Als Hutträger

fiel mir auf, daß Hüte im Sommer zu tragen, nichts anderes als ein Zeichen masochistischer, nämlich insofern leerer Eitelkeit ist, als sie ihre Träger quälen. Sie schwitzen darunter, ohne daß der Schweiß aufgefangen würde – und wenn er es wird, verunschönt er das Material: hinterläßt Flecken auf dem Hutband, die nach dem Trocknen aussehn wie von Salz, das sich zudem nur schwer oder gar nie mehr ausbürsten läßt. Der Schweiß, wenn noch naß, staut sich zwischen Haut und Hut, bildet dort schließlich kleine Kanäle, durch die bei lockerem Aufliegen Tropfen auf Gesicht, Nacken und Schultern fallen. Die Haut selbst tut sich zu atmen schwer, und es wird drinnen wärmer noch als draußen. Sitzt der Hut aber fest, staut sich die Nässe, und es wird erst recht unangenehm.
All dies nur, um zu gefallen oder Eindruck zu machen, sei es sich selbst, sei es den anderen. Um vorzugeben, daß man(n) wer sei. Wenn dies stimmt, und man ist es, kommt mir die leichte Qual ganz unnötig vor; ist man(n) es nicht, dann unsicher und schwächlich – wovon abermals der Hut ablenken soll.
Mag sein, daß Strohhüte neben dem Vorschein, den ihre Eleganz vermittelt, tatsächlich die gute Funktion erfüllen, die Kopfhaut vor zu starker Sonneneinstrahlung zu schützen; daß es darum aber wirklich geht, bezweifle ich aus Erfahrung. Denn das Problem mit einem Schweiß, der nicht kultiviert abgeführt wird, stellt sich auch unter Strohhüten ein – eine Erfahrung, die ich gerade erst auf der toscanischen Insel gemacht habe.
Nun wußte ich alldies längst, aber mochte es mir nicht zugeben. Gestern abend indes wurde mir diese Erfahrung unangenehm. Ich sah, im Garten des Literaturhauses Fasananstraße sitzend, solchen Hutträgern immer wieder zu. Meist waren es Männer aufwärts fünfzig. Ihre hellen Hüte leuchteten, mehr indessen nicht. Zumal ist in unseren Breiten, besonders solch nassen Sommern wie diesem, ein Schutz vor Sonne ganz obsolet. Bei jüngeren Männern allerdings bin ich geneigt, bei solchen unter Dreißig, den eitlen Masochismus nicht mit Scham, sondern mit zärtlicher Ironie zu betrachten, da ich wieder den auffahrenden Jüngling in ihnen erkenne, der ich selbst einst gewesen.
Etwas anderes übrigens ist es mit Tüchern oder Handtüchern, die um den Kopf geschlungen. Hier geht Eitelkeit mit Funktion ineins: Die Funktion lächelt sozusagen, sie verbindet Botschaft mit der objektiven Erleichterung, um derentwillen die Ausstaffierung erfolgt ist. Also drängt sich das Eitle nicht auf, sondern ist, was es sein sollte: Spiel.

8 thoughts on “Als Hutträger

  1. Kleine Männer (meine Güte, was für eine umständliche Registrierung!)

    Na egal, ich wollte zu den Hutüberlegungen lediglich anmerken, dass diese ganze verschwitzte Geschichte zwar stimmt, dass das aber ja den wahren Grund, warum Männer Hüte tragen, gar nicht berührt.

    Männer tragen Hüte, weil Hüte KLEINE Männer GRÖSSER aussehen lassen.

    Und gehts darum nicht immer? (also bei kleinen Männern).

