Unter anderem Entsprachung. Im Arbeitsjournal des Sonntags, der 10. April 2016.


[Arbeitswohnung, 8.54 Uhr]

Um fünf auf, den Backofen eingeheizt, um sechs den Teigling eingeschossen, aber zum zweiten Mal im mitgeheizten Römertopf, der Laib ging noch über Nacht – und ecco, eine Schönheit:


Il pane cafone (napoletano)
Livieto madre, farina tipo 0 oppure 00,
semola rimacinata di gran duro
Zweifach gärender Vorteig, je ein paar Stunden, und,
per l’impasto finale, lunghississimo lievitazione


Der Vorteil des Backens im Tontopf ergibt sich daraus, daß mein Gasherd keine Oberhitze hat, bzw. ist sie gegenüber der Unterhitze zu schwach, so daß die Brote bisweilen gewendet werden müssen, was den Ofentrieb dann hindert. Ist der Tontopf aber mit aufgeheizt worden, also mit Deckel, wird die Hitze rundum gleichmäßig in den Laib geleitet. Ich will aber nachher auf dem Flohmarkt nach einem Gußeisentopf gucken – denn der Ton könnte platzen, wenn er auf 270 Grad hochgeheizt ist und ich dann einen kühlen Teigling hineintu.
Den zweiten Laib, auf den „lunghississimo“ noch mehr zutrifft als auf den ersten, will ich heute mittag backen, um ihn abends zur quasiFamilie mit hinüberzunehmen; die Zwillingskinder sind ganz heiß auf meine Brote. „Cafone“, übrigens, bedeutet sowas wie „Rüpel“, „ungehobelter Kerl“, wonach mein Pane aber „echt“ nicht aussieht.

Weiter mit den Tondateien. Jetzt hat der WDR die Sendungen >>>> angekündigt. Sehr schön, daß auch das Kreuzfahrthörstück weiterhin abrufbar ist, worauf der Sender >>>> ebenfalls hinweist. Vielleicht „passiert“ ja doch noch mal was.
Es bekümmert mich aber nicht mehr wirklich, ich will einfach meine Arbeit weitermachen, ob‘s jemanden schert oder nicht. Problematisch sind imgrunde nur die Finanzen; ich habe noch keine Ahnung, wie‘s ab August weitergehen soll. Vielleicht nehme ich die Begleitidee wieder auf, der ich in der Depression auch ohne Sex nicht hätte entsprechen können.

Eine ausgesprochen >>>> eindrucksvolle französische Miniserie gesehen und also auf einen Filmemacher aufmerksam geworden, der mich rundweg überzeugt hat: Philippe Haïm. Nach >>>> Brisseau und >>>> Noé meine nun schon dritte Entdeckung. Es geht mir auf die Nerven, daß wir im Film fast schon Heimatgefühle entwickeln, wenn einer in den USA spielt. Es geht mir ebenso auf die Nerven wie das permanente Ameroenglisch, wiewohl mir klar ist, daß die anderen Sprachen, vielleicht von Asiens abgesehen, nach und nach veröden werden und möglicherweise aussterben; allenfalls noch so gepflegt wie hierzulande das Plattdeutsch oder in Spanien Katalan, im Weltmaßstab indessen unbedeutend. Das hat selbstverständlich schon jetzt für die Nationaldichtungen verheerende (: ja, im Wortsinn!) Folgen. Schon Ishiguro sagte mir seinerzeit: „Ihr habt das Problem eines zu kleinen Marktes und daß immer alles erst übersetzt werden muß, bevor es Belang hat.“ Was übersetzt wird, wiederum, hängt an der Nabelschnur der, und zwar je einheimischen, Machtverhältnisse, nicht etwa der Qualität. Oder wie einer meiner Verleger sagte: „Übersetzungen sind eine Einbahnstraße: Sie führen in die USA, nicht aber, oder nur seltenst, zurück.“
Man müßte seelenemigrieren. Dann kann man aber auch gleich weggehen.
Stellen Sie sich vor, daß in den USA deutsche Lieder („Songs“, ecco!) auf Deutsch gesungen würden so, wie hier 7/8 aller Jugendlichen englische Lieder auf Englisch singen – dann wird Ihnen das Problem geradezu bizarr bewußt. Dabei können die Liedtexte zum Beispiel Weckers oder Waders, um von Franzosen wie Brel, Italienern wie Conte, Griechen wie Theodorakis zu schweigen, jedem Cohen das Wasser reichen, in dem die Jacksons und Madonnas schon lang ersoffen sind.
Ich formuliere hier (m)eine nichtnationalistische Position, ästhetisch wie politisch. Daß es auch in den USA Widerstand gibt, großen sogar, ist davon unbenommen und unbestritten.

ANH

3 thoughts on “Unter anderem Entsprachung. Im Arbeitsjournal des Sonntags, der 10. April 2016.

  1. No worries 😉 Die weltweiten Prognosen für zumindest das Französische und das Spanische sind nicht gerade übel. Ich habe leider die Quelle nicht mehr parat, aber die demographische Entwicklung deutet darauf hin, dass spätestens innerhalb ca. einer Generation weltweit mehr Menschen als Mutter- oder kulturell verankerte Zweitsprache Französisch oder Spanisch sprechen werden, als Englisch. Deren koloniales Kulturerbe ist in Bezug auf die globalen Sprechergemeinschaften keineswegs geringer als die des Englischen.

    1. Das stimmt in Ländern mit kolonialen Geschichten. Die Herrschaftsspachen setzten sich fest, auch wenn die “Herren” “gingen”. Und also… für unser Land gefolgert? Ich meine die Frage nicht national, sondern kulturell.

      (Es gibt aber auch andere Entwicklungen. In NYC etwa spricht fast ein Viertel der Bevölkerung nicht Englisch, sondern Spanisch.)

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