Aus der Zukunft. Am Donnerstag, dem 3. März 2016. (Statt eines Arbeitsjournals).


„Herbst lag nicht richtig. Er kam nicht an. Der progressiven Linken war er zu katholisch, den Katholiken zu anarchisch, den Moralisten versagte er handfeste Thesen, fürs Nachtprogramm zu sperrig, war er dem Schulfunk zu vulgär; weder der ‚Wolpertinger‘ noch die ‚Anderswelt-Trilogie ließen sich konsumieren; und der Außenseiter Herbst wagte, in einem Deutschland Widerstand pathetisch zu vertreten, das sich dem Pop verschrieb. Soweit die Marktlage: der Wert Herbst wurde und wird nicht notiert.“

Gundelar Wilfens: Mein Lehrer Herbst (2089)

[Döblin lag nicht richtig. Er kam nicht an. Der progressiven Linken war er zu katholisch, den Katholiken zu anarchisch, den Moralisten versagte er handfeste Thesen, fürs Nachtprogramm zu unelegant, war er dem Schulfunk zu vulgär; weder der ‚Wallenstein‘ noch der ‚Giganten‘-Roman ließen sich konsumieren; und der Emigrant Döblin wagte 1945 in ein Deutschland heimzukehren, das sich bald darauf dem Konsum verschrieb. Soweit die Marktlage: der Wert Döblin wurde und wird nicht notiert.

Günter Grass: Mein Lehrer Döblin (1989)]


16 thoughts on “Aus der Zukunft. Am Donnerstag, dem 3. März 2016. (Statt eines Arbeitsjournals).

  1. …. und aus der Vergangenheit:

    … we must enter our decided protest against the querulous and cavilling innuendoes which he so much loves to discharge, like barbed and poisoned arrows, against objects that should be shielded from his irreverent wit…
    William A. Butler in Washington National Intelligencer, 1851

    Mr. Melville is evidently trying to ascertain how far the public will consent to be imposed upon. He is gauging, at once, our gullibilty and our patience. Having written one or two passable extravagancies, he has considered himself privileged to produce as many more as he pleases, increasingly exaggerated and increasingly dull…. In bombast, in caricature, in rhetorical artifice — generally as clumsy as it is ineffectual — and in low attempts at humor, each one of his volumes has been an advance among its predecessors…. Mr. Melville never writes naturally. His sentiment is forced, his wit is forced, and his enthusiasm is forced. And in his attempts to display to the utmost extent his powers of “fine writing,” he has succeeded, we think, beyond his most sanguine expectations.
    The truth is, Mr. Melville has survived his reputation. If he had been contented with writing one or two books, he might have been famous, but his vanity has destroyed all his chances for immortality, or even of a good name with his own generation. For, in sober truth, Mr. Melville’s vanity is immeasurable. He will either be first among the book-making tribe, or he will be nowhere. He will centre all attention upon himself, or he will abandon the field of literature at once. From this morbid self-esteem, coupled with a most unbounded love of notoriety, spring all Mr. Melville’s efforts, all his rhetorical contortions, all his declamatory abuse of society, all his inflated sentiment, and all his insinuating licentiousness.

    New York United States Magazine and Democratic Review, 1852

    This is an ill-compounded mixture of romance and matter-of-fact. The idea of a connected and collected story has obviously visited and abandoned its writer again and again in the course of composition. The style of his tale is in places disfigured by mad (rather than bad) English; and its catastrophe is hastily, weakly, and obscurely managed….
    … The result is, at all events, a most provoking book, — neither so utterly extravagant as to be entirely comfortable, nor so instructively complete as to take place among documents on the subject of the Great Fish, his capabilities, his home and his capture. Our author must be henceforth numbered in the company of the incorrigibles who occasionally tantalize us with indications of genius, while they constantly summon us to endure monstrosities, carelessnesses, and other such harassing manifestations of bad taste as daring or disordered ingenuity can devise….
    We have little more to say in reprobation or in recommendation of this absurd book…. Mr. Melville has to thank himself only if his horrors and his heroics are flung aside by the general reader, as so much trash belonging to the worst school of Bedlam literature — since he seems not so much unable to learn as disdainful of learning the craft of an artist.

    Henry F. Chorley, London Athenaeum, 1851

    (Originalstimmen zu Moby Dicks Londoner und New Yorker Erstausgaben.

