„Lick off the blacking!“ DER ENTGEGNUNGEN ZWEITER TEIL. Im Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 17. Februar 2016. Und wieder zur Polyamorie.





[Arbeitswohnung, 7.50 Uhr]

Ein Nachtreter. Ich habe ihn >>>> in den ANTI-HERBST verschoben, etwas, das ich mit vielen anderen miesen Kommentare ebenfalls hätte tun sollen, längst. Aber ich bin müde.
Starke Antriebsschwäche. Nein, es ist nicht so, daß ich keine Ideen hätte; auch liegen ja einige Projekte begonnen, oft schon weit vorangekommen da. Aber ich zweifle am Sinn. Mit einer „Angst vorm weißen Papier“ (Papier, na sowieso nicht) hat dies nichts zu tun.
Ciane und die Löwin, quasi unisono: „Du bist Künstler. Du schreibst, weil du mußt.“

Jetzt habe ich zwei Frauen. Was ebenfalls belastet, uns alle drei, aber mutig zugleich ist, herausfordert. Ob es erfüllend lebbar ist, wissen wir nicht, doch gilt das für „klassische“ Zweierbeziehungen ebenfalls; eher zeigt die Erfahrung, daß meist d i e s e scheitern – sofern sie nicht von äußeren Zwängen beisammengehalten werden, wirtschaftlichen oft, sehr oft von Kindern, bisweilen auch „nur“ durch (internalisierte) Moralvorstellungen.
– Ein Argument der Ratio, „rationalisierend“ also, ich weiß.
In den Gefühlen wirken die Geprägtheiten, die in unserer westlichen Kultur vom Eigentumsbegriff charakterisiert werden. „Meine“ Frau, „mein“ Mann: Zugehörigkeit ist polyvalent, meint sowohl den Besitz w i e die Emphase: in dieser schwingt mit ein „angekommen zu sein“, Gewißheit zu haben, „nicht mehr suchen müssen“. Interessant dabei, daß sich dies mehr noch als in Verbundenheiten der Seele, mithin engsten, aber „nur“ sog. platonischen Freundschaften, im Umgang mit der Sexualität zeigt. Mit jemandem anderes als dem festen Zweierpartner zu schlafen, wirkt verletzender als vertraute andere Menschen zu haben, mit denen man Bereiche austauscht, die dem Partner/der Partnerin tunlichst verschwiegen werden.
Es mag dies genetisch begründet sein: Sexualität gibt Erbgut weiter, zumindest „eigentlich“; logisch wäre, daß, seit wir Empfängnis verhüten können, dieser „Wert“ an Bedeutung verliert. Nur ist das offenbar nicht der Fall, war es bislang nicht.
Was wir drei derzeit unternehmen oder zu unternehmen versuchen, zielt auf Freiheit; man braucht feste Einzelne-in-sich, die das Gerüst nicht (mehr) notwendig haben. Wir sind nicht die ersten, aber gehören insgesamt – (gesellschaftlich) – zu sehr wenigen. Es ist da, vor allem bei den Frauen, viel Schmerz; der meine ist indirekt, weil ich ihren mitspüre und achtsam zu sein versuche, aufzufangen versuche, ständig, und weil ihr Schmerz meiner immer gleich mitwird, auch meiner also i s t. Und weil ich mir durchaus bewußt bin, am Ende möglicherweise beide verloren zu haben.
Übrigens kommunizieren sie miteinander, schrieb ich das schon? Sie erzählen mir nichts von ihren Gesprächen, bisweilen deutet Ciane eines an, bisweilen die Löwin. Ich frage nicht nach. „Ohne sie“, sagte vorgestern jene, „wäre ich schon weg wahrscheinlich. So absurd das auch klingt.“
Vielleicht wäre einiges leichter in besseren Tagen.

