Hymnos B (1. Entwurf des Anfangs).


Jede denkbare Bausünde hier aus der Not und einer Geschmacklosigkeit die von Gier rührt/
jede Schönheit der Architekturen Gebäude aus Sandluft geblasen/
Kanäle Hausboote: schwimmende Datschen Wagenburgen verzauberte Seen /
das Verb ist ein Wunder der Schmock und der Schmick der Ausländerdrang/
verhütet den Inzest schützt vor Beschütztheit Rattengift im Strandsand Wälder/
sind darangeschmiegt umfassen rauschend das Privileg des Raums:/
nirgends ist Platz wie ach! noch hier die Kieze die öd sind Geheimnis der Brachen/
geiles Wuchern sommers der Starre ach winters fersenhoch Eis/
noch eine Molle im Spatzenfrühling logiert und toscanisch/
als sich Inès in der Opernkantine zwischen den Beinen die Strumpfhose einriß und zerrte/
dem Mund unterm Tisch sich beidhändig auf/
oben war Tosca und unten Organ/
genäßte Erde unter Berlin schob der geschlagene Mann und wischte den Mund/
auf die Bühne zurück da ihn der Lautsprecher rief:/

weil der Abend fast aus war/
die Taxen standen in Reihen fallenden Regens bereit für den Pelz bis zum Knie/
reichten die Lachen morgens verdampfend über den Tag jenes Sommers/
in dem mir die Stadt die letzte Unschuld n a h m/
sie mußte jedes Verb ist ein Wunder nur zupfen im Winter/
nichts so verloren riecht es nach Pilzen im Herbst durch den Wedding/
Gleise führen ins Anhalter Nichts Morde die nie einer merkt: Hallen voll Kunst/
bäumen sich schäumen strunzdummen Bullen entgegen/
nicht ist so lüstern wie dein hitziges Grün das aus den Steinen herausrankt/
Vergewaltigungen verwandeln sich in Akte einer Verführung im glänzenden Harnisch/
ritterlichster Eroberung vergeblich auf TeufelKommRaus/
wird anreguliert doch die Reichen dürfen hier frei sein/
sind nicht in Hochsicherheitstrakte verschanzt wie die kleinen Verdiener/
leben sie weiteren Herzens als sonstwo/

wo sonst schmeckt das heimische Bier noch nach Nekrophilie?/
Rosa Luxemburg: wo? dein leichter haut goût unterm schwulrosa Alex/
morst der Turm zu den Engeln mit seinem Kreuz in die Sonne hinauf/
(…)


13 thoughts on “Hymnos B (1. Entwurf des Anfangs).

  1. Schön, bis auf dieses: “leben sie weiteren Herzens als sonstwo” paßt mir nicht.
    ‘als wo’ klänge mir besser.

    Und das gesperrte ‘n a h m’! (wir hatten das schon mal)! Wie gräßlich.

    Andere (Signifikantes heraus brüllend) für dumm zu halten, macht doch wirklich nicht klüger noch Spaß, sondern lediglich dümmer als die Herabgeschauten. Es rüttelt mich immer, wenn ich diese Ihre Schwäche lese, und ich denke: Ja! Jeder kapiert es doch, selbst der gemeine Germanist! Was also schreit er nur so?

    Aber ansonsten las ich es mit Vergnügen und hoffe auf Weiteres!

    1. @Sumuze zu den Sperrungen. Dann müßte es “als wo anders” heißen, was zu zu wenig schlaksig wäre, oder?

