Nach Bamberg, mit dem letztem Rückblick der PEN-Notate 3. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 25. April 2016. Dazu ein BH.

[Arbeitswohnung, 8.39 Uhr]

Tatsächlich bis Viertel nach sieben geschlafen. Nun, wie nach jeder Reise, rechnerische Zusammenfassung und Ablage für die spätere Steuererklärung, Quittungen, Tage wegen der Pauschalsummen zählen, schon mal vorausrechnen, damit später diese Arbeit nicht unnötig stockt. Alles in Klarsichtfolie und auf den Ablagestoß, der irgendwann, wenn er zu hoch geworden ist, in die einzelnen Hefter auseinandersortiert wird.
Noch spät, gestern, einen Teigling geknetet, der über Nacht „ging“, unterdessen mehrmals gestreckt und gefaltet wurde (auch heut früh um fünf noch mal) und gegen zehn in den Ofen kommt.

Erster Tag der >>>> Traumschiffs Lesewoche im WDR, Lesung 1 um 14.45 Uhr. Ob dies den Buchverkauf noch mal befeuert? In Bamberg jedenfalls schienen die Bücher, bei >>>> Huebscher, ziemlich gut wegzugehen, auch die drei Andersweltromane, übrigens, gestern nach der >>>> Nußbaumlesung >>>> Meere sogar. Ich war echt erstaunt, daß >>>> Dielmann Bücher tatsächlich geliefert hatte.
Die Begegnung mit den beiden Kulturmaschinlern verlief hingegen an- und abgemessen kühl. Frau Ex„verlegerin“ B. hat nun einen Hund; wollen wir hoffen, daß sich wenigstens der auf sie verlassen kann. Übrigens bin ich wahrscheinlich der einzige jedenfalls europäische Autor, der jemals von seiner Verlegerin im Rahmen einer Vodoozeremonie verflucht worden ist; auf Kuba. Ich glaube, der Bocor bekam meinen Namen auf einen Zettel geschrieben, den er dann verbrannte. Denn Frau B. wird sich kaum die Mühe gemacht, schon gar nicht den Kosten ausgesetzt haben, nach meiner Natur ein Püppchen anfertigen zu lassen, in den danach die Nadel kam (durchs Herz, in den Magen, die Hoden? denkbar wär, wenn halt doch, dann beinah alles).
Es soll ein Video geben von der rituellen Prozedur; eigentlich würde ich es gerne in Der Dschungel einstellen. – Hab gleich mal eine Nachricht geschrieben.

Also PEN, die dritte Klappe.
>>>> Lesung gestern vormittag. Ruhiger, innerlicher Text Alissa Walsers, dann meine kleine Fantasmagorie, zum Abschluß Zaimoglus deutlich für den Vortrag geschriebene, weil so virtuose wie ausgesprochen rhetorische Prosa. Schönes Glasfoyer der Konzerthalle, angemessen besucht, wenn auch viele derer fehlten, die sich wegen meiner >>>> Bemerkungen zum Freitagabend empört hatten.
Doch, was für mich sehr glückhaft war, >>>> Richard Pietraß kam hinterher zu mir; sehr viele Dichter (aus) der ehemaligen DDR meiden mich für gewöhnlich, so jedenfalls mein Eindruck. Pietraß ist ein besonders leiser – stiller, möchte ich schreiben -, dem meine Umgangsart, vielleicht auch mein Temperament besonders wenig zusagen dürften. Doch er nun sagte, mich zum ersten Mal vortragen gehört zu haben, und „Sie sind ja“, sagte er, „ein großer Stilist!“
Das ist etwas, das mir wohltut, nicht so sehr des Urteils-selber halber, sondern weil jemand bereit ist, von etwaigen Vorurteilen abzurücken, statt dessen wirklich zuzuhören und dann, wenn es ihm angemessen dünkt, umzuwerfen, was man, rechtens für sich, geglaubt hat, bzw. wovon man überzeugt war. Er sprach sogar von Genauigkeit der Prosa, hatte, spürte ich, jede kleine Verschiebung gefühlt, die Versetzungen, die ich vorgenommen habe, um nicht in die Falle des Illustrativen und damit eines, weil historisierend, Verharmlosenden zu rutschen. Ganz bewußt bleibt der Bedrohungsgrund in meinem Stück im Ungefähren; Konkretion in der Dichtung verharmlost oft das Unheil – siehe, dort wirklich meisterhaft gelöst – den Horla Maupassants. Schon in >>>> Die Unheil (2005, nach einer frühen Fassung von 1992) habe ich ähnliches versucht (der Link geht auf meine Videolesung).
So fuhr ich unterm Strich sehr dankbar aus Bamberg wieder fort. Sicher, ich habe mir einige neue Gegner gemacht und alte Feindschaften bestätigt, aber ganz sicher ebenso Freunde gewonnen oder wenn nicht „Freunde“, so doch Achtung gewonnen, so daß sich mein seit der unseligen Meeregeschichte immer noch schwärender Zorn nahezu verflüchtigt hat; überdies stecken in den Funktionen ja gar nicht mehr dieselben Nasen, die damals die Entscheidung gegen mich trafen, bzw. gegen meinen Roman. Und da nun, nach den vielen Zuwahlen vorgestern, auch die Ära Altersheim zuende geht, bleibe ich nunmehr gerne im PEN und seh seinem Sturm & Drang entgegen.

