandt. das setzt ja voraus, dass jeder immer intentional handelt, das bezweifle ich einfach und wenn einem arschlochhaftes verhalten unterläuft und man sich hinstellt und sagt, das hast du ganz bewusst getan, um mir zu schaden, wird derjenige/diejenige es ebem vielleicht gar nicht verstehen und eben auch nicht ändern, was nützt mir eine systemkritik, die keinen empfänger hat? nüscht. vielleicht bist du ja immer auf der höhe deines bewusstseins, um dich herum dürften es einfach nicht alle sein und die könnten schlicht und einfach bei dir manchmal nur HÄ denken und, wat is denn nu schon wieder los? gerade noch ne gute kritik erhalten, schon is wieder nich gut. oder, ganz anders gesagt, alban, du forderst immer empathie, hast du sie für andere? ich habe schon oft gedacht, weil ich den mechanismus einfach kenne, zeige ich nur einmal meine wunden, wird es in den dschungeln gern auch mal gegen mich verwandt. dann bin ich diejenige, die verdrängt, jetzt gleich wieder täterin, weil du einfach an jedem rat vorbeischaust, ihn immer systemkritisch in der luft zerfetzt, und vergleiche herbeiziehst, da sträuben sich wahrscheinlich nicht nur mir die haare, finde ich einfach nicht angemessen, hier redet kein mensch vom hitlerfaschismus, sondern um eine missglückte zusammenfassung einer rezension, und eigentlich aber, um eine gute rezension, die bei buecher.de jeder dann aufrufen kann, und das muss man dabei vielleicht auch mal sehen, mehr sage ich nicht mehr dazu, es wird ja eh gegen mich verwandt.

    Alban Nikolai Herbst:Es hat keinen Sinn, Sabine. Du w i l l s t nicht verstehen. Und in Der Dschungel ist n i e etwas gegen Dich verwendet worden; Du liest sie aber, als wären manche Aussagen auf Dich direkt gemünzt und eigens wider Dich geschrieben. Dabei treffe ich allgemeine Aussagen, in den allerseltensten Fällen sind sie personalisiert. Als ich von Verdrängungsprozessen schrieb, hast D u sie auf Dich selbst bezogen und Dich angegriffen gefühlt. Persönlich werde ich nur da, wo ich persönlich angegriffen oder verfälscht werde. Aber egal, es hat wirklich keinen Sinn. Ich werde diesen Kampf allein weiterführen müssen; es gab andere Dichter vor mir, denen es ähnlich ging. Aus der Identifikation mit ihnen ziehe ich einen Teil meiner Kraft, weil ich wenigstens da das Gefühl haben darf, nicht ausgeschlossen und gemobbt zu werden, sondern gleichberechtigt und ohne Meinungskappung zu etwas zu gehören.

    Ich stelle diesen Kommentarbaum jetzt in Der Dschungel ein.

    Das Schlimme ist m. E. das Gefühl, sich besagten Arschlochstrukturen bereits zu unterwerfen und sie zu bestätigen, wenn man mal etwas opportun handelt und die Klappe hält etc. Streng genommen _ist_ das ja auch so. Nur sind das blöderweise ganz normale menschliche Sozialsysteme. Und um Sozialsysteme zu ändern, braucht man i. d. R. nicht nur nen langen Atem sondern auch _einige_ von denen, die das System bilden. Oder man sorgt alternativ dafür, dass das bestehende System seine Relevanz verliert. Und dafür dass das unvermeidliche neue Sozialsystem weniger arschlochlastig wird (bzw. die Rahmenbedingungen «gutes» Verhalten besser unterstützen). Die geschichtliche Erfolgsquote ist da allerdings zwar nicht völlig hoffnungslos aber eher ernüchternd. So oder so braucht man dafür neben viel Geduld: _Macht_. Und stellt im schlimmsten Erfolgsfall dann irgendwann fest, dass man ungewollt bloß das Ersatzarschloch im Ersatzsystem geworden ist.

    Alban Nikolai Herbst @ Sascha Brossmann und Sabine Scho: W i e bitte??? Ich hätte an denjenigen, der mich bewußt diffamiert, einen Bettelbrief schreiben sollen, seine Diffamierung bitte zurückzunehmen? Ich glaub, ich les’ nicht richtig! Welche Erniederigungsgeste wird hier verlangt???! Und, ja, Sascha!: “Streng genommen _ist_ das ja auch so.” Exakt. LIes doch mal bitte Deine Schlußfolgerung g e n a u. Was h e i ß t denn das mit den “sind das ganzu normale menschliche Sozialsysteme”? Was heißt das in Bezug auf die Zeit des Hitlerfaschismus? Was heißt das in Bezug auf jedes andere gewalttätige Unrecht? Daß wir eh nichts machen können und es also laufen lassen müssen? Das sag mal den Opfern. – Und was die Einsprüche anderer gegenüber erlittenem Unrecht anbelangt: Ich habe es nie erlebt, daß gegen Infamien wie der des Perlentauchers jemals mal jemand, der auch Meinungskraft hat, öffentlich etwas gesagt hätte. Es ist mir gar nichts anderes übrig geblieben, als es selbst zu tun. Nämlich weil, wahrscheinlich, andere Meinungsträger ihre eigenen Abhängigkeiten sehen, und also die Risiken, in die sie ggbf. laufen würden. Und deshalb schweigen sie und haben immer geschwiegen, mit Ausnahme sehr weniger, etwa Wilhelm Kühlmanns seinerzeit in der FAZ. Oder der Literaturwissenschaftler, die längst andere Werungen vornehmen – was mir in meinem Leben und was meinen Büchern aber nicht hilft; sondern derartiges, so froh ich darüber bin, greift erst posthum. – Mal abgesehen davon, wenn man den Opfern es zunm Nachteil anrechnet, wenn sie sich wehren, anstatt das anderen zu überlassen, steht man mit auf der Seite der Täter.