Die Angriffe auf mich, abgesehen von Anonymuses nahezu alle persönlich, haben mir zugesetzt über alles andre hinaus. Daß ich keine Arbeitsjournale mehr schrieb, hat seinen Grund in der Müdigkeit, im Gefühl der Sinnlosigkeit, auch im Bewußtsein, über das, was ich insgesamt vorgelegt habe, ästhetisch nicht mehr hinauszukönnen. Und der Versuch, die poetische Komplexität zurückzuschrauben und im >>>> Traumschiff wieder auf, sagen wir, konventionelle Weise zu erzählen (was ich in fast sämtlichen meiner kleineren Erzählungen ohnedies schon immer getan habe), hat auf den Markt nicht mehr gewirkt. Künstler brauchen aber Wirkung, brauchen Reflex; das „nur für sich schreiben“ geht von falschen Voraussetzungen aus. Schauspieler brauchen Applaus, Musiker ebenfalls; Dichter brauchen Zustimmung, zumindest Akzeptanz.
Gewiß, Traumschiff hat eine jahrelange Sperre durchbrochen, jetzt müßte „nachgelegt“ werden. Aber ich weiß nicht, womit und wie. Die mehr als zehn Jahre öffentlichen Verschweigens haben ihre Spuren in mich geätzt. Welche Hoffnungen hatte ich auf >>>> die Elegien gesetzt! Über sechseinhalbtausend Zugriffe auf >>>> mein Annoncement, verkauft (und also gelesen, darum geht es) wurde kaum was. Und dann Anderswelt! Eines der umfangreichsten und an den Universitäten immer wieder behandelten Literaturprojekte der Gegenwart, Doktorarbeiten wurden drüber geschrieben, doch im Betrieb, der das Publikum informiert, erschien nach Abschluß der Trilogie eine einzige Besprechung, in Volltext; ansonsten herrschte, und herrscht weiter, Schweigen. Machen Sie sich mal klar, daß in diesen Romanen über zwanzig Lebensjahre stecken. Nein, ich nehme nicht eine Zeile zurück, die Poetik ist zeitgenössisch, modern im besten Sinn des Wortes: angemessen unserer Zeit, ihr Spiegel. Und die Romane stecken voller Geschichten, voller Personen, die eben nicht nur „Figuren“ sind. Voller Schicksale.

Es geht aus einem irgendwann die Luft raus. Wenn Sie mögen, können Sie von „outburn“ sprechen. Ich bräuchte Haar auf dem Kopf, für den Zopf aus dem Sumpf.

Aber was wirft man mir eigentlich vor?

– Ich wolle Claquere, duldete keine anderen Meinungen als meine.

So gestern nacht wieder >>>> ein Merten. Als hätte ich nicht gerade in Der Dschungel ständig das Gegenteil unter Beweis gestellt. Andere Netzpublizisten, Goetz etwa, auch Buschheuer, ließen, wenn sie‘s überhaupt je taten, Kommentare bald gar nicht mehr zu. Bei mir konnte und kann man mich angreifen, auch schlecht über meine Arbeit schreiben; ich selbst gebe das Forum dafür an die Hand und lösche oder >>>> verschiebe nur dann, wenn die Attacken allzu persönlich sind, allzusehr unter die Gürtellinie zielen oder reiner Ausdruck persönlicher Ablehnung sind. Das läßt sich alles nachlesen
Überhaupt ist die Ablehnung meiner Person der Grundtenor der meisten negativen Kommentare. Über die Bücher selbst wird selten geschrieben. Argumentierte Kritik an ihnen habe ich immer stehen lassen.


Und weiter? Gehn wir >>>> die beiden >>>> Kommentarbäume doch mal durch:
– Zuvörderst meine Hybris.

Mag sein, daß sie da ist, aber sie teile ich mit Künstlern aller Jahrhunderte. Es wurde kritisch von meinem „Sendungsbewußtsein“ geschrieben. Ja, Künstler m e i n e n, sie hätten etwas zu sagen oder zu zeigen, das die Menschen angeht; andernfalls veröffentlichten sie nicht, stellten ihre Werke nicht aus, ließen sie nicht vorführen. Daß sie sich darin irren können, steht nicht infrage; ob sie sich irren, ist zu ihren Lebzeiten durchaus nich immer erkannt worden, und ob sie recht hatten; mitunter bekamen sie später erst recht, und einst Vielgelesene aber wurden vergessen.
Wer n i c h t meint, etwas für die Menschen Wichtiges zu haben, schreibt Tagebuch und behält es für sich. Doch schon die sogenannte Monumentalität dreier meiner Bücher (von vielen weitaus schmaleren) wird mir als Hybris angelastet, anstelle zu sehen, daß sie, jene, nicht äußerlich ist, sondern poetisch durchkomponierte Komplexität – und damit Widerstand, auch politischer, gegen den derzeit ziemlich erfolgreichen Versuch, die westlichen Gesellschaften auf Reihe und Stechschritt zu bringen, kurz: den zivilen Ungehorsam zu brechen.

