Nach Marburg h i n. Das Arbeitsjournal des Freitags, dem 11. November 2016.


[IC2279, Hannover-Marbach
10.04 Uhr]

Um kurz vor fünf auf, Latte macchiato vorm Computerblick und noch mal über die begonnene Familienchronologie nachgedacht, die im Contessaroman ein Rückgrat ist, den man aber nicht sieht, Um so genauer muß hier gearbeitet sein.
Wobei mich heute früh, bereits im ICE nach Hannover, ein sanfter Rückpfiff erreichte: Die Sätze seien in den letzten Kapiteln zu komplex geworden; müsse man sie zweimal lesen, bevor man sie verstehe, handle es sich mitnichten mehr um einen Poolroman.
Mir war das in den letzten Tagen auch schon aufgefallen, wie sich mein altes Stil-Ich erhob und sich mir selbst wieder unterschieben wollte; aber ich war mir nicht sicher. Insofern bin ich sehr froh über den Hinweis, auch wenn ich jetzt einige Formulierungen, an denen ich hänge, werde aufgeben müssen. Letztlich ist Simplifizierung die für ein Buch mit Bestsellerabsicht völlig legitime und wohl auch nötige Forderung. Auch wenn es Ausnahmen gibt, um etwa wieder einmal an >>>> Horst Sterns grandiosen Friedrichroman zu erinnern, der ja nun Bestseller wurde – zu wahrscheinlich seiner eigenen Überraschung.
Also noch einmal zurück; ich bat die Contessa, mir noch zu sagen, ab wann ihr die Stiländerung aufgefallen sei. Ich werde erst einmal versuchen, das Problem zu beheben, indem ich einfach die Sätze kürze. Damit wird ihre Eleganz fallen – allerdings eine, die ohnedies nicht mehr viele Menschen verstehen, ja Eleganz ist an sich kein Stilbegriff mehr. Sie beschränkt sich unterdessen auf Mode und allenfalls noch Autos, bzw. Fahrzeuge allgemein, etwa Boote, Flugzeuge usw. Auch Kinderwagen können unterdessen elegant sein. Nicht mehr hingegen Sprache.
Es ist tatsächlich wichtig für mich, es bewußt zu haben, daß ich kein Buch in den Kriterien der Kunst schreibe, sondern eines zu schnellem Gebrauch und Konsum. Da nimmt der Genauigkeit des Handwerks nichts. Aber vielleicht ist es überdies recht gut, erst im elaborierten Code zu schreiben – oder immer wieder verführt zu sein, es zu tun -, um ihn dann aufs Restringierte herunterzubrechen; besser, als von vorneherein simpel zu schreiben. Denn die Komplexheit der Hintergründe bleibt dann womöglich erhalten oder schwingt zumindest weiter mit.
Insofern bin ich alles andere als unzufrieden.

Nun aber erst einmal >>>> Marburg. Um kurz nach zwölf werde ich vom Bahnhof von einer jungen Dame gleich dopepelt jüdischen Namens abgeholt und zur Uni gebracht werden; nach dem Namen, weil er hoch literarisch klingt, werde ich selbstverständlich fragen. Th. Mann hätte ihn einer Person gegeben, deren >>>> Urbild https://www.telemedicus.info/urteile/Kunstfreiheit er verehrt. So täte auch ich es. Nun halt ist vergeben; die Wirklichkeit kam uns zuvor. Das ist schon mal was, denn meist ist’s umgekehrt. (: Soviel zum alten Irrtum über die Kunst als Mimesis).

Auch bekam ich heute früh auf >>>> die Béart wieder Lust.

(Administrativer Großkampftag gestern: wahnsinnig viele Erledigungen, die lästig würden, schöb man sie weiter hinaus. Aber die schöne und ruhige Konzentration des Arbeitens im Süden ist dahin. Nostrum mare, unser Meer, ward das Mittelmeer genannt. Ich brauche da auf jeden Fall eine Bleibe, auch mal für längere Zeit. Das nordostdeutsche Klima ist im Endherbst schockierend, zumal es in den vergangenen Jahren unverändert bis zum April November blieb, abgesehen von den paar wenigen Tagen, an denen hell mal der Schnee fiel.)



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