III, 272 – Er verzettelt sich auch ohne Zettel

Drei Kreuze die Unterschrift des Analphabeten, aber hier nur zwei Pappen mit jeweils oben einem Andreaskreuz, wie man es nennt. Es fehlt das dritte Kreuz, um auch nur irgendetwas zu unterschreiben und einzugehen (immerhin gelingt es mir, in einem Doppelsinn mich zu bewegen, ohne deshalb Lust zu haben, die ständig sich aneinander reihenden Infinitive zu verlassen: aber sei’s:). Die fertige Suppe trägt meine Unterschrift: schälen, schnippeln, rühren, streuen. sminzo verdurame…, B.L.
Kreuze waren nicht notwendig. Der Pakt wird dann mit dem Magen abzuschließen sein.
Am Wein dazu würde es mir, wollt’ ich pantagruelisch bzw. gargantuisch sein, nicht mangeln. Ninno heute beidarmig mit je einer Dama bewehrt. Er fahre in die Berge zum Skifahren. Und sei nächste Woche nicht hier. ‘Settimana bianca’, wie man das hier nennt, die weiße Woche, der kurze Skiurlaub. Auch wenn ich immer weniger von einer solchen Praxis reden höre. Früher in Rom war das gang und gäbe, irgendjemand fuhr immer. Er, irgendwo in den Bergen an der Grenze zwischen den Provinzen Brescia und Trient. “Buona Polenta!” wünschte ich ihm. Und riet ihm, mal den Teroldego zu probieren, einen Rotwein aus dem Trentino.
Weiße Blüten schon, auch vor der Einfahrt zum Krankenhaus. Die Mimosen eh’ schon knallegelb. Es nähert sich der achte März. Der Tag der Frauen. Wozu ruft mein Bioladen auf?: natürlich zu einer Demo am Tag der Frauen. Von unten herauf bis vors Rathaus. Empfang der Bürgermeisterin. Ich werd’ nur kurz aus dem Fenster lugen.
Damals (‘wenn der Senator erzählt’ – Degenhardt) in Rom kamen alle Außerirdischen (also Muslims, Polacken, Pakistani usw., irgendwie alles dasselbe) aus ihren Kaschemmen, plünderten die Mimosenbäume und boten Mimosensträußchen feil. Gut, daß meine damalige Frau den Frauentag ebenso als abscheulich empfand wie ich.
Eigentlich wollte ich das Stichwort ‘Krankenhaus’ aufgreifen, aber es ist nicht leicht, nicht abzuschweifen. Und zu Eckenpenn zurückzukehren, um mich dann vielleicht hier, allerdings nicht im Buch von ihm zu verabschieden (ich weiß auch nicht, ob es etwas zu verraten gibt, mir fehlen noch mehr als hundert Seiten, aber die will ich dann für mich behalten (vielleicht)).
September nunmehr, der August nach der mißlungenen Stadtflucht vergeht in Gesprächen mit dem Mephistopheles der Geschichte, einem Fox Arnolfini, der mal Musike macht, mal Flugblätter für die Rechtsradikalen, mal für die Linksradikalen verteilt, jeweils ‘ne Mark Verdienst, mal sein Geld als Clown verdient, neben ihm das kluge Schwein Martha. Hinken tut er auch. Eckenpenns Gedanken kreisen weiterhin um den Untertitel des Romans: “Ein Buch vom Sterben der Seele”.
Im September die rote Fassade eines Krankenhauses in der Nähe seiner Schlafstelle (ein Ort, an dem sich nur schlafenshalber aufhalten darf, am Tage hat man abwesend zu sein), immerhin noch vom Grün der Büsche und Bäume gerahmt, ein Ort, in den er sich hineinprojiziert als einen, an dem man erlischt unter Leuten, mit denen man nicht hätte zusammenleben wollen. (Mich beschleicht zuweilen eine ähnliche Furcht).
Jemand wird auf das nahe Gelände geschoben in einem “Liegestuhl”, es ist die NÄHErin.
”Ich sehe Sie endlich noch einmal”, flüsterte sie scharf.
“Bin ich daran schuld?” fragte der Buchtrödler.
“Nein… Ich hätte Ihre Gedichte oder etwas anderes, ähnliches, zehn – fünf Jahre eher lesen sollen. Nun war es zu spät. Ich habe erst um elf Uhr, in der Stunde vor Mitternacht, es gemerkt, daß man nicht bloß zum Pflegen und Nähen da ist, zum Umschlägemachen, Tropfengeben, Gekeife Anhören und Nähen. Maschine treten… Maschine treten…



Und dann die Stellen zuweilen, bei denen ich unwillkürlich dachte: Döblin.
Alle anderen Zettel sind verarbeitet. Bis auf diesen:

[…]
eins blickt immer zuerst
in ein ganz anderes blau

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