– Mein Pathos

Ich habe eingehend ausgeführt, auch poetologisch, weshalb ich es vertrete. Weshalb ich – nicht generell, aber als Generalität – gegen Ironie bin, gegen mithin Uneigentlichkeit. Ein ironisches Buch ist nicht notwendigerweise ein gutes, Ironie nicht einmal notwendig Zutat, sondern eher, glaube ich, im Gegenteil. Ihr haftet fast immer eine Arroganz derer an, die vermeintlich „den Überblick“ haben, gegen jene, die ihn vorgeblich nicht haben. Doch selbst wenn sie ihn nicht haben, ist es kein Grund zu Überhebung, denn sie haben ihn aus Gründen nicht. Allerdings ist Ironie ein ganz gutes Kampfmittel, das man aber gegen Mächtige einsetzen sollte, nicht gegen Schwache.

– Meine Eitelkeit.

Ist da, und nicht zu knapp. Doch auch das ist bei Künstlern nix Neues, hängt mit dem Hybris-Vorwurf auch zusammen. Ihr entspricht ein kruder Selbstzweifel, mit dem ich auch nie hinterm Berg gehalten habe, einer, der mich auch persönlich betrifft. Man könnte von einer IchSchwäche sprechen, einer, mit der ich es aus familiären, aber auch historischen Gründen zu tun habe, nach wie vor. Außerdem, wie meine Oma sagte: „Es jibt so ne wecke, so ne wecke, und so ne wecke jibt‘s a u c h.“ Franz Lizst hier, Anton Bruckner da, Vladimir Nabokov drüben, hüben Uwe Johnson.

– Meine Frauen. Und das in meinem Alter!

Je nun.
(Dem Vorwurf entspricht der meines angeblichen „Sexismus“. Und wieder geht es um vermeintliche Moral. Hier ist jemand sexuell dominant, wohlgemerkt: sexuell, nicht in anderen Lebens- und Sozialbereichen (da ist er sogar ausgesprochen emanzipativ), aber er erzählt es, anstatt zu verschweigen und zu verstecken. Darin wird der Skandal empfunden, ein Tabubruch. Wie die Welt ist, soll nicht ans Licht. Und also wird aus dem erzählten Umstand eine machistische Verfaßtheit-insgesamt herzugebogen, weil er, der Mann, sich damit diffamieren läßt. Übrigens reicht es heutzutage schon zu sagen, daß man gerne Mann sei, um diesen Vorwurf zu provozieren; der Vorzug, der dem unscharfen „gender“ gegeben wird, entspricht der Warenform: Äquivalenz.)

– Immer wieder, siehe oben, daß ich anderen ihre Meinung nicht ließe.

Doch, laß ich. Wenn sie publiziert werden, sind sie aber nicht mehr Meinung, sondern öffentliche Stellungnahmen: Urteile also. Dann erwarte ich mit Recht Argumente, wenigstens Belege. Hingegen Meinungspolitik ist immer demagogisch, tendenziell rassistisch. Als vor einem Dezennium Biller ausrief: „Was Moral ist, fühle ich!“, da konnte ich nur entgegnen: „Das fühlt im Mittelwesten der USA jeder Weiße auch, der Schwarze für minderwertig hält.“ Die „gefühlte Moral“ fällt hinter Kant zurück. Ich spreche hier selbstverständlich nicht von „Herzensbildung“. Von der sind viele meiner Gegner aber ohnedies frei; schon ihre Anonymität bezeugt es. Imgrunde punkten sie aufs Konto der AfD, auch wenn sie das Gegenteil glauben.
Wie man sich zu feudalen Zeiten den Interessen und Gefallen der Souveräne anzupassen hatte, soll man sich jetzt dem neuen Souverän, dem Gefallen des Volkes, anpassen. Genau weil ich da nicht mittue, schreibe ich gegen den Pop. Insofern er nach einer gängigen, versuchten, Definition, nicht nur die Künste meint, vor allem die Musik (also die Seele), sondern auch auf Kleidung, Lebensstil usw. abzielt, mithin totalitär ist, uniformiert er die Leute sogar. Damit spielt er der neuen Unterwerfung zugunsten einer Konsensgesellschaft nicht nur in die Hand, sondern ist ihr Prozeß. Dagegen der Geniebegriff war – und bleibt – ein emanzipativer; er pocht auf der Autonomie der Kunst, entstand genau aus ihrer Befreiung aus dem Lakaientum. In das sie nun wieder zurückgezwungen werden soll; für „Gefallen“ stehen Quote und Umsatz.
(Ja, dies ist diskutabel. Ich mag mich hie und da irren, einverstanden. Dann aber erwarte ich Diskussion. Das Totalitäre merkt man vor allem schon daran, daß ein Einzelner genügt, Bedenken anzumelden, und schon schreit halb die Welt auf. Es geht hier wirklich um Tabus.)
Der Vorwurf ist deshalb in Wahrheit nicht, daß ich anderen ihre Meinung nicht ließe, sondern daß ich Prägungen als Prägungen zeige; meine Arbeit stört das gesicherte Grundgefühl, den, um Th.Mann zu zitieren, „Kuhstallgeruch“, und stellt Fragen an etwas, das man befragen nicht möchte. Man möchte es nicht, weil so etwas die Identität gefährdet, in die man verwachsen ist – und damit die Illusion, daß man frei sei und aus freier Entscheidung seine/ihre Vorlieben habe. Frei wird man aber erst: Freiheit ist ein, so gesehen, Absurdum, weil sie sich gegen die eigenen Voraussetzungen erhebt, bzw. versucht, sich gegen sie zu erheben. Ein praktisches Paradoxon.
Übrigens habe ich mich selbst, anders als in den Kommentarbaum ebenfalls behauptet wurde, ein Genie niemals genannt; sowas zu tun wäre mir peinlich. Den Begriff >>>> wandte Oliver Jungen auf mich an, dabei durchaus nicht ohne ironischen Beiklang, bzw. taten es die Untertitler der FAZ, >>>> in ihrer Geburtstagsnote vor einem Jahr. Daß mein Verlag >>>> sie werblich nutzte oder so zu nutzen versucht hat, läßt sich ihm wohl kaum verdenken. Wird aber selbstverständlich sofort gegen mich verwendet.