  2. Der Perlentaucher hat sich – wie die FB-Diskussion zeigt – erfolgreich das Image der neutralen Presseschau verpasst. Was er nie war und nie sein wird, wie man bspw. bei Handke, Botho Strauß, Walser, usw. immer wieder nachlesen kann (andere Autoren werden hochgeschrieben). Neu für mich ist, dass die PT-Zusammenfassung jetzt von buecher.de übernommen wird. Früher wurden die SZ Rezensionen dort in Volltext veröffentlicht – jetzt genügt die zusammengeschusterte Praktikanten-Inhaltsangabe. Durch das neue lit21-Magazin, in dem der PT einfach ihm gemässe Feuilletonbeiträge (auch von Verlagen) verlinkt wird die Deutungshegemonie noch verstärkt werden.

    1. sie verpassen mir jetzt mehr oder weniger erfolgreich das label des nullcheckers. weil wirklich hier alle davon ausgehen zu scheinen, dass diese welt durchgeplant ist bis aufs letzte, ich sag nix weiter, als dass ich das bezweifle, bei lohnschreibern des perlentauchers allemal. aber, bitte. auf youtube kommen ganze generationen inzwischen ohne deutungshoheiten aus, courbet hat das schon gecheckt, dass man deutungshoheiten umgehen kann, man kann auch so sehr an dieser idee vom damoklesschwert der deutungshoheiten kleben, dass es selbsterfüllend wird, so kommt mir das schon mal eher vor.

    2. und jetzt bitte ich hier schlicht darum, dass man mir die contributorrechte entzieht, damit ich mich nicht verleiten lasse, hier noch zu kommentieren, danke. ich bleibe dann mal bei den vielen auf fb, dem kollektiv der korrumpierten kapitalismusopfer. wo nicht jeder so ein genaues auge drauf hat, was da wie kontrolliert in welche kanäle gelangt, ich bin für mehr chaos im leben, und die kontrollfreaks sollte ich meiden, scho, merk dir das! und wenn man dich fragt, wofür du stehst, sag, für amore, mehr klamauk, weniger paranoia und musik musik musik.

    3. Zu Keuschnig @diadorim. In der Tat gehe ich von Absicht aus, nicht von Schluderei, aber durchaus von einer Absicht, die sich als solche tarnt. Um etwas anderes annehmen zu können, ist viel zu signifikant, wo gefeatured, wo niedergemacht und wo verschwiegen wird. Dahinter steckt ein Kalkül, das im übrigen ausgesprochen erfolgreich ist – so, wie es Diffamierungen halt immer gewesen, und zwar auch dann, wenn juristische gegen sie vorgegangen wurde und Richtigstellungen zu leisten und sogar Schmerzensgelder zu zahlen waren. Etwas von dem Rumor bliebt schädigend immer zurück.
      Ich halte es für nicht naive, sondern ängstliche, meinethalben auch sich nach Harmonie sehnende oder gruppen-(“community”-)raisonbegründete Meinungen, die diese Zusammenhänge nicht sehen (wollen).
      Unterm Strich entspricht der Akkumulation des Kapitals die Akkumulation der Meinungen zu einer Öffentlichen Meinung, die von einigen wenigen maßgeblich forciert wird, und zwar in völliger Absehung von den Inhalten, bzw. und oder, weil bestimmte Positionen nicht gewollt sind.

    4. @diadorim Natürlich ist die Welt nicht durchgeplant, das ist Unsinn. Aber der Glaube, man rufe einfach mal beim PT an und bitte um Richtigstellung, ist ziemlich naiv. Zumal als Autor (das “macht man” ja nicht.) Ich hänge auch keiner Verschwörungstheorie an. Tatsache ist aber, dass bestimmte Autoren beim Perlentaucher einfach besser und manche eben per se immer schlechter wegkommen. Es gibt eben bei einigen bestimmte Präferenzen. Übrigens auch politische. Das ist bei Menschen nun mal so. Dagegen ist zunächst einmal nichts zu sagen. Problematisch wird das nur, wenn man sich mit dem Odium der Neutralität umgibt und so tut, als sei man objektiv. Das ist nämlich nicht der Fall. Schon die Art und Weise wie dort ausgewählt wird, ist wertend. Denn manche Kritik wird in der “Bücherschau” gar nicht berücksichtigt, die beispielsweise im “Medienticker” (der außerhalb der PT-Redaktion verantwortet wird) verlinkt wurde. Schon dadurch entsteht unter Umständen ein verzerrendes Bild.

