Mit einer Erinnerung an Stammheim. Das Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 7. Juli 2016.

[Arbeitswohnung, 6.41 Uhr]

Um ein Viertel nach fünf auf; frisch, arbeitsbereit.
Die beiden vergangenen Tage schrieb ich hier nichts, weil mal wieder mit einem Netzwerkproblem befaßt, außerdem mit einer Benutzerkonteneinrichtung, ihrer Veränderung, die nötig wurde, nachdem mir Freund M. einen neuen PDF-Editor aufgespielt hatte – wobei irrerweise die Laptop-Soundcard gekillt wurde, so daß wir nachts nach neuen, alten aber halt, Treibern suchen und die Card neu installieren mußten. Das ging dann so bis gegen vier; also stand ich vorgestern erst um neun auf, und der Tag war quasi gelaufen. Ich bin schon ziemlich abhängig von meinen Routinen. Um so begrüßenswerter, wenn ich den Anfang meiner Arbeitszeit wieder auf sehr früh morgens lege – und dies vor allem durchhalte.
Immerhin saß ich ein wenig über der Béart, versuchte, in den Klang (modisch: „sound“) der XVII zurückzufinden; ich hatte da mit sapphischem Versmaß zu spielen versucht, war hängengeblieben, als ich auch andere phälakische Varianten ausprobieren wollte – da kam >>>> der Böhmer „dazwischen“, eigentlich ja „hinterher“.
Und ich las des Fürsten von Lampedusa Kindheitserinnerungen zuende, legte mir – endlich – den Gattopardo heraus, aber entschied mich zu Vergas noch mehr endlich Malavoglia – in der nachkriegspapiersparenden, die Augen befehdenden Fischer-Taschenbuchausgabe seit Jugendzeiten bei mir; Leseknick auf S.19, ich kam gestern neu bis 18.
Zur Werkstatt der Staatsoper geradelt; mein erster >>>> Infektion!sabend, über den ich gleich schreiben will. Das wird mich möglicherweise den ganzen Tag über beschäftigen, wenngleich ich gleich allerdings zum Zahnarzt radeln muß, um ihn die Fäden aus dem Unterkiefer ziehen zu lassen – und vielleicht zum andern Zahnarzt gleich weiter, weil ich mir die provisorische Krone oben rechts an einem harten Brotkanten zerbissen hab. Außerdem muß ich mich um die „pädagogische“ Jobsuche kümmern, da der August naht, welches der letzte Monat, für den ich noch Geld habe und an dem ich überdies kaum in Berlin sein werde. „Vor mir die Sintflut“, sagte Trapper Geierschnabel und schlug ein Leck ins Boot.
Büchnerpreis für Marcel Beyer, was mich freut. Höltypreis für Christoph Meckel: so kann man selbst doch fürs Alter noch hoffen. Andererseits hat Nabokov nie den Nobelpreis bekommen; vielleicht trug man ihm das geniale Ada unversöhnlich nach. Der große Roman ist ja bis heute, ja heute überhaupt erst richtig, umstritten, meistens abgelehnt. Urteile schleifen sich ein, man muß ihre Prämissen schließlich nicht mehr überprüfen, deine Rede sei Neinnein. Die Zeit der öffentlichen Lesermeinungen macht das leider nicht besser, Daumen rauf, Damen runter ward, logisch, so ohne Salons, salonfähig: Schon haut der Gladiator zu. Kleistpreis für Yoko Tawada. Kohlhaas mag sich, verbuddelt am Wannsee, nicht wehren
Volksentscheide können den Teufel, sprich Henker, gesehen haben.
Du mußt nur die Laufrichtung ändern.
Der >>>> Sonderforschungsbereich 115 der Uni Hamburg-Eppendorf, 1971 bis 1974, also in der Haftzeit der ersten RAF (ab 1972), bzw. darauf vorbereitend: >>>> Pönologie (Lehre von der Bestrafung). Ich werde hierzu in meiner Opernkritik schreiben.
So wenig heut | aus der Dunckerstraße.
*

(9.48)

Die Fäden sind gezogen, der andere Zahnarzt kann erst am Montag das Provisorium ersetzen. Nun gut, Zeit für die Kritik. Und ich darf wieder zum Sport; werde mittags das Laufen wieder aufnehmen, vielleicht erstmal nur zehn statt gleich der dreizehnKilometerNochwas.
Mein Sohn ist mit seiner Klasse zum Campen weg, mit Vaters Traditionsrucksack – hier noch fast leer:


Es hat mir eine seltsam-stolze Freude bereitet, ihn so zu sehen.
Gut, ans Werk.
*

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