– Meine Bildung.

Das war nun wirklich ein Schuß in den eigenen Fuß, >>>> sie derart pauschal niederzumachen als eines, das „nicht mehr tauge“, und Wissen als funktionales zu reduzieren, abrufbar feil, wenn man es brauche. Wie weit weg ist dies von dem, was Benn „Zusammenhangsdurchstoßung“ nannte! Wie weit weg also von allem, woraus unsere Kultur entstanden und auf was sie nach wie vor bezogen ist, nur daß wir‘s nicht mehr wissen (und nicht mehr wissen sollen). So lassen sich in der Tat Kulturgüter nicht mehr verstehen, schon gar, daß ein Interesse an ihnen bestünde, das über „Events“ hinausgeht, vielmehr gefühlt ist. Auch hier will schließlich die Austauschbarkeit siegen, die Warenform: product placement, Konsumismus. Von dem übrigens der Pop selbst erfaßt ist. >>>> Uwe Schütte beklagte neulich, daß seine Studenten nicht einmal mehr wüßten, wer Kraftwerk sei. Das historische Bewußtsein schwindet galoppierend, damit das kulturelle Gedächtnis-an-sich.
Um was wird eigentlich gerungen, wenn heutzutage Europäer (!) verlangen, wir müßten „unsere Werte“ schützen? Um tatsächlich Werte? Oder um Besitzstand? Dazu paßt furchtbar genau, daß, als Obama am Großen Stern seine bejubelte Rede hielt, eine Kollegin auf meine Bemerkung, man tue ja so, als wäre der Mann unser Präsident, mir antwortete: „Das ist er ja auch.“ Deutlicher ließ sich, was in den Leuten vorgeht, bzw. nicht vorgeht, gar nicht sagen. Daß Guantánamo unterdessen nicht nur nicht, wie versprochen, geschlossen wurde, sondern weitere Lager noch hinzugekommen sind – dieses auch nur zu bemerken, wird als ungehörig empfunden; zumindest darf man es nicht bewußtseins- und meinungsbildungskritisch tun und schon gar nicht einen Zusammenhang zum Pop herstellen.

– Und neuerdings, ja, der Vorwurf ist neu: daß meine Bücher immer nur um meinen eigenen Bauchnabel kreisten.