    Beste Grüße, sagt Jarousski

    1. @Jarousski So einfach wiederum ist es nicht immer. (Sie könnten übrigens dasselbe über Frauen sagen, die Hüte tragen, scheuen das wohlweislich aber.)
      Im Winter und im Herbst (und in Berlin auch noch weit in den Frühling hinein) sind Männerhüte nicht nur ein besonders schönes Kleidungsstück, sondern haben zugleich einen tatsächlichen Zweck. Es gibt, nebenbei bemerkt, auch durchaus in beiderlei Sinn große Männer, die Hüte getragen haben und tragen. Mir ging es um den eitlen Unsinn, sie bei hohen Temperaturen zu tragen. Bei Regen freilich sind sie auch dann sinnvoll; es gibt Leute wie mich, die keine Schirme mögen, vor allem nicht, wenn es auch noch stürmt. Allerdings dreht der Unfug wieder Pirouetten, wenn bei Regen helle, gar weiße Hüte getragen werden.
      Meine eher Beobachtung als Überlegung richtet sich auf keinen Fall gegen Eleganz, die ja dazu da ist, Haltung auszudrücken.

      Tut mir leid wegen der umständlichen Anmeldung. ber gut, daß Sie sich dem Prozeß unterzogen haben. Man kann hier ja auch anonym kommentieren. Nur ist dann der Name nicht geschützt.

  2. Nochmal Hut Ich war über Ihre twitter-Meldung hier aufgeschlagen – und die Anmeldung ist nicht wirklich schlimm.

    Meine Anmerkung war rein auf Erfahrung gegründet. Kurz, ich sehe es halt immer so, wenn ich Hutträger sehe. Selbst habe ich auch 5 Hüte, die ich aber nie trage.

  3. Hach Hüte … ein weites Feld, wenn man über die Zweckmäßigkeit hinaus geht. Einen Hut als Überhöhung seiner selbst, ist sicher die gängigste Deutung. Ich sehe das jedoch etwas anders bzw. deute das anders. Wenn man einen Hut (eine Mütze oder so ist ein vollkommen anderes Thema) so deutet, was auch vielmals zutrifft, so meine ich, dass es eigentlich ein Symbol der Unterordnung ist, da man über sich, über seinem Haupt, etwas anderes zulässt. Also sozusagen ein schnödes Ding, was über dem thront, was man intellektuell allgemein hin als Höchstes einstuft.

    Off Topic möchte ich hier noch hierauf hinweisen.

    1. @C.Araxe 1) Off topic: Ich habe bei Ihnen >>>> soeben reagiert. Dschungel-Leser:innen werden bemerkt haben, daß ich mich in den letzten Monaten hier ausgesprochen zurückgehalten habe. Das hat mehrere Gründe, die ich momentan nicht nennen mag; der Tag wird aber werden, an dem sie zur Sprache kommen. Mit twoday selbst haben sie nichts zu tun.

      2) Die Bemerkung zur Unterordnung hat etwas. Allerdings ließen sich auch Analogien zur Krone ziehen: da wäre dann, fein hegelsch, die Unterordnung zugleich (Selbst)erhöhung – was schon rein physisch stimmt. “Rein” “ur”sprünglich sind Hüte wohl Schutzbedeckungen gewesen und dann den Weg aller Mode gegangen: Die Schutzhülle, als welche Kleidung diente (und auch weiter dient), hat sich metaphorisch angereichert und bestimmt sie schließlich. Interessant, was ich gerade bei Huxley in Herlitschkas sprachlich bisweilen etwas seltsamer Übersetzung las (Point Counter Point, 1928): daß es nämlich eine bald normgewordene Erfindung der noch heute wirkenden >>>> Schneider der Savile Row war, braune Schuhe nicht mehr zu schwarzen Anzügen tragen zu dürfen: Dieses zu tun wurde modisch mit einer internalisierten Scham besetzt, die sogar Klassenunterschiede regulierte.

    1. @Cellofreund Viel auf Reisen gewesen. An dem Roman der Contessa gearbeitet. Die eigene Arbeit ruhte, nein schlief. Hier und dort mal paar tastende Verse geschrieben, um den Kontakt vorsichtig wieder zu suchen. Ihn aber nicht wirklich gefunden. Erst gestern bekam ich ihn zunmindest wieder in den Blick. Es war eine (innere) Notsituation. Auskühlen, dann sich fragen: Worauf kommt es an, und was ist zu tun? Und es dann tun.

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