      Das Problem ist: Welche Stimmen lassen in einer solchen Review zu und welche nicht. Wann nehme ich eine Kritik einer Onlineplattform wie literaturkritik.de und wann lasse ich sie weg. Wann werden einseitig die positiven oder negativen Aspekte in einer Rezension herausgestellt, und wann nicht.

      Es dürfte Konsens darin bestehen, dass niemand auch nur einen Bruchteil der Neuerscheinungen einer Saison lesen kann. Man kann vielleicht noch nicht einmal alle Rezensionen lesen, die zu den Neuerscheinungen herauskommen. Also ist die Idee einer Bündelung auf einer Plattform sehr sinnvoll. Aber das macht m. E. nur Sinn, wenn man einen Bruchteil an philologischem Verstand und Willen zur Ausgewogenheit walten lässt. Ansonsten bleibt nämlich dieser Ausschnitt auch wieder nur Meinung. Um mir ein Urteil bilden zu können genügt es aber nicht, dass ich nur eine bestimmte Meinung angeboten bekomme, zumal es auch andere gibt. Fatal ist dann, wenn suggeriert wird, es gebe nur je eine entsprechende Meinung.

    5. @Herbst Die Community gab es immer wie es auch immer Außenseiter gab. Man kann zurückverfolgen, dass es kaum einen deutschen Schriftsteller von Rang gegeben hat, der nach 1945 nicht in irgendeiner Funktion in der Gruppe 47 aufgefallen und/oder tätig war. Diejenigen, die sich aus welchen Gründen auch immer verweigerten, blieben Außenseiter und sind bis auf Koeppen (und vielleicht Arno Schmidt) nicht kanonisiert. (Umgekehrt sind etliche emsige Gruppe 47-Teilnehmer heute vergessen; eine Garantie war es nicht, sondern eher Voraussetzung.)

      Insofern gab es immer einen Korpsgeist; auch und vor allem in der Kritik. Ich glaube sogar, dass das heute transparenter ist als früher. Darin liegt übrigens ach der Grund dafür, dass der Einfluss des Feuilletons schwindet. Das neue lit21-Magazin des Perlentaucher versucht m. E. diesen Einfluss leicht erweitert um neue Stimmen aufrecht zu erhalten.

      Die Idee, dass man mit Hilfe des Netzes diesen Korpsgeist sozusagen aufhebt oder gar sprengt, muss man bis auf wenige Ausnahmen als gescheitert betrachten, weil das Internet wieder andere Strukturen ausgebildet hat.

      Das Symposium in Graz finde ich unter diesem Aspekt sehr interessant und bin sehr auf Ihre Eindrücke gespannt.

    6. @Keuschnig zu lit21, Dingemann u.a. Interessant ist dort die Auswahl der Weblogs; sie ist von vorneherein auf Marktkonformität ausgelegt; möglicherweise wird >>>> der Herr Dingemann<> von dort auch finanziert, ähnlich wie schon Hettches Nullprojekt von Dumont finanziert worden und Guido Grafs, dessen Urteil ich allerdings schätze, >>>> Infinite-Jest-Blog ein Marketingtool Kiepenheuer & Witschs gewesen ist. lit21 verstärkt die mediale Machtkonzentration im Buchmarkt und wischt ein weiteres Mal vom Tisch, was ihr kritisch entgegensteht.

      Daß Arno Schmidt in den Kanon gekommen ist, liegt einzig und allein an Reemtsma, nämlich an seinem Geld, an dem alle anderen mitzuschmarotzen gierten, also es ist letztlich abermals ein Kothau vor der Macht, den ich nach der mir familiengeschichtlich zeitlebens nahegebliebenen Erfahrung zu deutscher Geschichte für quasi während gefährlich halte. Dazu passen Diffamierungen, Mobbing, Fälschungen usw. ebenso exakt wie Gruppenraison und heimliche Ausschlußverfahren. Es ist nicht nur bitter, sondern typisch, daß Leute, die sich hiergegen klaren Blicks auflehnen, sofort den Ruch von Verschwörungstheorieanhängern verpaßt bekommen – ein Begriff, der gar keine Begründung mehr braucht, um den damit belegten Gegner – vor allem auch in den Augen sachlich gar nicht Informierter – ein- für allemal zu desavouieren. Ich horche jedesmal besonders auf, wenn dieses Wort fällt. Allein, es gegen andere zu verwenden, scheint unhinterfragbare Autorität zu verleihen. Nahezu jede Erkenntnis politischer Zusammenhänge – als geplanter und taktisch umgesetzter, was Politik halt ist – kann damit torpediert werden.