Absurder geht es nicht. Infamer auch nicht. Offensichtlich wurden die Bücher wirklich nicht gelesen oder einige völlig fehlinterpretiert, nämlich diejenigen (es sind wenige), in denen ein „Alban Herbst“ auftritt. Daß dies vorkommt, liegt gerade an meiner S k e p s i s gegen die gängigen („gefühlten“) „Ich“-Konzeptionen, die ich immer wieder auch theoretisch infragegestellt habe. Es treten da „Ich“s auf, die mit mir gar nichts zu tun haben, oder wenig; sie tragen nur meinen Namen. Und wenn sie Selbstportraitas sind, bin ich durchweg ironisch, wenn nicht abfällig betrachtet. Dann gibt es (n o c h weniger) Bücher, die zu meinem eigenen Leben autobiografische Parallelen aufweisen; aber auch das ist in der Literatur nicht neu, >>>> Montauk usw. Dabei sind die Personen darin poetisch verwandelt; selbst Fichte in >>>> Meere ist mit mir nicht identisch, schon gar nicht in seinen Handlungen (etwa läßt er seinen Sohn allein). Aber gegen die semi-autobiografischen Bücher stehen all die anderen Romane, der Dolfinger, Wolpertinger, Thetis, Buenos Aires, In New York, die Sizilische Reise, die Orgelpfeifen von Flandern usw., sowie sämtliche Erzählungen und viele viele Gedichte, um von meinen Hörstücken zu schweigen. Nein, es wird alles auf „meinen Bauchnabel“ reduziert. Dazu reicht die pure Behauptung, und erhebt sich begründeter Widerspruch, wird gesagt, allein, daß ich einen erkennbaren Stil hätte, zeige das Recht des Vorwurfs – daß man meine Bücher immer als von mir geschrieben erkenne. – Folgt man diesem Argument, hat zum Beispiel Kafka niemals etwas anderes als seinen eigenen Bauchnabel beschrieben, ebenso Beckett, ebenso Johnson, ebenso Joyce, ebenso, übrigens, Paul Auster. Ebenso Döblin, ebenso Borges.
Doch darum geht es in Wahrheit nicht. Sondern um Abwehr einer Literatur und ihres Autors, die nicht folgsam sind, sondern auf eigenen Positionen bestehen, ohne daß sie eine Lobby zur Seite hätten, keine „Guppe“, keine Vereinigung, schon gar nicht eine Partei, ja nicht einmal genügend Leser:innen, also keine Bedeutung am Markt. Und daß man‘s dennoch w a g t.


Ja, ich bin kraftlos zur Zeit, weiß nicht mehr weiter. Bin müde.
Aber ich nehme nichts zurück. Sondern pflege, wie man ein krankes Kind streichelt, die Hoffnung, daß man eines Tages verstehen wird, ja daß manche, die hier mitlesen, jetzt schon verstehen, aber sich nicht äußern möchten, weil sie das Gefechtsfeuer scheuen. Wofür ich Verständnis habe, auch wenn mich solche Vorsicht es fast alleine durchstehen läßt. „Fast“, weil es die beiden Frauen gibt, weil es Freunde gibt, weil es auch Kolleg:inn:en gibt, die wissen. Und weil sich die meisten >>>> Kritiken zum Traumschiff zumindest eingelassen haben, wenn nicht mehr; einige haben Achtung gezollt, manche waren beglückt. Es war halt nur nicht genug, meine Position grundsätzlich zu verbessern; ich stehe da, wo ich stand: am Rand. Nach wie vor ein Außenseiter.
Ich habe das nie sein mögen; aber es war im Kindergarten schon so, ist immer so geblieben, sei‘s dann in den Schulen, sei‘s an der Universität, sei es später im Beruf. Selbst an der Börse war ich es.
Man kann damit umgehen, kann sich auch einen Wert daraus schaffen; in einer auf Konsens gebügelten Gesellschaft, und auf Lobbies, wird es hingegen schwer. Und wenn man nicht mehr die Kraft hat wie mit Dreißig, als sich mit Recht erhoffen ließ, allein durch respektable Arbeit lasse sich manches wenden: „einfach nur immer besser werden“, dachte ich, „feiner werden“, „genauer werden“ – nicht ahnend, daß einen genau dies nur immer noch weiter hinwegschiebt, ja daß selbst das verdreht und ein „unbegabt“ draus gemacht wird.
Aber auch das ist nicht neu und geschah nicht nur mir.

Daß ich mich in einer solchen Situation nicht im Vertrauten-Sicheren verschanze, wie andere es täten, etwa in einer „konsolidierten“ Beziehung, sondern nun sogar noch ein völlig neues Lebensmodell wage, liebend, sollten Sie vielleicht wenigstens als das anerkennen, was es unter anderem a u c h ist: als ein Unternehmen, sich die Offenheit zu bewahren, ja wirklich in sie vorzudringen, als Lebensliebe nämlich. Doch wird‘s mir wahrscheinlich genau wie vieles andere herumgedreht werden, anonym und/oder hinter vorgehaltenen Händen: abwertend tuschelnd.


