III, 249 – Tanzende Lampen

Die Zahnrädchen sind mit der Grippe etwas aus dem Takt gekommen. Verspätete Abgaben, die wiederum andere Abgaben verzögern. Ich mach’ den Stoiker und hör’ nach zwölf Stunden auf. Nicht so sehr “nach mir die Sintflut”, als vielmehr “allen Anderen die Sintflut, nur mir nicht”. Aber bitte ohne Getier.
Eine Fliege läßt man sich gefallen, sofern sie so gewitzt ist, einem kurz vor der Umarmung mit ihr zu entwischen. Immerhin erscheint solch ein Fliegenkörper in der Annäherung durchaus größer, als wenn er mal kurz in den Weiten der Wohnung durch sein ungezieltes Umherfliegen nur mal eben kurz den gerade mal nicht konzentrierten Blick auf sich zieht.
Aber heute und wahrscheinlich auch gestern war die Fliege nicht mehr da, für die der neuliche Besuch die Patenschaft übernommen. Und bei dem eisigen Wind draußen mit seinen zum Teil heulenden Geräuschen werden wohl kaum neue Fliegen geboren werden. Fruchtfliegen sind unangenehmer, sonst könnte ich auf dem Tisch ein paar Früchte vor sich hinfaulen lassen (an meiner Statt, zumindest in Ansehung der Verbwurzel ‘faul’ als Eigenschaftswort betrachtet).
Denn die kommen immer so schwarmweise. Wie heute die Erdbebenserie. Gegen halb elf fing’s wieder mal an zu knarzen und am Fußboden zu rucken. Dann hinunter zur Apotheke, kopfvermützt und fast schon waghalsig. Kaum betreten, zeigten sich die Gesichter der Apothekerinnen (hm, Apotheker sind mir hier noch gar nicht begegnet…) alarmiert, aber nicht wegen meiner, sondern weil’s wieder mal oszilliert hatte. Die Lampen überm Thresen tanzten hin und her. Einer Kundin bereitete es Schwindelgefühle, sie wollte schon rausgehen auf die Straße. Kriegte sich auch nicht mehr wirklich ein, sah sich hilfesuchend und lächelnd auch nach mir um, während sie immer wieder wiederholte, was ihr geschehen war, nämlich der Schwindel, den ihr das Oszillieren bereitet. Ein alter Herr betrat die Apotheke und erkundigte sich nach der Wahrhaftigkeit seiner Empfindung.
Unterwegs auf dem Rückweg muß noch ein Stoß spürbar gewesen sein, jedenfalls beschrieb ihn mir N. im Pianeta Verde. Halb drei dann noch einmal.
Alles etwas weiter südlich als im letzten Jahr, hauptsächlich in der Provinz L’Aquila in den Abruzzen. Wo’s auch noch kräftig schneit.
(:’Das Unglück sei von diesem Haus so fern, wie der Morgenstern vom Abendstern’, sollte der Zimmermann, beim ‘Richtspruch’, unserm Heim angewünscht haben;(“ :’fluchter Idijot !” hatte mein Großenkel, jedesmal wenn er’s erzählte, hinzugefügt). Arno Schmidt, Die Schule der Atheisten (er hat mal wieder Geburtstag, und außerdem gibt’s darin einen Apotheker).

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