Die schöne Elisabeth Schneider. (Aus den Entwürfen, 1.)

(…)
“Was ist los?” fragte ich denn endlich.
Verwirrt lenkte er den Blick zur Seite; er war ganz matt, als wäre etwas Trübes in die normalerweise ausgesprochen harten Augen geraten.
“Das kann nicht sein”, sagte Manfred.
“Also komm schon, w a s kann nicht sein?”
“Erinnerst du dich an Betty?”
“Betty? – Momentan…”
“Elisabeth Schneider.”
Dämmerig kam mir eine Kommilitonin in den Kopf, mit der wir die ersten paar Semester studiert hatten; sie war dann aber nicht mehr zur Uni gekommen, mit Beginn des Sommersemesters vor anderthalb Jahren, wenn ich mich jetzt richtig erinnerte. Eine hochintelligente, in ihren Repliken wohl ein bißchen zu spitze, körperlich ziemlich unauffällige Frau; indessen machte ihr Ehrgeiz auf sich aufmerksam, zumal sie sich mit hoher Aggressivität in sämtliche gender-Diskussionen mischte, die sie zudem in unsere juristischen Seminare trug. Das hatte etwas ebenso Gequältes, wie es ausgesprochen lästig gewesen war. Insgesamt hatte Betty wie die Vertreterin längst erstrittener Frauenrechte gewirkt; ihre zotteligen Kleider hatten selbst dann noch eine Tendenz zum Violetten, waren sie knallegrün. Dazu dann sommers die unvermeidlichen dicken Sandalen und im Haar bunte Schnüre, die durch Holzperlen und, glaube ich, einigen esoterischen Billigschmuck gefädelt waren. Ebenso zottelige Tücher waren meist, auch wenn es sehr warm war, um ihren Hals geschlungen und über die Schultern geworfen.
Ich habe Betty nie in Begleitung gesehen, fällt mir noch ein, auch nicht in Begleitung anderer Frauen. Sie hatte bloß immer diesen Cipboard bei sich, vierfünf Blatt eingespannt, am Band einen Kuli, so schrieb sie mit; über der Schulter eine Art Jutesack, aber das setzt wahrscheinlich meine Fantasie jetzt hinzu.
“Und was i s t mit Betty?”
“Ich habe sie eben, glaube ich, gesehen.”
“Ja und?”
“Sie ist wunderschön.”
Ich hätte fast meinen Bissen über den Tisch gespuckt. Zum einen paßte eine solche Bemerkung absolut nicht zu meinem sonst so nüchternen, wenn nicht zynischen pragmatischen Freund, zum anderen war sie in sich selbst absurd.
(…)

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3 thoughts on “Die schöne Elisabeth Schneider. (Aus den Entwürfen, 1.)

  1. Bevor Sie den letzten Absatz hinzugefügt hatten, wollte ich schreiben:
    “Dem vorwarnenden Titel zum Trotz trifft der letzte Satz völlig unvorbereitet.”

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