      Sperrungen schreien nicht, sondern betonen. Daß nicht typologisch nicht mehr gesperrt werden darf, ist eine jüngste Entwicklung des – ecco! – Designs, die sich mit der Ideologie von “Reinheit” verschulterschßt hat; das Argument, das man meistens, auch von Autoren hört, lautet langweiligerweise so: “Wenn man ein Wort sperrt, zeigt das, daß man nur schlecht formulieren kann.” Ich halte die Notation der Musik dagegen, auch ihre Phrasierungsanweisungen. Und zwar eben deshalb, weil Sperrungen keine Hervorhebungen sind wie die Kursivierung, also keinen semantischen Grund haben, sondern eben einen klanglichen. Von “laut herausbrüllen” müßte man, folgte man Ihnen, bei allen Partituren nach dem Barock sprechen, in dem es Vortragsvorschriften bekanntlich noch kaum gab. Dennoch haben Sie insoweit recht, als die wenigen Mittel, über die das geschriebene Wort als Phrasierungsanweisung verfügt – etwa: Punkt, Komma, Semikolon, Zeilenbruch, Gedankenstrich, Sperrung – Gehhilfen sind; es fehlen: Viertel-, halbe, ganze Pausen, Anweisungen für Crescendi und Decrescendi, die Vorzeichen b, Kreuz und #, ja selbst die Notenschlüssel fehlen, um die Tonlage festzulegen, in der ein Text zu lesen sei. Überhaupt wird der Klang eines literarischen Textes meist vergessen. Es geht mir also gar nicht um ein “Kapieren”, sondern um den Ton. (Um ihn wenigstens ungefähr zu bestimmen, eignet sich allerdings auch die Satzkonstruktion: In der Prosa baue ich Sätze gerne so, daß es nur eine bestimmte Art gibt, sie zu lesen; wird eine andere angewendet, wirken solche Sätze maniriert; findet man die richtige Art, klingen sie völlig natürlich.)

    2. @Berghain. Weil ich es t u: ich komponiere Texte. (Es gibt tatsächlich Fugen, Passacaglien, Variationen, Rhapsodien usw. Man merkt es, wenn man laut liest.)
      “Schriftgestellert” habe ich übrigens nie.

    3. herbst, hörn sie mal, sie könnten sich sumuzes kritik ruhig etwas annehmen. gezeichnete phrasierungen und sperrungen in gedichten sind grässlich und maniriert. warum? weil sprache etwas anderes ist als musik, so simpel ist die begründung. sprache ist keine musik. phrasierungen in notierter musik sind immer nur vorschläge, an die sich ein interpret halten kann oder nicht. gesperrte worte in gedichten sind und bleiben abgegangene phöten von bedeutungsschwangerschaften, die dann in der zeile herumliegen, weil sprache von hause aus immer schon bedeutungsschwanger ist, muss ein gedicht so organisiert sein, dass die worte nicht genötigt werden, ihre bedeutungskinder schon auf der straße zum Leser oder hörer hinausflutschen zu lassen. die sprache muss die chance haben, es mit ihrer bedeutung wenigstens noch bis zum Kreißsaal des jewieligen gehirns zu schaffen, dort erst darf sie die schenkel spreizen und ihre bedeutungskinder zur welt bringen.
      bei musik ist das etwas ganz anderes, musik darf notierungen als vorschlag anbringen, weil notierte musik sich nicht sofort an einen leser oder hörer wendet, sondern an eine hebamme, sprich denjenigen, der die musik spielt und so vermittel einem hörer oder sich selbst zu gehör bringt.
      warum sie zeilenumbrüche nochmal extra mit zäsurzeichen versehen, ist mir genauso schleierhaft wie grässlich.

    4. @Troll. Die “Hebamme” ist Ihr Kopf. Bei den Anweisungen für Instrumentalisten geht es n i c h t nur um technische Belange, sondern um den Sinn einer Notation, die dann eben das quasi-Semantische an der Musik ist.
      Der ganze Rest Ihres Textes ist gefärbter Unfug. Schon erstaunlich, wie dagegen gerne Sie meine Texte offenbar lesen. Kann ich übrigens verstehen: sie sind ja sehr gut.

    5. Wenn Sie so argumentieren, müssten Sie eigentlich entschieden etwas gegen Blocksatz haben – insofern Sie allem Geschriebenen einen prinzipiell künstlerischenStellenwert einräumten…
      Oder sie erstellten manuell über html einen individuellen Blocksatz…
      Ein Komma erzwingt übrigens eine Pause für meine Begriffe aber lässt auch Rückschlüsse auf eine Gezwungenheit des Verfassenden zu.

  2. Ich hielte “sind nicht in Hochsicherheitstrakte verschanzt wie die kleinen Verdiener/
    leben sie weiteren Herzens als wo/

    wo sonst schmeckt das heimische Bier noch nach Nekrophilie?/

    nicht für ‘zu wenig schlaksig’, im Gegenteil. Was für mich eine Frage des Klangs ist. Auch meine Abneigung gegen das G e s p e r r t e ist eher klanglich. Klang und Bedeutung sehe ich nicht als aufeinander orthogonale Dimensionen, wie es mir Ihre Sätze (etwa Klang- vs. Sinnleser) nahe legen. Ihre Begründung oben setzt sich allerdings auch nicht mit meinem Einwand (der in der Tat eher ein Aufjaulen beim Lesen Ihres Textes war, daher jetzt gerne meine nachträgliche Entschuldigung für die unsinnige Schärfe des daraus entstandenen Kommentars) auseinander, sondern mit denen irgendwelcher Leute, die ich nicht kenne.