Perhaps you will have the pleasure of defiling my
          pauper‘s grave;
I wish you, I proffer you all my assistance.
It has been your habit for long
          to do away with good writers,
You either drive them mad, or else you blink at their suicides,
Or else you condone their drugs,
          and talk of insanity and genius,
But I will not go mad to please you,
          I will not flatter you with an early death,
O, no, I will stick it out,
          Feel your hates wriggling about my feet
As a pleasant tickle,
          to be observed with derision,
Though many move with suspicion,
          Afraid to say that they hate you;
The taste of my boot
          Here is the taste of my boot,
Caress it,
          lick off the blacking.



(>>>> Pound)



(17.41 Uhr)
Die Lust der Unfähigen, “>>>>> sich über einen Fähigen herzumachen, der aber Schwächen zeigt, ist schlichtweg widerlich, doch gehört, wie es scheint, zur “>>>>> Condition hunmaine. Der „Sieg“ solcher – bezeichnenderweise anonym agierenden – Leute besteht im Untergang des Fähigen. Ich werde ihn ihnen nicht geben, siehe hierüber Pound. Lick off the taste of my boot!

16 thoughts on “„Lick off the blacking!“ DER ENTGEGNUNGEN ZWEITER TEIL. Im Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 17. Februar 2016. Und wieder zur Polyamorie.

  1. (Nachtrag, Projekte) Immerhin. Heute abend erstes Treffen wegen einer Inszenierung meines “Nicht Sirius”-Stückes. Theater also. >>>> Maria Jany in der Frauenrolle, die Männerrolle ist noch offen; Dramaturgie >>>> Sophie Nikolitsch; ich selbst werde wohl die Regie übernehmen.
    Noch ist, wo und wann, nicht heraus, wird heute abend sicherlich Gegenstand der Gespräche sein. – >>>> Robert Platz meldet sich dazu: ob wir nicht seine und meine Oper parallel angehen könnten, deren einer Teil eine Funkoper aus demselben Stück war/ist. Und er komponiert an seinem Vierten Streichquartett, dessen einer Satz eines meiner Gedichte vertont. Völliger Stillstand ist also n i c h t. Besonders das Theaterstück beginnt, mich zu beschäftigen. Vielleicht das Medium wechseln, dachte ich gestern kurz.

  2. Einen “Kommentar”strang von hier >>>> in den ANTI-HERBST verschoben.
    Wenn die Betreffenden oder andere “Diskutanten” weiter mit Schmutz werfen wollen, und auf einen, dem es deutlich grad nicht gut geht, dann bitte dort. Hier würde Weiteres – Derartiges – fortan gelöscht. Wer über meine Literatur reden will, muß sie gelesen haben; Persönliches gehört da nicht hin. Abgesehen davon ist die Gleichung guter Künstler=guter Mensch sowieso falsch.

  3. Lieber ANH,

    ich möchte keine redundanten Lektüre-Vorschläge machen, da aber die Dschungel-Volltextsuche weder ein Ergebnis für Bauermeister noch Triolengitter erhielt, möchte ich nun doch auf das Buch “Ich hänge im Triolengitter” von Mary Bauermeister aufmerksam machen. Ich denke, wenn es eine Lektüre gewesen wäre, hätte es zumindest innerhalb eines Polyamorie-Kontextes irgendeine Erwähnung gefunden.

    Mary Bauermeister erzählt ihr Leben und die davon untrennbare künstlerische Beziehung mit Karl-Heinz Stockhausen, die nichtzuletzt auch eine Lebensspanne einer Ehe zu dritt, wie es gerne genannt wird, umfasste. Die Beziehung zu seiner Frau Doris Stockhausen lebte fort und Bauermeister empfand Doris Stockhausen bald als mütterliche Vertraute (stark verkürzt). Dass es keine unproblematische Konstellation trotz (versuchter) sehr libertärer Grundhaltungen war, wird nicht verschwiegen. Tatsächlich immer dann am schwierigsten, wenn es um erotische Besitzansprüche ging. Die unteilbare Zeit. De facto wurde keine erotische Dreierbeziehung gelebt, sondern zwei Zweierbeziehungen parallel. Aber lesen Sie selbst. Ich las Bauermeisters Buch vor einiger Zeit und erwähnte die Lektüre am 17. November 2014. (Ende zweiter Textblock). Obgleich die persönliche Konstellation ein Teaser für mich war, das Buch zu lesen, war der größere Gewinn, Eindrücke der künstlerischen, schöpferischen Beziehung zu bekommen, wie die Sehnsucht nach künstlerischer Transformation in vielen Kleinigkeiten in den Alltag einfloss. Das Ringen (und das war es) um eine großzügige Haltung war aber auch interessant, keine Frage. Ich empfehle das Buch. Und zwar in einem öffentlichen Kommentar. Ich wollte ursprünglich erst nur eine kurze Notiz dazu über fb posten, aber die (zu Recht) unermüdliche Beschwörung “Das gehört eigentlich in den Dschungel” stand mir vor Augen. Voilà. So sei es.