    7. Der sozusagen gestern erst im Radio in einem Feature über Bücherblogger von Sieglinde Geisel interviewte bersarin bettelt heute schon mit ihr und anderen bei Reemtsma um finanzielle Unterstützung für das Projekt “tell-review”, dem neuen Literaturkritiksheriff-in-town in spe. Nur ein Zufall? Ich mag mittlerweile nicht mehr an Zufall glauben, dafür ist die Welt, inzwischen auch bei den Kritikern im Netz doch zu klein, man kennt sich, man schätzt sich, manchmal mehr, manchmal weniger, und es werden hier wie dort Netzwerke sichtbar, es ist immer das gleiche. Wirklich unabhängig sind nur die Einzelkämpfer, die ihre Bücher selber kaufen und rezensieren, aber die haben leider eine zu geringe Schlagkraft im allgemeinen Betrieb.

    8. In meinen Augen ist lit21 redundant, denn die Links gibt es ja bis auf einige wenige Ausnahmen schon in den “Presseschauen”. Hinzu kommen dann noch die “Blogs” der Verlage und einige Blogger, die sonst nicht verlinkt werden. Worin die Erleichterung für den User liegen soll, erschliesst sich mir nicht. Wer meinen Kram noch lesen will, muss also weiterhin einen separaten Feed anlegen.

    9. Die Hauptsache ist doch, dass er das Geld nicht zusammenbekommt und wenn doch auch egal, solche Bahnhofsvorsteher gibts halt überall

    10. Na ja, Holio, das ist nett von Dir, aber ich betreibe einen kleinen Blog. Ich mache, was mich interessiert; wer mir blöde kommt und an der Sache vorbeischießt, dem oder der hau ich in die Seite und tretʼ ihm aufs Pedal, um Marlene zu zitieren. Wie es bei unserem demnächst im Frühjahr erscheinenden neuen Online-Magazin namens „tell“ aussehen wird, muß man sehen. Ich zumindest werde mich dort als Redakteur für die Romane von ANH (und anderen) einsetzen und werde sie dort auch besprechen. Mein Vorteil ist, daß ich grundsätzlich niemanden mag, außer mich selber und mein Spiegelbild. Das macht es mir ungleich leichter, mich auf Texte zu konzentrieren.

      Lit21, wo mein Blog ebenfalls gelistet wird, präsentiert eine breite Auswahl, und in diesem Sinne funktioniert es wie ein RSS-Feed.

      Richtig ist es, daß ANH sich gegen eine bestimmte Art der Kritik bzw. gegen das Nichtvorkommen in der Literaturkritik der BRD wehrt und Position bezieht. Literaturkritik kann keine unidirektionale Angelegenheit sein, auch der Kritiker ist zu kritisieren. Dies scheint manche der kleinen Päpste, die denn doch nur Angestellte des Feuilletons bei einem Konzern sind, zu fuchsen. Unser Online-Magazin wird darauf hin konzipiert sein: auf Kommunikation auch mit Autoren, sofern diese antworten. Denn einzig auf diese Weise können wir uns über Ästhetik des Textes und Literatur auseinandersetzen. Im Disput zwischen Autor und Kritiker.

      Die Sätze im Perlentaucher gefallen auch mir nicht. Aber der Perlentaucher liefert trotz aller Tendenz einen guten Überblick. Daß es dort ebenso Fehlgriffe gibt, liegt in der Natur der Sache. Für seine Pressesammlung ist er zu loben. Und auch Lit21 faßt mir auf einem Blick eine Menge an Information zusammen. Seine Meinung sollte man sich dennoch selber bilden und verschiedene Quellen und Medien dazu benutzen. Ob freilich jedem diese Kraft zur Reflexion und zur Eigenständigkeit eigen ist, weiß ich nicht und bezweifle es auch. Den Kommentar von Poppeye an anderer Stelle fand ich treffend und philosophisch-ästhetisch brillant analysiert.

      Zum Schluß noch ein feines Video. Ich denke und vermute, ANH und ich würden uns persönlich nicht besonders mögen und beim Textbegriff divergieren wir stark. Dennoch schätze ich ANHs Texte. Machen Sie weiter! Es gibt Menschen, die wissen um die Qualität Ihrer literarischen Texte wie auch um die ihrer literaturästhetischen Reflexionen.

      https://www.youtube.com/watch?v=JGWGzMK_t1w

    11. @ Bahnwärter Lenz
      Das ist wieder einer diese Dummkommentare, die vom Betrieb und vor allem von der Ökonomie wenig bis keine Ahnung haben. Wenn Du im Internet etwas aufziehen willst, das mehr als eine One-man-show ist, wenn Du Autoren bezahlen möchtest, Auslagen für Grafikdesign, Homepage, komplexe Programmierung etc. pp. aufbringst, dann greifst Du nur bis zu einem bestimmten Limit in die eigene Tasche.

      Es sind also Gelder nötig. Da wir uns nicht öffentlich-geführenfinanziert ernähren können und ebensowenig (Gott sei Dank!) über einen Konzern verfügen, gehen wir andere Wege. Ich selber bin übrigens auf dieses Magazin weder finanziell angewiesen, noch von meinem Schreiben her darauf abonniert. Ich fürchte sogar, daß ich meinen frechen Ton, den ich Pratzen wie Dir gegenüber anschlage, dort werde mäßigen müssen.