    Dennoch habe ich sie mit Interesse gelesen. Ich bin musikalisch reine Laienhörerin, weswegen ich gerne aufschnappe, was andere Kluges dazu sagen. Eines aber stieß mir auf: “Sperrungen (sind, S.S.) keine Hervorhebungen …wie die Kursivierung, (haben, S.S.) also keinen semantischen Grund …, sondern eben einen klanglichen” schreiben sie da.

    Für mich hat Klang durchaus einen semantischen Gehalt. Ich entdecke natürlich nicht die Gebrauchsanweisung meiner Kaffeemühle via Klang, aber mein Verständnis, oder mein inneres Echo, eines Musikstückes verwendet Klang durchaus seiner Bedeutung (für Stimmung, Gefühl usw.) nach. Insofern halte ich die Bemerkung des Anonymus ‘Bullrichsalztroll’ (die seltsamen Namen der hier anonym auftauchenden Kommentatoren sind bestimmt ein Kapitel für sich, sammeln Sie die vielleicht?) bezüglich des Interpreten als Hebamme für gerechtfertigt. Mir sagen Noten und damit einhergehende Anweisungen nichts, ich höre mir die Musik an, spiele sie aber nicht.

    Für einen Text kann ich Ihre Trennung aber nicht recht einsehen. Ich betrachte Sperrungen immer sowohl als klangliche wie als semantische Angabe. (Denken Sie doch nur an die vielen Möglichkeiten, das kleine Wort Ja auszusprechen, die schätzungsweise drei Viertel der Paar-Kommunikation semantisch abdecken können.) Das zu trennen und nur die eine Seite für sich gelten zu lassen, wäre mir zu sehr gestisches Bemühen um Originalität um ihrer selbst willen, das von Sprache sogar eher weg nähme, nämlich vom Vermittelnden, indem es an sich Geteiltes einseitig definiert. Für mich zielt Sprache immer auf andere und muß sich daher stets auf das (natürlich nur angenommene, sicherlich auch zweifelhafte, brüchige, zeitlich bezogene usw.) Teilen von Mitteln, Formen und Bedeutungen usw. einlassen.

    1. wo, ach, krieg ich die metaphern her, die nicht gegriffen sind ab?

      So acht beim Schreiben ich tönernden Einfall Klanges gesenkt zum Satzende/
      mit Schrägstrich Achtung phrasier’ ich Zäsur hier mein fehlend Talent/
      s p e r r t das Berlin bausündig (lich) Dichter aus ihren Gemäuern/
      genitivisch durch meine zeilen eilend streunt, ja h e t z t, die metapher/
      damit gedicht verwechselt nicht wird mit gebüsch inmitten des sommers/
      strunzdumme bullen ihr polizisten so doof seid ihr wie undoof dagegen ich
      mutig schreib hin ich’s: genial wie ich bin, sag muschi sag strumpfhos’
      erotoscopisch der blick muss hinab untern rock, die laufmasche meiner Laibe
      und pilze der duft, ja pilzduft ist gut, das kommt erdig und sünnlich, die Molle
      ja, hab ich mir auch schon notiert, so sagt der Berliner, Molle hi hi, schreib also
      hin ich’s….und vielleicht fällt mir noch lustiges ein….

    2. “die laufmasche meiner Laibe”. Tja, Miss Berlin, so isses bei Ihnen: Zuversichtliche Brote statt Brüsten. Ich empfehle Ihnen die Lektüre von Pound. Da lern’Se was.

      (Wissen Sie, mein(e) immergleiche(r) anonyme(r) Liebe(r), schön ist, wie sich alles immer d o c h durchsetzt und >>>> seine guten Leser findet – sogar >>> die hierorts ewig geschmähten Elegien. Was aber lehret Sie das? Nichts Immerhin können Sie sich im Herbst das Buch kaufen.)

    3. Wie Ihnen was “scheint”. Mag ich gar nicht bestreiten. Jeder, sogar ein Frollein, hat das Recht, sich zu irren. (Ich habe ein bißchen Pound übersetzt. Wenn Sie suchen, werden Sie finden.)

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