Sin City.

[Gesehen am 2. September 2004, CINEMAXX Colosseo Berlin.]

Ästhetisierter Trash, manierierte harte Brutalitäten in Lack; die Sentimentalität ist gewienert wie ein Parkett. Groß dabei die selten genuin-mythischen (Amazone), meist trivialmythischen Charactere (Detektiv). Einmal wird in zwei voneinander unabhängigen Szenen mit verschiedenem Personal ein Erzählmotiv wiederholt (daß ein Kämpfer gegen die Attacken einer Herzinsuffizienz Tabletten nehmen muß und es vergißt, bzw. es nicht kann), und das ist genau eine Wiederholung zu viel, so daß das Motiv retardiert; allerdings ist das ein Umstand, die auf einen Ideenmangel verweist, nicht auf das ästhetische Handwerk und seine Umsetzung im Film. Die Brutalität ist eine Art Schmuck, der sich höchstwahrscheinlich als ein objektivierter psychischer Reflex auf den Schmutz von Gewalt verstehen läßt, ihn „veredeln“ und dadurch aushaltbar machen will. Hierin liegen Recht und Kraft eines filmischen Manierismus, die gegenwärtig und jedenfalls der deutschsprachigen Literatur nicht zugestanden werden. Wie in beinahe allen derjenigen gesellschaftlichen (das heißt eben besonders: technologischen) Umbruchzeiten, die ich überschaue, tritt im Film ein fast schneidend kalter Ästhetizismus ans Licht und wird auf durchaus moralische Weise ausgestellt: „Ein alter Mann stirbt, ein junges Mädchen bleibt am Leben; das ist gerecht“, sagt zweimal Bruce Willis, bevor er zum ersten, so glaubt man, erschossen wird und zum zweiten sich selber erschießt; und durch ihn sagt das Frank Miller, der Mitregisseur und Autor der gleichnamigen Comic-Serie. Erschossen werden heißt hier immer: zerlöchert werden, und das Blut spritzt wie Lack aus einer Tube, auf die jemand tritt. Den Geist dieses Lacks hat die Verfilmung auf harte, aber ungerechte Weise und sich daran erhebend in Bewegung gesetzt. Viele Szenen wirken wie nachkoloriertes Schwarzweiß und sollen so wirken: die roten Lippen der Frauen, das Rot des Chevrolets. Da ist ein bißchen Wenders’ Hammett, da ist sehr viel film noir, da ist ein bißchen Pakt der Wölfe, und auch an Warhol läßt es sich manchmal denken. Die Literarisierung zur Kunst aber scheitert. Dennoch ist es ein Film für Minderheiten, für eine bestimmte Sozialität von freaks, die man auch ‚Kenner’ nennen kann: Das Kino ist kaum zu einem Achtel gefüllt, in der zweiten Woche, freitags am Abend um acht. Auch Tarantino hat bei der Inszenierung mitgewirkt; man merkt’s. Da er nicht alleine war, bleiben Fragen von Interesse. Die insgesamt sehr kurze Trash-Bewegung ist deutlich verpufft und versucht sich nun an ihrer präziosen Kanonisierung. In einigen Momenten gelingt sie ihr auch. Bei diesen Szenen merke ich auf; diese Szenen wirken nach. Etwa dort, wo die ansonsten allein von dieser Ästhetik einer grell lackierten Brutalität zusammengehaltenen Episoden unversehens zusammengeführt sind und klar wird: Das ist eine einzige, als Allegorie gemeinte Stadt, die freilich in Gotham City ihr Vorbild hat. In den Stripschuppen von Old Town sitzen Menschen wie e i n geschundenes Volk, dem nur die wehrhaften Prostituierten-Amazonen, freilich gegen Bares, ein wenig Freiheit und Sehnsucht garantieren. Man erkennt einander aber nicht, jeder ist Monade. Geschieht ein liebevolles Erkennen allerdings doch, sind die Folgen immer der Schmerz und der Tod. Die Anti-Helden der drei erzählten Geschichten wissen das, sie wissen aber auch: Wir kommen ohnedies nicht hinaus. Und beginnen, den schlechten Zustand ihrer Welt als eine Form des Widerstands zu affirmieren. Das hat ein sowohl psychologisch als auch emphatisch wahres Moment.

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