Unter anderem zu Clemens Setz. Im Arbeitsjournal des Sonnabends, dem 16. Juli 2016.


[Arbeitswohnung, 14.31 Uhr]

Morgens die Kritik zu Amargianakis Musiktheater ANS fertiggeschrieben und auch >>>> eingestellt. Ich möchte hier gerne wiederholen, und tu‘s deshalb, was ich schon als Kommentar daruntergeschrieben habe: Sofern es noch Karten gibt, heute abend hingehen. Die Aufführung dauert etwas mehr als eine Dreiviertelstunde; Sie können also ohne weiteres noch danach „weiter“ ausgehen. Und lassen Sie sich wirklich nicht von der „Installation“ beeinflussen, sondern versenken Sie sich in die Musik.

Mich beschäftigt nunmehr eine andere, nämlich eine neue von Jarrett. Zu seinem jüngsten Wiener Konzert hat der Kollege Setz >>>> auf ZEITonline eine ziemlich unsägliche Polemik verfaßt, auf die ich nun meinerseits mit einer Polemik antworten will – nicht dort, da reihte sich mein Text, der überdies redaktionell gekürzt, bearbeitet oder sonstwas würde, unter vielen Unsinn ein; nein, hier in Der Dschungel. Allerdings werde ich mich möglicherweise dazu hinreißen lassen, auf ihn dort als Kommentar zu verweisen; man wird sehen, ob die Redaktion den Link dann stehenlassen wird. Vor morgen allerdings werde ich mit meiner, sagen wir, Antwort nicht fertig werden; das Ding soll geschliffen sein und über den Anlaß selbst hinausreichen, vielmehr etwas Prinzipielles in den Fokus ziehen, das (fast) selbstverständlich mit der Konsensgesellschaft zu tun hat, die zu bilden wir unterdessen mittendrin sind. Was dürfen alle, was darf einer – wieviel Differenz ist noch gestattet, wieviel Eigensinn auch? Als von selbst einem Künstler geschrieben, ist in meinen Augen Setzens Text sogar eine Art von Verrat.
Aber dazu später detailliert.

Vormittags Konzert der Zwillingskinder, also nicht nur ihres, sondern eines sämtlicher Schüler:innen ihrer Klavierlehrerin. Bei allen Kindern rührend bis manchmal auch beeindruckend; spielten allerdings die Jugendlichen, um gar von den Erwachsenen zu schweigen, wurde es vor Peinlichkeit zäh. Zu welch einem Regreß die Leute bereit sind! – (Neben mir लक्ष्मी bekam irgendwann mit einem ziemlichen Lachanfall zu kämpfen; bei sowas ist das Hauptproblem, daß es ansteckend ist und in so einem kleinen Raum natürlich nicht unbemerkt bleibt.) Danach mich spontan entschlossen, heute eine Sportpause einzulegen und mit der Frau an der Sonne zu frühstücken. So verging der Vormittag.

Unterdessen wartete der Poolish auf seine Weiterverarbeitung zu Baguettes. Deren Teigling jetzt ruht, bevor ich ihn halbieren, die Hälften je noch einmal falten und strecken werde, damit sie danach abermals ruhen, sich aber schon an ihre spätere Form gewöhnen können.

Über den Nachmittag Bewerbungen schreiben, aber eben auch schon mal die Bettelbriefe vorformulieren. E. riet mir gestern entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen; er denke an sowas wie >>>> Zolas J‘accuse. Ich hingegen fände das, gerade mit diesem Vergleich, unangemessen: Zolas Anliegen war ein entschieden allgemeingesellschaftspolitisches, kein persönlich-privates. In meinem Fall und vielen Fällen anderer Künstler:innen ist das anders. Es mag ein Skandal sein, daß ein Schriftsteller, dessen Werk längst in die Literaturwissenschaft einging, von schwerer Verarmung bedroht ist, angesichts der gegenwärtigen allgemeinen Schrecken aber ist ein „Anklagen“ darob fast ridikül. Es würde mir mit Recht als unangemessen zur Last gelegt werden. Außerdem interessiert es die Öffentlichkeit nicht. Daß die Förderungsusancen für Kunst oft sogar willentlich ungerecht sind und mehr mit persönlichen Vorlieben der Juroren, ihren Machtwillen wie Geltungsverschätzungen und insgesamt selbstischem Pfründehandeln sowie mit der sozialen Angepaßtheit der Künstler:innen (oder eben ihrer Unangepaßtheit) zu tun haben, bleibt freilich unbenommen davon wahr.

Dennoch: bin ziemlich gut drauf heute, um‘s salopp zu sagen. Und nicht nur, weil der Sommer wieder zurück ist.

Lächelnd:
ANH

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