    Wiederum >>>> Dorothea Dieckmann zu Friedhelm Rathjens Neuübersetzung🙂

    Die Maxime, die Zielsprache der Quellsprache weitestgehend anzuverwandeln, gilt in der heutigen deutschsprachigen Übersetzungspraxis als radikal. Wenn die Ideale weniger prinzipienfester Übersetzer Behutsamkeit und Ausgewogenheit sind, so lautet Rathjens Leitbegriff: “getreu.” Im alten Streit zwischen Integrieren und Distanzieren, Einbürgerung oder Verfremdung entscheidet sich Rathjen im Zweifelsfall immer dafür, die Strukturen des Originals sicht- und hörbar zu erhalten, ja die Eigentümlichkeiten kräftig zu unterstreichen. Daher die Poesie seines Moby Dick, die Manierismen und experimentellen Extreme von Rathjens Deutsch. Nach einhelliger Meinung ist aber gerade dies eine Eigenschaft des Melvilleschen Englisch.

  2. Ich würde gerne mal wissen, wie Sie sich zu Lebzeiten ein optimales Anerkanntwerden denken:
    Täglich Interviews, Einladungen zu Kommentaren im Fernsehen? Anfragen aus Hollywood? 3-wöchige Lesungsfestspiele ihres Werkes am deutschen Theater? Eine ständige Kollumne in der FAZ? Internationale Einladungen zu Kongressen des Goethe-Instituts? Juryvorsitze? Akademievorsitze mit bezahlten 1Klasse-Flügen. Doppelseitenartikel in den überregionalen Zeitungen? Gastprofessuren in Cambridge? 8 Mitarbeiter zur Koordination weltweiter Vortragsreisen? Talkshowauftritte in europäischen Fernsehsendern? Siebenstellige Vorschüsse auf Bücher? Privatjet? Swimmingpool? Ein George-Kreis, der jetzt heimlich Herbst-Kreis heißt? Mäzene, die Sie auf Ihre Schlösser einladen, weil Sie der neue Rilke sind? Ich bitte Sie…

    1. Der Spatz in der Scheiße Mitunter kommt mir das alles so vor wie die Geschichte vom Spatz, dem ein Kuhfladen auf dem Kopf fällt. Jetzt schimpft er ganz fürchterlich auf die Kuh, die ihn aber gar nicht wahrgenommen hat. Da kommt die Katze, die sein Schimpfen hört, zieht ihn heraus und …
      Also, nicht jeder, der dich bescheißt, ist dein Feind. Und nicht jeder, der dich aus der Scheiße zieht, ist dein Freund. Aber das wissen wir a alles längst. Also warum dieses ewige Lamentieren darüber, dass man in der Scheiße sitzt?

    2. @Carthaga Wer sich beruflich voll einsetzt, will Anerkennung und wird wütend, wenn’s nicht oder nicht ausreichend passiert.
      Wer keine bekommt und dennoch die Schnauze hält, braucht eine Herde von Schnauzehaltern um sich herum. Nur so fällt das eigene Kuschen nicht weiter auf.

    3. Hier findet statt, @dieLöwin, was ich an anderer Stelle bereits als “deutscher Michel” gebrandmarkt hatte: Der Versuch, dem Missachteten ein angemessenes Empfinden zu diktieren.

      Das ist an Perfidie nicht mehr zu überbieten und legt doch die papierne Dünnhäutigkeit des deutschen Michel offen. Er hält nicht aus, dass sich Ungerechtigkeit in seiner Nachbarschaft ereignet, zu der er eifrig, gleichwohl unverständig, beigetragen hat. Deshalb zieht er moralische Zäune und oktroyiert Regeln des marktwirtschaftlich guten Benehmens, ohne sich gewahr zu sein, dass er zu diesem Benehmens selbst nicht befähigt ist. Eine Verlogenheit ohnegleichen, das. Wohlgemerkt: keine Lüge. Denn in der Lüge bliebe die Wahrheit erhalten.

      Der deutsche Michel, übrigens, trägt keine Schlafmützen mehr am Kopf und Mistgabeln in Händen. Er trägt akademische Titel oder ist zumindest am Erwerb derselben redlich gescheitert. Und er befleißigt sich einer Sprachausformung, deren Wirkung er nicht begreift. Mit ihm schließlich kristallisiert der allgegenwärtige politische Nebel zu Wir-Sind-Das-Volk-Rufern.

      Wenn dieses mein Statement wiederum gelöscht werden sollte: tausend Rosen.

  3. Wissen Sie wie viele hochengagierte und hart arbeitende Menschen es in Deutschland gibt, zum Teil auch hoch qualifiziert, die auch nicht anerkannt werden, sogar Stütze beziehen müssen und dazu keinen Artikel in FAZ und keine Einladung zum Radio-Interview, das ist ja lächerlich, worüber sich hier beschwert wird. Schaun Sie, seien Sie doch zufrieden mit dem was da ist.

