Das Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 28. September 2016.


[ICE 642, bis Hannover
9.38 Uhr]

mit gespreizter Stimmefinde ich gerade in >>>> Wiesers Notizbuch. Nicht weiter ausgeführt, nur das Datum davor: 29.5.16. Aber offenbar ein Vers oder Teilvers, weil ich in dem Bücherl nur Gedichte notiere. Loisl hatte mir seinerzeit gesagt: „Wenn es voll ist, veröffentliche ich’s.“
Das war nicht gewagt, denn selten habe ich alle Notizbücher bei mir, zumal ich meistens in den Laptop schreibe oder in das schwarze Notizbuch, worinnen Kraut und Rüben zusammenwachsen – eine Skizzendschungel, die auch vor Einkaufslisten nicht haltmacht. Tatsächlich habe ich in Wiesers Bücherl nicht mehr als sieben Seiten vollgeschrieben, bislang; oben auf der achten steht nur der eine Vers.

An sich, wie bereits erzählt, hatte ich bereits gestern fahren wollen. Indessen wäre es tatsächlich nicht hinzubekommen gewesen; nach den Erledigungs- und Besorgungsarien des Vormittags saß ich bis frühnachts um elf am Schreibtisch. Meine Contessa

[ICE 575, ab Hannover
10.55 Uhr]

setzt mich unterdessen auch für Verträge ein, die ich ihr formulieren soll. Was ich ja ganz gerne tue; juristisch durchdachte Texte stärken die Wahrnehmung für Details, außerdem feilt man die Argumentationsstrukturen richtig fein aus. So sah ich denn auch gerade Nachricht aus Sardegna wegen meines nächsten Aufenthaltes, zum Romanschreiben dort. Was ich mir vorgestellt habe, scheint zu klappen. Die Villa ganz in der Nähe eines Tauchclubs, so daß ich morgens jeweils einen Tauchgang unternehmen und von mittags bis in die Nacht arbeiten kann. Außerdem drei Nächte auf einem Segler, der allerdings kein WiFi hat. Um so besser, dachte ich, dann wird mich niemand stören außer den Möven, wenn sie zur Fütterung kommen. Und die Haie natürlich, die von außen gegen die Bordwand bollern. Aber das ist bereits ein wichtiges Motiv des Romans, so daß ich es gar nicht erwähnen dürfte. Na gut, jetzt ist es halt passiert, und Sie, meine Freundin, werden es zu meinem Schutz ganz schnell auch wieder vergessen. Was mich daran erinnert, daß ich nachfragen sollte, ob, wenn ich dann an Bord bin, ich die Kombüse mitbenutzen darf. Jeden Tag essen zu gehen, würde a bisserl teuer auf Dauer und wär eine unnötige Ausgabe, zumal wenn einer so gerne kocht wie ich und besser meist, als man’s im Restaurant kriegt.

Meine Brotbäckerei liegt derweil brach. Ach, mein armer Lievito madre! Ich werde sogleich nach meiner Rückkehr, am Sonnabend – bevor es am Montag schon wieder nach Catania geht -, die Mutterhefe pflegen.
Nach München muß ich auch noch, unbedingt. Moment… richtig, 12. und 13. (vorher, am 11., Lesung in Hannover); ich konnt es anderswo nirgends mehr dazwischenquetschen. Düsseldorf war einfach zu gefährlich. Dennoch, dieses F e s t! Dieses Fest in der Villa Hügel… die aber selbstverständlich Essen ist, also nicht sie selbst, doch ist sie da gelegen. Wie auch immer, ich sag Ihnen, Freundin! Die Augen weit geschlossen. Über jeden Rücken läuft in feinen Bächen Wasser zwischen die Gesäßbacken, egal wo man steht. Deshalb tragen die Frauen – außer an den Füßen – nichts als lange Seidenschals und die Männer selbst da nichts – was die Wahl der Geladenen ein wenig kompliziert gemacht hat, schließlich sollte Ästhetik gewahrt sein. Wer also etwas anhaben wollte, mußte auf die Empore und dort auch bleiben.
Selbstverständlich gab es Ärger deshalb, sogar ziemlich. Doch will ich die Geschichte jetzt wirklich nicht schon vorerzählen. Außerdem hat ihn die Contessa bravourös vom Tisch gemeistert; nachher sind alle glücklich gewesen, sogar die ab 120 Kilo, von denen ich stark an Phyllis Kiehls >>>> Fettberg erinnert wurde. Es liefen auch wirklich paar Ärzte herum, die allerdings schon deshalb störten, weil sie sogar Tanzenden dauernd ihre Blutdruckmanschetten anlegten – annötigten muß ich hier schreiben. Das führte zu neuem Tumult, und abermals mediatierte die Contessa ihn weg.
Man kann sagen, sie hatte reichlich zu tun. Wenn sie sich mal setzen konnte, ging Lundgrenegger auf seine Viere, damit sie ihre wehen Füße auf seinen Rücken legen konnte. (Daß sie bekleidet blieb, muß nicht erwähnt sein. Gewissermaßen drehte sie der Kaisers neue Kleider um: die anderen sind nackt.)

Bevor ich mich jetzt endgültig verplaudere, Freundin, und wenn ich dieses Journal noch vor meiner Ankunft einstellen will, muß ich nun schließen.

Und tu es.

Erst einmal.

P.S.: Das heutige DTs finden Sie >>>> dort

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