    12. @bersarin: Wenn Sie bitte zur Kenntnis nehmen wollen, dass der “Bahnwärter” Kommentator nicht ich bin. Ihre Beleidigungen können Sie sich sparen, ich habe meine Ansicht ganz ohne persönlichen Ausfälle formulieren können. Schaffen Sie das auch? Sie dürfen mir allerdings gern in der Sache widersprechen, was Sie ja auch bereits in Antwort auf Holio getan haben, was ich wiederum zur Kenntnis nehme/genommen habe.

    13. Dann hast Du, Lenz, wenig Gespür für Sprache und Semantik: Betteln ist ein Begriff, den ich in diesem Zusammenhang eher ausfallend konnotiere und insofern in beleidigender Absicht.

    14. Seit dem Ausfall von Krautreporter, ebenfalls Berliner Projekt wie tell, empfinde ich “betteln” im Zusammenhang mit dem Einwerben von Geldern für den Betrieb von angeblich hochkomplex programmierten Internetseiten, denen es dann aber am Ende am Inhalt fehlt, als durchaus realitätsnah, fast schon euphemistisch, aber schon gar nicht als beleidigend. Daher sollten Sie, bersarin, mal lieber Ihr Gespür für Sprache überprüfen, vielleicht leben Sie aber auch in einem Wolkenkuckucksheim? Und was soll eigentlich Ihre penetrante Duzerei?

    15. Wer meint, auf öffentlich ausgeschriebene Förderungen zu reagieren, wäre betteln, besitzt ein eigentümliches Sprachbewußtsein. Insofern wäre dann jede Stipendiumsbewerbung betteln? Nun ja!

      Ich denke jedoch, one-way-ticket, daß hier nicht die Finanzierung von Literatur und Literaturkritik das Thema war. Auch nicht „tell“ oder „Aisthesis“.

    16. Aufgesetztes Siezen, Lenz, ist peinlich und lächerlich zumal. Schon gemerkt?

      Zudem: Unterstellungen, Lenz, sind kein gutes Mittel, um eine Auseinandersetzung zu führen. Mit dieser Kritik wirst Du leben müssen. Wo sind die Krautreporter ausgefallen? Gibt es ihre Homepage nicht mehr, schreiben sie nicht mehr, haben sie den Betrieb eingestellt? Ich fürchte, Lenz, Du textest in ziemlicher Unkenntnis. Auch was die Stiftungen und Gelderwerb im Internet betrifft.

    17. Ihre auffällige ungefragte Duzerei fällt jedenfalls auf Sie zurück, nicht auf mich. KR hat den “kaputten Online-Journalismus” “nicht wieder hinbekommen”, obwohl genau das die Ansage gewesen ist, wer regelmäßig die Beiträge dort verfolgt hat, kann das auch gleich nachvollziehen, insofern ein Ausfall, ja. Und z.B. die mobile Seite von KR ist in der Tat kaputt, langsam und unzuverlässig ladend und insofern in dieser Hinsicht auch ein Ausfall, das ist übrigens auch im zweiten Jahr ein weithin bekanntes und nicht behobenes Problem. Der einzige, der hier also nicht auf dem Laufenden zu sein scheint, sind Sie, bersarin. Die gegen mich hingeschleuderte “Unkenntnis” kommt also gleich einem Bumerang umso stärker nur wieder zu Ihnen zurück. Warum Sie hier, wieder einmal, immer dann so verhaltensauffällig sozusagen neben der Spur reagieren, wenn Ihnen die Argumente ausgehen, verstehe ich nun wirklich nicht, oder glauben Sie etwa, in Hamburg würde man nicht ganz genau hinschauen, wem man Fördergeld gibt? Meine Unterstellung, ich würde es eher eine Prognose nennen, ist, da haben Sie recht, eben das auch: unbewiesen, in der Tat. Sie allerdings haben hier heute nicht gerade ein überzeugendes Bild von dem und für das Projekt abgegeben, von Sympathiepunkten will ich schon gleich gar nicht reden. Aber möglicherweise ist das auch einfach Teil des Konzeptes. Man wird das Ergebnis ja demnächst besichtigen können.

    18. Dann schreib es präzise, Lenz, und nicht „betteln“ und „Ausfall von Krautreporter“, wenn Du hinterher etwas ganz anderes meinst und dann zurückrudern mußt! Wenn das Stromnetz ausfällt, dann gibt es kein Licht, wenn der Bus ausfällt, fährt er nicht. Korrigiere mich, wenn ich mich da täuschen sollte!

      Wenn für Dich Exaktheit im Ausdruck samt Kritik an Deinem Sprach-Larifari „neben der Spur“ ist, dann bleibt dies, wie auch das übrige, Deinem Sprachsinn überlassen, der zwar nicht für Dich, wohl aber für sich spricht. Was Hans nicht lernt, lernt Hänschen nimmermehr.

