Doch noch nicht fertig, dennoch nicht steckengeblieben. Die Finalarbeit der Briefe nach Triest im Arbeitsjournal des Dienstags, den 7. März 2023. Bei, auf Dächern, einem Flaum von Schnee.

Der aber fast schon wieder geschmolzen.
Und abgeflacht der Rauch flattert aus den Schloten.

[Arbeitswohnung, 8.23 Uhr
Mahler, Zweite Sinfonie, CSO und Solti (1981]
Es ist, Freundin, mühsam, aber nicht langweilig geworden, auch wenn sich grad der Schreibrausch nicht einstellt, einstellen kann. Zu viel ist jetzt parallel und dennoch aufeinander hin zu führen, da k ö n n e n die Finger nicht rasen. Bis knapp 23 Uhr saß ich, seit morgens um sieben, am → Triestfinale; es ist ja, nun, zwar nicht komplett neu, aber doch sehr auffällig, daß ich nun oft bis weit über den späten Abend hinaus arbeite; normalerweise brauche ich Tageslicht. Jetzt ist das egal, jetzt geht es nur noch um einen angemessensten Schluß dieses unangemessenen Buches — oder, wie ich meiner Lektorin gestern noch schrieb:

Ja, “insgesamt” hat eine Verschiebung stattgefunden, als ich zwar nach Lektüren der Morgenpresse (NZZ, DIE ZEIT, Tagesspiegel, Morgenpost, seltner auch der Freitag) immer sofort an den Roman gehe und wenigstens die vortags “geschafften” Seiten lese, sie hier und dort korrigiere, manches auch streiche und durch anderes ersetze, – aber damit, tatsächlich Neues zu schreiben, geht es in den vergangenen Tagen eigentlich erst nachmittags los; bis zur Mittagsruhe sitze ich – in einer Mischung aus Denkmaschine, Netzrecherche und Wortfindungsstörung gehemmt fantasierend (was, wenn es gut geht, unversehens Meditation wird) – meist nur auf den Text starrend da und guck auch dauernd nach, ob ich Nachrichten habe, Email, Facebook, Instagram — ein Denken mehr schweifend als ein konzentriertes; aber das entspricht genau den ineinander verschlauchten Wegen des Buches. Möglicherweise hat diese, ich nenn’s mal fälschlich “Technik”… hat sie mit den Neuen Medien zu tun, ein sozusagen schaffenspraktischer sozusagen Spiegel digitaler Vorgänge. Wobei ich seinerzeit ins Internet gegangen bin, weil es etwas realisierte, das in meinen vorherigen Büchern nicht nur ästhetisch vorgedacht, sondern auch schon – so weit denn möglich – konstruiert worden war. Es ist meine Arbeitsweise also nicht nur aus dem neumedialen Einfluß entstanden, sondern dieser konnte nur deshalb so groß werden und also auch den Schaffenprozeß bestimmen oder wesentlich doch mitbestimmen, weil er sich, wenn auch vielleicht als Nuklus nur, bereits in dem sehr jungen ANH ausgebildet hatte, der damals noch nur Ribbentrop hieß. (Ebenfalls neuerdings versuche ich manchmal, mich in ihn zurückzuversetzen. Was aber nicht gelingt oder nur sehr, sehr bröckelig. Könnte ich auch ihn bereits als ANH sehen, es wäre wahrscheinlich nicht so schwer.)
Wie auch immer, etwa ab vier geht es dann plötzlich los, und aus dem zuvor nur hier und dort mal ein Wort, werden zugweis und schon auch zügig geschriebene Sätze. Drei Seiten schaffe ich pro Tag, seltener vier, die ich aber wieder und wieder – noch während ich die nächsten erfinde – durchsehe, um an ihnen zu feilen.

Um Vers, Bild, Rhythmus und Reim hat man sich redlich zu bemühen — das begreift auch der Deutsche und ist nicht geneigt, der Stegreif-Dichtung einen besonders hohen Wert zuzumessen. Aber an einer Seite Prosa wie an einer Bildsäule arbeiten? — es ist ihm, also ob man ihm etwas aus dem Fabelland vorerzählte.
Nietzsche, Menschliches Allzumenschliches, II,95

Kurz jedenfalls, bevor ich gestern den Laptop dann wirklich zugeklappt habe, fiel mir eine Erzählwende ein, die das leitende Wasser/Weihwasser/Regen-Motiv auch kurz vor Schluß noch einmal hineinnehmen läßt und dadurch die nötige Formklammer als solche überhaupt erst vollendet. Vorher war mir mein Text noch erstens zu diffus, schlimmer aber, auch zu flach vorgekommen. Nur daß es jetzt einigermaßen lästig ist, daß ich mal wieder einen Speichelstein habe, rechter Kiefer direkt unterm Ohr, der mir zu essen echt erschwert. (Solch ein Steinchen verstopft den Abfluß des von der Speicheldrüse produzierten Speichels, der sich also staut und zu einer ziemlichen Schwellung führt, die dann halt tut, was eine Schwellung tun gerne mag; denken Sie’s, Freundin, sich selbst). — Bislang sind diese Dinger immer von selbst abgegangen, die Stelle vorsichtig zu massieren, kann helfen: Mit etwas Glück läßt sich das Steinchen sogar in die Mundhöhle drücken und dann einfach ausspucken. So weit, leider, ist es aber heute noch nicht. So daß ich die Nahrungsaufnahme n o c h mehr über den Tag verteilen, die jeweils “Dosis” n o c h verringern muß, was dann n o c h mehr einzelne Essenspausen bedeutet — etwas, auf das ich meiner Arbeit wegen überhaupt keine Lust hab. Sondern es nervt. Ich will mich nicht ablenken lassen; das hat durchaus was von Sucht. Immerhin habe ich trotz dieses blöden, ich sag mal,  Futterkonflikts nicht abgenommen, sogar ein wenig zugelegt; bei fast 72 kg bin ich wieder. Und den Termin → zur Untersuchung der Beinarterie hab ich auch bekommen. Gestern waren die Beschwerden aber sehr viel weniger spürbar als die Tage zuvor. Vielleicht, wenn auch unwahrscheinlich, legt sich’s auch von selbst. Zu altern ist jedenfalls kein Foxtrott, um vom Wiener Gewalzer zu schweigen; immer wieder meldet sich irgendeine, um es technisch auszudrücken, Materialerschöpfung und schnippt ganz aufgeregt mit den Fingern. Vor allem, wenn man so exzessiv wie bisher ich gelebt hat, und lebe so auch weiter, soferne es denn möglich. Dazu dann etwas bittre Sätze auch, wenngleich in ihrer Klarheit hell und deshalb dennoch zuversichtlich:

Wann, übrigens, hatte er das letzte Mal mit einer Frau geschlafen? Es war schon Jahre her. Die letzte war … war … War er denn nicht verschrien gewesen als ein, wie man heutzutage sagt, da Frauen klugerweise Schürzen kaum noch tragen, Womanizer, und beinahe vierzig Jahre lang?
Erste Fassung, F TS 478

Die beiden direkt folgenden Sätze verschweige ich, schon weil’s jetzt Zeit für die Rasur ist.

Endspurtsmodus:

ANH

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Poetologie

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