    1. @strange Alle, deren hochmotivierte Arbeit nicht genügt, um sie soweit wirtschaftlich zu stabilisieren, dass es zum Leben und Weiterarbeiten reicht, sollten sich “beschweren”, wie Sie es nennen. Finde ich. Und zwar so laut und häufig, wie es der jeweiligen Persönlichkeit entspricht.
      Solange sie die Kraft dazu haben. Denn was wäre die Alternative? Sich abzufinden?
      (Dazu habe ich den Satz meiner Großmutter im Ohr, den mit den Kindern in Afrika. Ich kann mich nicht erinnern, ob er mir früher beim Relativieren geholfen hat. Jetzt, jedenfalls, klingt er mir hohl.)
      Um Anerkennung zu kämpfen ist nicht vermessen. Sondern angemessen. Wenn damit ein Lamento, eine Klage, eine Wut einhergeht, sei’s drum. Bei jedem kommt die Energie zum sich Aufbäumen aus einer anderen Quelle.

    2. @strange: Ihre Einlassungen sind politisch reaktionär.

      Sie sagen, es gibt so viele Menschen, denen Unrecht getan wird – wieso klagen dann Sie? Ich frage dagegen: Wieso klagen dann die nicht? Im Fall ihres Rechtes wäre – und bin – ich sofort auf ihrer Seite, anstelle mit der typischen Rhetorik derer zu sagen, denen Anpassung über alles gilt: Seid doch still, anderen geht es genauso oder noch schlechter. Im Gegenteil sage ich: Wehrt Euch! Stellt die Dinge klar, versucht, sie richtigzubekommen und Euch durchzusetzen; ich bin dabei. Und es ist mir da völlig egal, ob jemand ein Schuster ist, ein Arzt, ein Bäcker oder ein Professor (auch an den Universitäten geschieht großes Unrecht, ein “Fall” gehört zu meinem Freundeskreis; ich will den Namen des Mannes nicht nennen, aber er, in der Tat, ist einer der letzten Universalen und kriegte trotzdem den Fuß immer nur mit einem Spann in die Tür).
      Sie hingegen, strange, und das ist wirklich strange, wollen, daß geschwiegen wird. Sie verbieten den Betroffenen den Mund.

      (Übrigens habe ich in diesem Beitrag nirgendwo “lamentiert”, sondern Parallelen aufgezeigt und das auf eine, finde ich, nicht unwitzige Weise. Daß Sie die vielleicht “größenwahnsinnig” finden, sei dahingestellt. Darüber wird die Geschichte entscheiden, wenn allewir längst nicht mehr sind.)

  4. Frau Phyllis Oh danke für Ihre sehr überraschenden Anmerkungen, aber hier geht es um Verhältnismäßigkeit. Es kann und soll sich jeder beschweren. Nur halte ich das Geltungsbedürfnis des Autors hier für überzogen angesichts der Aufmerksamkeit, die er schon bekommen hat. Die Rezensionsdichte und die Aufmerksamkeit für Bücher und Autoren hat in den letzten Jahren ganz allgemein abgenommen, ich glaube sogar mehr als halbiert. Legt man diesen Maßstab an, kann sich niemand beschweren. Meine Aufzählung oben sollte den Realitätsverlust verdeutlichen, dem der Autor Herbst offenbar unterliegt. Niemand muss glauben, dass sich Verkaufszahlen erhöhen, wenn ein Buch im literarischen Quartett besprochen wird. Die Zeiten sind vorbei.

    1. Hier geht es um Ihr eigenes Unbehagen, welches der Autor mit seiner Offenheit bei Ihnen hervorruft. Um nichts anderes. Und dass Sie diese Offenheit nicht unkommentiert zu ertragen bereit sind.

    2. zu den idioten ?
      ZU DEN WAS
      fliegen ist / kleine form herbst,
      das
      die fliegen
      fliegen können
      stock-hausen
      nun dürfen wir mit stöcken hausen
      mit gruppen spielen :
      GRUPPEN .
      ORCHESTER:
      zhats ruth, frank zappa ( ruth underwood )

      ure so adornoed freaky, ore me ( i am odornoded ) plastic.

    3. ya , vielleicht kann ich sofort dies irae komponieren : herbst :: wieso denn ?
      weil es für mich ganz besonders leicht ist ?
      ist es.
      weil es in ihrem brauchtum eingeschmeichelt ist in, ?

      weil sie es nicht anders können.

      wollen.

      herbst.
      ( weil sie wie barenboim, etc, nicht denken können sowieso wie alle anderen aka usw. herbst : das kann ich ihenen UFFZEIGEN )

    4. ich bin der letzte, hinterletzte loffa, in zwischenwelten, in über und uneterweltlickeiten, das sind die gebrauchsmuster, die annehmbrkeiten, verbindlichkeiten ohne bondages,k leine leinen, linearitäten, microprägungen, septermberlichtest *

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