      Mach Dir ansonsten um die Krautreporter und um unser Projekt, das hier, wie geschrieben, nicht Thema sein sollte, bitte keine Sorgen. Solange wir solche schiffbrüchigen Seelen wie Dich nicht an Bord nehmen müssen, bin ich im Blick auf Organisation, Ästhetik, Text und Schreibe guter Dinge. Das Radiointerview fand übrigens, „sozusagen gestern“ im Mai statt. Unsere Projektvorstellung wie der Hinweis, daß wir uns bei Reemtsma bewarben, im Oktober auf der Buchmesse. Es freut mich aber, daß Du unsere Auftritte und insbesondere mich begleitest. Finanzielle Zuwendungen würden wir auch von Dir annehmen, Lenz-Eckermann!

    19. @diadorim: Das ist oder wäre schade. Ich würde Ihre Stimme in den Dschungeln vermissen… Ein bisschen mehr subversive Affirmativität täte dem trübsinnig-hohlen Kulturpessimismus der hier durch die Kommentarspalten weht doch gut. So wie weiland der Goetz. Als er sein “Irre” beendet: So jetzt kippe ich mir die Kultur in den Kopf, die volle Dröhnung. Und dann tut er’s auch so. Soll man ihm seinen Erfolg doch gönnen.

      Nun,.. diese starre Formel vom bösen “Betrieb” ist doch etwas leblos. Vielleicht ist auch der Betrieb leblos, weil er weder die an ihm Teilnehmenden noch die Verstoßenen beseelen kann. Aber das müsste doch in Fluss gebracht werden, produktiv. Nicht als ewig-ermüdendes Lamento, das keinem hilft, selbst wenn es wahr ist.

      Warum ist hier so wenig Lanmeister, so wenig Überwindung, Versöhnung? Ist dessen Geisteshaltung doch eine zu ferne Geisteskonstruktion, die man gerne beschaut, die aber selbst nicht lebbar ist?

    20. @Phorkyas: Sie wäre wahrscheinlich lebbar, wenn mich der Tod schon riefe. Noch ist es so aber nicht.

      Möchten Sie es?

      (Lanmeister hat keine Kinder mehr zu ernähren, z.B. Abgesehen davon, daß er bei seinem Sohn, anders als ich bei meinem, versagt hat. Es geht nicht nur um Hehres. – Haben Sie Kinder? Und wurden Sie über Jahrzehnte gemobbt und diffamiert, zumal öffentlich. Bitte geben Sie eine e h r l i c h e Antwort. Wissen Sie also, wie es I h n e n damit erginge, ob dann S i e Überwindung und Versöhnung hinbekämen – mit Leuten, die auch das nicht interessiert, sondern die so oder so weitermachen?

      Verzeihung, daß ich jetzt etwas verärgert bin. Ich wiederhole es hier: Ich klage nicht, sondern klage a n. Und habe wohl nach fünfunddreißig Jahren des Ertragens das Recht auf Erschöpfung, in einer Situation, die andere Menschen nicht ein einziges Jahr ausgehalten hätten, ohne daß sie zusammengebrochen und schwer erkrankt wären.)

    21. Nachtrag@Phorkyas: Mit Abschluß des Romans fiel Lanmeister geradezu spontan von mir ab. Alle Kränklichkeiten, auch die Impotenzanfälle, die mich drei Jahre lang gequält hatten, waren vorbei. Ich war aus dem Buch zurück ins Leben – aufgetaucht. Worüber ich sehr sehr froh bin. Aber nun geht der Kampf weiter, und ich bin nicht mehr dreißig.

    22. Ich habe einen zweijährigen Sohn. Der Grund warum ich einem Broterwerb nachgehe, der meinem schon ziemlich gedimmten Augenlicht und meiner etwas verbeulten Psyche eher abträglich ist. (Und Mobbing oder Außenseitertum kenne ich auch nur zu gut; es ist selbst jetzt mit fast Mitte dreißig immer noch so, dass so ein Pulk von Kindern oder Halbstarken instinktiv spürt, dass da ein Opfer kommt, wenn ich vorübergehe.)

      Sie zu verärgern lag mir fern. Sie haben alles Recht wütend zu sein. Ich hatte nur diadorim als eine bereichernde und auch immer noch in dem obigen Gespräch Ihnen wohlgesonnene Stimme wahrgenommen. Das fand’ ich eben schade, dass das jetzt verschütt zu gehen scheint –

    23. @Phorkyas zu diadorim. Das kann ich sehr gut verstehen; auch ich empfände es als Verlust, würde diadorim hier nicht weiter kommentieren. Der Hintergrund ihrer Entscheidung ist folgender: Ich habe ihr mehrfach bei Facebook geschrieben, daß ich dort keine Gespräche und Diskussionen führen will, schon gar nicht privater Natur. Sie hat es über ihre dortigen Kommentare aber immer wieder hinbekommen, daß ich mich zu solchen Gesprächen und Diskussionen hinreißen ließ. Was mich unter anderem deshalb ärgerte, weil die Texte dort erstens verloren gehen und weil zweitens gerade Privates und/oder Halbprivates im Facebook-Zusammenhang allzu lose dasteht, während es hier in Der Dschungel in ein unterdessen sehr umfangreiches Netz eingesponnen ist, das einzelne Aussagen nicht unverbunden dastehen läßt. Sie können mir dort durchaus schaden. Das habe ich diadorim auch mehrfach erklärt und ihr schließlich vorgestern erklärt, daß ich, um weitere Fehler zu vermeiden, also um mich nicht weiter hinreißen zu lassen, sie dort “entfreunden” würde. Was ich danach tat. So können nun keine weiteren Facebookommentare diadorims mehr auf meiner FB-Site geschrieben werden. Ich fügte aber hinzu, ich sähe sie sehr gerne weiterhin in Der Dschungel. Nun hat sie offenbar anders entschieden, als ich es mir gewünscht habe. Das ist selbstverständlich ihr Recht. Aber ich lasse mich nicht nötigen, so wenig, wie ich korrumpierbar bin.