    1. @Gaga Nielsen zur Polyamorie Danke. An Stockhausen habe ich ohnedies denken müssen, zumal es nicht “nur” um die beiden von Ihnen genannten Frauen ging, sondern auch noch (mindestens) zwei andere, die extrem wichtig für sein Werk gewesen sind, und er war es wiederum für deren Kunst. Es scheint so etwas wie Lebens- und Beziehungscluster zu geben, von denen wir nur recht selten etwas hören, die aber eben nicht nur “platonisch” vollzogen werden, sondern mit Haut und Blut und Haar und allen Organen, allen Sekreten.
      Das Thema der Polyamorie treibt mich seit langem um; problematisch unserer Prägungen wegen, weil es bereits bei rein sexuellen Anderskontakten zu schweren Selbststörungen und Verlustängsten der Partner:innen kommt. Die Löwin sagte mir gerade in FaceTime: Wenn wir das hinbekämen, wären wir wirklich einen Schritt in die Freiheit weiter; von hier aus, sagte sie, ließe sich eine ganze Gesellschaft verändern.
      Daß dies, solch eine Veränderung, nicht gewünscht wird, liegt auf der Hand. Im Gegenteil erleben wir seit einigen Jahren eine scharfe Restauration. Insbesondere das traditionelle Monogamiekonzept, so, wie wir von ihm geprägt worden sind, trägt zur Stablisierung ihres Status quo bei, tat dies selbstverständlich schon zu feudalen Zeiten, die “unser” heutiges Eheverständnis beerbt hat und deren Normen sie weiterträgt: zum Machterhalt der Wenigen.

  4. Ihre Position, Herr Herbst, verstehe ich. Ich kann sie poetologisch nachvollziehen, aber ich fühle sie auch. Ich will es mit Privatem begründen, das hier vielleicht nicht hingehört. Es soll aber öffentlich werden, auch auf die Gefahr hin, dass es albern ist, ein wenig sentimental bestimmt, und ich mich den Spottenden preisgebe. Denn die Auswirkungen derzeitiger Rezeptionshaltungen, die mir nahezu auf allen Ebenen des Kulturbetriebs vorherrschend scheinen und durch diesen sogar noch gefördert werden, spiegeln auch zurück bis in die Mentalitätsbildung junger Autoren. Ich brauchte, aus einer Arbeiterfamilie stammend, die vollen acht Jahre eines geisteswissenschaftlichen Studiums, um den Trash, der mich umgibt, zu durchschauen, und der mich dennoch seelisch derart auskleidet, dass ich mich nur in Hassliebe dazu in Bezug setzen kann. In den Romanprojekten, die ich begonnen und abgebrochen habe, ist im Schreibprozess mithin Ungeahntes und Befremdliches aus mir aufgestiegen, das sich in zunehmend komplexeren Gestaltungen in meine Texte legte. Es war mir unmöglich damit umzugehen, da mir, was angesagt war und wer das angesagte feierte, immer wieder zu verstehen gegeben hat, dass mein Vorhaben niemals zu Künstlerisch-Wertvollem führen konnte. Umstellt von Unverständnis, ließ es mich abbrechen. Derartige Initiationen prägen und sie tun dies bereits im Elternhaus, dann in der Schule, schließlich im Beruf. Das kann kein Einzelfall sein. Es entstehen Leserschaften daraus. Trotzdem: Wer merkt, dass er taubstumm nicht geboren, aber gemacht wurde, sieht noch Licht. Hätte ich Ihre Erzählungen und Romane, Ihre poetologischen Schriften nicht durch puren Zufall entdeckt, ich wäre jetzt ein anderer. Ihre ganze Arbeit verweist über sich hinaus auf Zusammenhänge, die es nachzuholen gilt, entgegen aller Prägungen. Ästhetiken brauchen Zeit. Glauben Sie mir, Ihre Texte wirken.

