III, 299 – Erythropenie

Scheinbar bin ich nicht mehr fähig, rot zu werden. Denn seit ich im letzten Jahr in Utschland unterwegs war, war es unmöglich, mich mit meinem Reserve-Laptop, den ich auf der Reise dabei hatte, mit dem Internet zu verbinden. Die Verbindung war deaktiviert und ließ sich nicht aktivieren, egal, was ich versuchte. Und wie die Zeiten hier und bei mir nun mal sind (die Rede ist von Zeiträumen, die Monate dauern können), entschloß ich mich gestern, in der nachmittäglichen Hitze, die abermals durch den Wind erträglich gemacht wurde, abgesehen von dem einem Staubkörnchen im Auge, den Computerladen jenseits der öffentlichen Grünanlage vor dem Tor aufzusuchen.
Nach einer telefonischen Fachsimpelei des dortigen Experten (ein Gehilfe stand zwar auch herum, fiel aber nur wegen seiner gestylten Haar- und Barttracht auf: langer schwarzer Bart und aufgescheiteltes Kurzhaar mit einem aufwärtsstrebenden Haarsegel) durfte ich meinen Laptop aufklappen. Nach zwei Sekunden kippte der Experte einen Schalter auf der Vorderseite zu der Seite, die die WiFi-Verbindung freigab.
Er versprach mir, es niemandem zu sagen. Und ich bat ihn auch noch extra darum, es nicht zu tun.
So kam ich gestern immerhin auf über fünftausend Schritte und auf ein Eis, das erste in diesem Jahr, in der neuen dunklen Terence-Hill-Eisdiele Girotti. Das kleinste wollt’ ich (zwei Euro) und kriegte doch so ein Riesending von Pistacchio-Eis, das überhaupt nicht grün aussah, sondern eher ins Braune spielte.
Eine Entgegenkommende lächelte mein Lecken an, ich lächelte leckend zurück. Aber es war weniger lasziv, als es klingt. Es war schlicht und ergreifend nett. Wahrscheinlich dies mein Gesicht mit dem weißen Bart und dem mittlerweile etwas länger wallenden Haar im Wind, ein gewisses Laissez-faire. Manchmal mag ich mich.
Im Grunde war’s doch zuviel. Aber ich zwang es dann doch in mich hinein.
Spät am Abend zwitscherten jungen Menschen vor dem Hofeingang, hatten sich dort einfach niedergelassen, während die große Bärin ihre geometrische Figur bereits ausbreitete und dadurch nicht unähnlich wurde dem begegneten Lächeln, in dem immer eine unentgeltliche Gabe liegt. Und oben auf dem Gebäude gegenüber eine provisorische Bedachung (der Wäscheplatz, nach den Geräuschen zu urteilen, die tagsüber von dort herabklingen) in einem schrägen Lichtstrahl mich wieder an “Fotografieren!” denken ließ, da sie ein helles Dreieck vor der allgemeinen Dunkelheit bildete.
Heute den >>>> “Untergeher” von Bernhard ausgelesen. Ungeachtet der sich immer wiederholenden Redefiguren mag vielleicht dies eine Art (Kunst? in anderen Sprachen bedeutet es das) der Fuge sein, die vor sich hin flieht, um sich am Ende zu einem Gesamtakkord zu vereinigen, in diesem Fall mithilfe des Gehilfen Franz, der im Schlußbericht die entwickelten Fugen mit den Ziegelsteinen füllt, zwischen denen Bernhard seine Fugen entwickelt “gehabt hat”.
Sein Erzählen führt trotz all der Negierungen von allem Möglichen zu dem Schluß, daß er einer Schlüssigkeit nie wirklich aus dem Wege geht, so sehr er es dem Leser über lange Seiten hinweg verwehrt, der sich fast zum Selbstmörder gestempelt sieht.
Merkwürdig, seit drei Tagen keine Arbeitsanfragen. Morgen die Ablieferung eines Handelskammerauszugs einer Pleitefirma, dann schimmert…

wie die sind
hin die tag’
insekten
froh taumelnd
ins ferne

ins schimmer-
dort hinten
das -licht weil
tag nicht mehr

ist

es ist wie’s
immer noch
mit unter-
thänigkeit

ist

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