Vorarbeitsjournal. Dienstag, der 1. März 2016.


[Arbeitswohnung, 7.50 Uhr]


vom Anbeginn aller
Welt in
den Flüssen des
Mannes zu
schwimmen
verstand und
ihre Betten der
Erde ins
Herz graben
konnte dies
also die
offene Auster.

([…] In: […] Ja: […]):
[Gelogen.]



Krank: Husten, Schnupfen, leichtes Fieber
Muß mit etwas fertigwerden, fertig werden, auch: etwas verabschieden.
Eine Idee, Leserin.
Auch ein Projekt, das mir am Herzen lag.
Es wird nichts mehr werden.

Zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, ein Geschenk zurückgeben zu müssen. (Nein, nicht metaphorisch gemeint: Ich möchte hier keine Lüge stehen haben, mich nicht mit Lügen umgeben. Lügen färben ab.)

Form, insbesondere die künstlerische, ist ein Modus der Distanzierung,
das Boot, auf dem wir hinausrudern, um die Insel in ihren Konturen zu überschauen
Aber ich werde den Text, den ich vorhin begonnen, eine Art Langgedicht, heute noch nicht einstellen
vielleicht auch morgen noch nicht
auch übermorgen vielleicht noch nicht
Distanz ist immer scharf: sie verwundet
aber sie darf in meiner eigenen Verwundung nicht aufgehn, braucht ein Übersich- (Übermich-)hinaus
etwas Gültiges für Dich, für Sie alle, zuletzt auch, aber wirklich nur zuletzt, für mich selbst

Ich bin unwichtig
bin nur der Materialträger, das Scheibchen, auf das unters Mikrokop die Probe gegeben wird (und ein zweites Scheibchen, die Kunst, deckt sich drüber), die wir dann anschaun: diese kleinen Herumwirbelwes’chen voller Härchen, denen Welt erscheint als das, was sie wahrnehmen können
für uns aber etwas darüber hinaus, das wir uns erschließen
Die Frage nach Kunst steht für mich im Zentrum: Sie ist meine Tentakeln
(für andre als mich ist es, zum Beispiel, die Mathematik,
für wieder andere die täglich sinnliche Erfahrung,
für die meisten der „Alltag“, eine Mischung aus altgewordenen, ältlich gewordenen Kinderwünschen und dem, was erwachsen zu tun ist, „to do“: routiniert, ein, fast, Automatismus, „passe dich an!“, und so folgt man)

Die schwierigste Erfahrung ist, nicht zu genügen
Damit müssen wir umzugehen lernen, entweder, indem wir uns beugen, es einseh‘nd und schließlich, wie man mild sagt, „resignierend“, oder indem wir es wenden, immer weiter zu wenden versuchen, neu und neu und neu: täglich, minütlich, sekündlich
Und jede und jeder für sich, all die Millionen, all die Tausende >>>> Geflüchtete, all die auch, die schon hiersind, eine wahnsinnige Unendlichkeit von Gehirnen, die uns fühlen lassen und je nach Gemeinschaft verschieden codiert sind (ein andres Wort für „Programme“)
„Sich selbst nicht genügen“: schon, wer das an sich heranläßt..! geschweige nicht ihr, der Kunst, zu genügen! (und ihr nicht, der eigenen Liebe, die wir drum lieber verleugnen)

Es wird so viel gesagt, das nicht wahr ist. Doch streicht‘s sich schon selbst durch.
Wir schwören, um diesen Strich zu vermeiden. Er zieht sich aber weiter und zieht auch schon Nasen, verdickende Tränen, nicht selten in Rot.
Schnell kriechen wir zurück in den Stall. („Kuhstallwärme“, Th.Mann zu Walküre I).
Lieber, wir lassen uns wöchentlich schlagen, als zu riskieren, Freie zu sein: Ich versteh jetzt die Frauen, die ihre Schlägermänner auf keinen Fall verlassen wollen. Drei Lehren hab ich bekommen. Sie sitzen allmählich, diese Lektionen, seid des‘ gewiß.
(Langsam wird es schwierig, nicht zu verachten. Wird nun d o c h die Skepsis meins? eine kühle? ironische, wenn‘s „gut“ geht? zynische gar? – Menschenferne.)

Kleist, Amphytrion.
Na gut, dazu noch später: Wer es da w a g t.
Die Vermessenheiten der Schranzen, die‘s im Leben nicht schaffen, tun so – und führen’s drin vor – im S c h e i n. Und die‘s genauso wenig schaffen, jodeln ihnen jubelnd zu. Gleich zu gleich beklatscht sich gern, vor allem sich auf die Schenkel.
(Vorhang).

Das schlimmste Erkennen: Wie simpel die Menschen gestrickt sind. Man sieht sich den Wannsee vereisen.

2 thoughts on “Vorarbeitsjournal. Dienstag, der 1. März 2016.

  1. (Es gab eben eine – private – Nachfrage wegen der “geschlagenen Frauen”, die ihre (Ehe)Männer nicht verlassen. Ich habe privat geantwortet, bin aber bereit, bei öffentlichen Einwänden auch öffentlich zu reagieren.

    Im übrigen: Bitte so viele Menschen wie möglich heute >>>> dort zuhören. Ich hab es eben schon in Facebook gescxhrieben: Zugriffe lassen sich zählen, und hier wären viele viele viele Zugriffe ein Zeichen. Kunst erfüllt hier ihre politische Aufgabe, eine, die ihr wesentlich ist und zu sein hat.

    ANH, 10.22 Uhr)

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