***

Jetzt wieder, sowie das Administrative erledigt ist, an die Gedichte. Für den WDR sind außerdem noch die Tonfiles auf den Stick zu kopieren und auf CD zu brennen; dann müssen die Tonträger mit den ausgefüllten Begleitblättern zum Sender geschickt werden. Und mein Rucksack, mit dem ich seit nunmehr fünfunddreißig Jahren reise, braucht eine Reparatur: Zum ersten Mal nach all der Zeit ist eine Trägernaht eingerissen, schon vor Neapel.

Ach so. Als ich gestern heimkam. Fast direkt vor der Einfahrt:


Welch eine G e s c h i c h t e erzählt uns dies? Die Straßen, im Bildsinn, sind voll von ihnen!

9 thoughts on “Nach Bamberg, mit dem letztem Rückblick der PEN-Notate 3. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 25. April 2016. Dazu ein BH.

  1. (Ach so, was mir auch noch nie passiert ist: Als ich mich nach der Lesung, bevor ich davonzieh, bei der Buchhändlerin für >>>> die buchhändlerische Betreuung bedanke, fragt sie, wann ich denn wieder in Bamberg läse. “In einzwei Monaten”, antworte ich, “die Villa Concordia hat eine Traumschiff-Lesung auf einem Regnitzdampfer vor.” Und sie, die Buchhändlerin, sagt: “Da werde ich kommen.” Obwohl der Büchertisch dann von >>>> einer ganz anderen Buchhandlung betreut werden wird, traditionellerweise. Non lasciate ogni speranza)

  2. Mich beschäftigt die Frage, wie die Geschichte mit dem Voodoo-Fluch überhaupt ans Tageslicht treten konnte. Üblicherweise kommunizieren die Täter ja nicht mit dem Opfer.

    1. @Gaga. Die Verlegerin war mit einem mir befreundeten Autor unterwegs, so wurde er Zeuge und hat das Ritual sogar gefilmt. Gibt er mir den Clip, und sollte ich ihn dann veröffentlichen, machte ich mich selbstverständlich einer Persönlichkeitsrechtsverletzung schuldig. Doch einem Prozeß um diese sähe ich geradezu mit Wollust entgegen.

    2. haha – die Wollust teile ich…! Wobei eine Verfluchung natürlich keinerlei Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt, nech. Wie verzweifelt jemand sein muss, um zu solchen Mitteln zu greifen. Die Götter, auch die dunkelsten ruft man ja nur an, wenn man sich UNFASSBAREN, gewaltigen Mächten ausgesetzt sieht. Im Grunde eine Art Kompliment.

    3. @gaga ff Ich habe auch anfangs gelacht, in den vergangenen Monaten meiner Depression aber nicht mehr, die einen ja dazu bringen, Ursachen auch irrational zu fassen. Insofern wurde der an sich absurde Vorgang zu einer objektiv tiefen Verletzung.
      Doch zur Einstellung des Videos wird es nicht kommen, der Freund verweigert es mir, wie er gerade schrieb; offenbar hat er persönliche Gründe, will und darf vielleicht auch nicht mit hineingezogen werden. So laß ich’s bei meiner Bemerkung; vielleicht strengt diese Exverlegerin ja dennoch einen Prozeß an. Warten wir’s ab.

    4. ach Quatsch, dann würde sie sich ja die Blöße geben, hier interessiert mitzulesen. Man hat ja genug Phantasie, um sich auszumalen, wie so ein Zinnober vonstatten geht. Jedenfalls ist der Fluch nun gebannt, das ist doch die Hauptsache.

    5. Kaum zu glauben Zwei Punkte scheinen mir auf der Hand zu liegen. Erstens gibt es hier also zwei Personen, die beide daran glauben, vom jeweils anderen verfolgt zu werden. So produzieren Irre Irre.

      Und zweitens scheint mir der eigentliche Idiot in dieser Sache dieser seltsame “Freund” zu sein. Der war augenscheinlich so blöd Sie für einen wirklichen Freund zu halten, der Ihnen etwas anvertrauen konnte. Das haben Sie ihm jetzt ja wunderbar gedankt, denn den Beteilgten wird ja vollkommen klar sein, um wen es sich handeln muss. Man kann diesem “Freund” nur raten, dass er zumindest soviel Gehirn besitzt, sich in Zukunft von Ihrer Freundschaft fernzuhalten.

    6. @Gast, weiblich: Ich habe Ihren Kommentar gelöscht, weil er die Klarnamen nennt, bzw. eine Recherche überflüssig macht.
      Zu Ihrer Einlassung-selbst sage ich: Fein.

      (Und was “new” anbelangt, also den Kommentator vor Ihnen: Wäre ich Zeuge solch eines Vorgehens gegen einen Freund, egal von wem auch immer, würde ich es selbstverständlich erzählen, ihm aber auf gar keinen Fall ein Schweigeverbot auferlegen im Sinne von “Da will dir jemand extrem schaden, aber bitte behalt es für dich.” Ich setze doch Freunde nicht einem Loyalitätskonflikt aus. Einmal abgesehen davon, daß der Vorgang-selbst zwar bis zur Lächerlichkeit bizarr ist, in der Tat aber mit der Absicht verknüpft, sogar so zu schaden, daß sich davor zu schützen nicht möglich ist – weil die Aggression magisch ist – also eine besondere Spielart der Heckenschützerei.)

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