      Danke für Ihre persönliche Antwort, Kind, Umstände. Jetzt rechnen Sie bitte noch mal fünfundzwanzig Jahre drauf und stellen sich vor, diese Art von Halbstarkenmobbing würde öffentlich ausgetragen. Es geht einem dann irgendwann die Luft aus – aber, wie ich seit gestern nachmittag spüre, auch das nur vorübergehend. Man muß sich nur die eigene Position – und daß man sie will, nämlich um sich nicht jeden Morgen beim Rasieren zu schämen, wenn man sich ansieht – wieder deutlich vor die Augen zu führen; ich meine Haltung. Dazu gehört, daß man zugibt, wenn es einem dreckig geht, daß man diesen Mut hat. Mut ist Überwindung von Angst. Ich habe sehr große Angst, Phorkyas, weil mir die Folgen, ich bin ja nicht dämlich, ausgesprochen bewußt sind. Aber genau sie sind es ja, was Menschen korrupt macht, zumindest bereit zu faulen Kompromissen. Das gibt sich schließlich an unsere Kinder weiter, wird überdies von draußen verlangt, auch von Verbündeten, die ihrerseits in Abhängigkeiten stehen, usw. Ganz notwendigerweise wird man so auch nahe Menschen verletzen, was auch für einen selbst höchst schmerzhaft ist. Doch wenn wir an den üblen Zuständen etwas verändern wollen, müssen wir auch das tragen, selbst wenn sich dann diese oft sogar geliebten Menschen von einem entfernen. Lassen wir uns beugen, bleibt der schlechte Zustand in jedem Fall erhalten. Das ist sicher. Allerdings, ob wir ihn tatsächlich verändern, bleibt unsicher. Aber eben nur unsicher: Es ist nicht heraus, ob es nicht doch g e h t, etwas zu verändern – o h n e unklare Winkelzüge, die die unguten Dynamiken letztlich affirmieren.

    24. ich glaube, es schadet dir auch, wenn ich hier kommentiere, das war nie meine absicht. aber ich kapiere inzwischen besser, dass du alle fäden in der hand halten willst. solche auktorialen gesten laufen meinem ästhetischem und ethischem verständnis aber zuwider. das muss nur nicht wieder und wieder hier ausgebreitet werden, ja, denn wir kennen nun allmählich unser reizreaktionsschemata, das kann für leser*innen nicht mehr spannend sein und für uns ist es das schon gar nicht. vielleicht schnellen für den moment mal die klickzahlen hoch, wenn ich meinen senf noch dazu gebe, aber es erzeugt doch über kurz oder lang wieder eine stabile unvereinbarkeit und schürt nur ärger auf beiden seiten. müssen wir uns nicht geben. ich bin die denkbar ungeeignetste für auktorial begeisterte weltenbauer und spiele in solchen universen auch leider nie die rolle, die ich einnehmen soll. aber, warum es noch groß hochkochen, ich habe eh ja nur noch selten kommentiert, times they re a changin. und, ich wünsche dir weiterhin erfolg, den ich mit meinen kommentaren weder verhindern will, noch befördern kann. ich begreife auch aus dieser perspektive besser, wie viel gedankenfreiheit goetz eigentlich gibt, indem er das loben verachtet, ihn nicht loben zu müssen erleichtert so sehr, vieles an ihm wirklich klasse zu finden. man ist freigesetzt, er ist freigesetzt. geld muss dennoch her, denn das setzt auch frei, vielleicht auch frei davon, alles kontrollieren zu wollen, aber, vielleicht auch nicht. ich sehe mich durchaus nicht als eine gebeugte, ich trage auch die folgen meiner großen klappe, nicht zu knapp und es gibt mehr als uns beide und die, die wir noch zu den geschätzten kolleg*innen zählen. und alle alle stecken in ihrem eigenen hundetrichter mit begrenztem wahrnehmungsradius, so kommt es mir vor.