    1. Sehr geehrter Herr Sanders, haben Sie Dank für Ihre Zeilen. Sie tun mir gut und haben mich auch an einem Tag “erwischt”, der mir insgesamt eine >>>> hellere Stimmung geschenkt hat.
      Ich bin mir sicher, es wäre mir unter anderen Umständen, als sie mir waren, ähnlich wie Ihnen ergangen; auch ich hätte andernfalls wahrscheinlich schon vor langem aufgegeben, und auch ich habe immer wieder gehört, so, wie ich es machte, komme da niemals Kunst heraus. Man könnte es ein Problem des Akademismus nennen, das halt nicht “nur” an den Akademien grassiert, seit je. Folgte man ihm, hätten wir die größten Werke nicht, jedenfalls keine Bewegung. In der Bildenden Kunst etwa sind es ja nun nicht die begabtesten Künstler, die dort unterrichten, jedenfalls keine wirklich innovativen; Ausnahmen bestätigen, wie es heißt, die Regel. Und es stimmt: Wir werden nicht taubstumm geboren, in aller Regel, sondern sollen es werden und bleiben. Dabei sind die schlimmsten Gegner nicht die Akademien, sondern, meiner Erfahrung nach, die anderen Taubstummen, die sich im tauben Stummen eingerichtet haben und nicht aufgestört werden wollen. Nach “oben” treten freilich werden sie nie, nur immer nach unten, und versuchen, jeden, der und die zu hören lernen möchte, daran zu hindern, und sie, wenn nur irgend möglich, in ihren selbstgefälligen Sumpf zurückziehen. Nach oben aber klatschen sie und jubeln heil.
      Es ist schwer, darinnen nicht nur bei sich zu bleiben, sondern sich überhaupt erst zu finden. Und manchmal, wie ich oben schrieb, geht auch Kämpfern die Luft aus; auch sie unterliegen dem Verschleiß. Worauf sich dummerweise setzen läßt.
      Eine “Rück”meldung wie die Ihre, aber, gibt Kraft, die erlahmten Teile auszutauschen – auch wenn man eigentlich nicht mehr mag.
      Ihr ANH

      P.S.: Sollten Sie hier persönlich oder sonstwie unfair attackiert werden – so etwas ist immer wieder vorgekommen -, werde ich es kommentarlos löschen oder in den Anti-Herbst verschieben, je nach Zielrichtung. Es scheint nämlich, als wären viele meiner Gegner in die Schule der modernen Kriegführung gegangen: Demoralisiere die Zivilbevölkerung, bombardiere also sie, nicht den machthabenden Gegner; dann streckt er bald die Waffen. Genf hin und her Den Haag.

  5. Gedanken zum Nabelwerk Ohne um den eigenen Bauchnabel zu kreisen? Aus was sonst sollte ich es hervorbringen? Was für ein Werk sollte das sein? Vorweggenommen kurzum: Es wäre ein leeres.

    Um den eigenen Bauchnabel zu kreisen bedeutet nicht, sich in keinerlei Kontext gesellschaftlicher Verhältnisse und Strukturen wahrzunehmen. Ebenso wenig ohne den Anderen zu sein. Ihm die eigene Stimme nicht zu lassen oder gar zu geben.

    Entwerfe ich “Figuren” (Das Bild stört mich, Figuren auch. Nenne sie Angenommene.), erhalten sie ihren Bauchnabel von mir. Ich erzähle vom Bauchnabel des Anderen. Genommen von meinem, mir eines anderen Menschen mit eigenem Nabel bewusst. Denn (vorab und jenseits eines Werkes):

    Darf ich versuchen(!) einen anderen Bauchnabel zu umkreisen, kann ich meinen umkreisen. Tue ich dies nicht, bin ich am eigenen Selbstverständnis wenig interessiert. Was zur Folge hat, dass ich wohl kaum auf den Gedanken kommen werde:

    Darf der Andere versuchen(!) meinen Bauchnabel zu umkreisen, kann er seinen umkreisen (und sei es als Leser: ablehnend oder annehmend).

    Autor : Werk = Werk : Autor : Nabelwerk.

    Wenn es kein Nabelwerk ist, ist es keine Dichtung.

    Es wäre womöglich verfasste Zensur.

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