    25. jaja@diadorim (= Sabine Scho): Du fütterst lieber Facebook, dessen radikal-kapitalistische Grundierung auch Dir bekannt ist. Macht nix, Hauptsache Pop. Viel Spaß damit, mit der Anpassung. Immerhin scheint sie Dir so wenig Glück zu bringen wie mir meine Auflehnung.
      Wie dem nun sei, D e i n e Entscheidung.
      A.
      Ich kontrolliere in Der Dschungel gar nichts, lösche nur Kommentare, die unter die Gürtellinie zielen. Wenn Du das schon “kontrollieren” nennst, dann bitte. Es hat was Schmarotzendes, daß Du Dich auf Facebook setzt und nicht mal die Traute zu einer eigenen Präsenz hast. Nee, nehmen, was einem gegeben wird und dran saugen, bis man satt ist. Du paßt schon gut in diese Zeit, gar keine Frage. Wenn überhaupt wer “kontrolliert”, dann wohl Facebook – bis hin zur privaten (unternehmensgesteuerten) Zensur. Aber das ist ja nicht schlimm, weil FB “in” ist.

    26. wow. fb ist gar nicht ‘in’, ich hab mich nur dran gewöhnt, irgendwann werde ich auch das wieder lassen, wenn die menschen bereit sind und ich selbst, sich wieder woanders als im virtuellen zu begegnen. schon das forum der 13 war für mich spannender, als eine eigene präsenz, ich mag das dialogische, das sich auch um stimmen erweitern kann, wohl darum. ich sollte wohl weder bei fb, noch hier sein. dass fb komplett problematisch ist, sehr wahr. ich fühle mich nur hier nicht unbedingt wohler, da ich auf fb mit menschen kommentiere, denen ich schon live begegnet bin und immer wieder begegne, das ist hier anders. mir gehts mit der feststellung der kontrolle nicht um kommentarlöschung, sondern um eine bestimmte form des ästhethischen zugriffs, der avatare setzt, die grenzen verwischen möchte, zwischen fiktion und faktischen kommentatoren, und das als dezidiert ästhetisches prinzip: das leben als roman begreifen, dahinter will für mein begriffe immer jemand stehen, der die dinge überblicken und lenken will, ein dr no, der seine katze krault, während alle anderen sich täuschen lassen, die ganze sache um eine frau torik etwa, diese spiele der selbstermächtigung, aber auch um eine form, die eigene rezeption zu lenken. ich kenne das von einigen autor*innen, da ist sicher keiner ganz frei von, ich frage mich nur, ob sich ein auktorialer gestus nicht selber viel mehr täuscht, als er zu täuschen im stande ist. ich verstehe deinen ärger nicht, ich habe doch hier über lange zeiten eh kaum noch kommentiert.

    27. was mich wirklich wundert, ist dein ‘immerhin’. suchst du irgendwie eine verbündete im unglück? du hast glück, da ist adrian, da ist die löwin, da sind lesungen, bücher, hörspiele, da ist sehr viel und da ist die unaushaltbare situation, dass dich das nicht ernährt, an die ich nie ein aber geknüpft habe. gönn mir doch wenigstens mein unglück mit dem pop, mich macht jarrett so glücklich, wie es holly herndon oder wolf parade machen kann, depeche mode, wie es upright citizens getan haben, all das darf nicht sein, nicht ohne dass ihre rezipienten nicht die letzten dumpfbackigen kapitalismusopfer wären. ich hab auch nur dieses eine leben, lass mich doch darin tun, was mir freude bereitet, ohne es verächtlich zu machen, mehr wünsche ich mir gar nicht.

    28. ich habe mich gefragt, ob du vielleicht versucht hast, mit mir hier den griechischen gott win-win zu rufen, um mal ann zu zitieren. gab es absichten dahingehend? mal ganz abgesehen davon, dass mit mir auch kein pokal zu gewinnen wäre. kam mir nicht so vor, sieht und sah eigentlich immer alles danach aus, dass du hier eintänzer bleiben willst. kollaborationen sind zudem extrem schwierig unter autor*innen, wo sie größtmögliche unabhängigkeit garantieren untereinander, drohen sie immer auch leicht auseinanderzubrechen, wo sie das nicht tun, erst recht. ist ja auch nur reine spekulation, wir haben ja nie wirklich zusammen überlegt, etwas zusammen auf die beine zu stellen, wohl weil jeder von uns ahnt, uns interessieren letztlich ganz andere dinge, gerade dann wird es für ein publikum aber wohlmöglich spannend, darum kann ich mir ja auch vor allem eine kollaboration von dir mit der löwin gut vorstellen, wenngleich auch schwierig zu bewerkstelligen. don t fuck the company, da is ja was dran, und auch aber wieder nicht. mal ganz abgesehen davon, dass uns beide zusammen auf der bühne, ich weiß nicht, ob das jemand sehen will und womit? ich singe depeche mode nach? du erklärst mir beethoven? ich sage, da gibts doch diesen film the fall und kubrick, daher kenn ich beethoven, dann schießen wir uns ins all und bitten ann, sie möge uns tabasco hinterherschicken? so könnte es in meinem idealen universum natürlich gehen, aber deine choreographie sähe vermutlich etwas anders aus. ich weiß es nicht. kollaborationen, in denen ich gelinge, wurden mehr oder weniger beiläufig gestiftet, es war eher ein ergeben, als ein sich vornehmen. wie heißt es von berlinern und wahlberlinern, die pflegen kontakt durch kollision. das immerhin exemplifizieren wir hier immer noch aufs schönste. muss man allerdings mögen.

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