Dichtung als Selbstzweck.

Dichtung genügt, wie die Psychoanalyse, sich selber; wie diese nicht heilt, aber erkennt, unterhält sie nicht, sondern versucht zu erfassen. Begriff kommt von Griff.

(CDXLXXIV).

[Ein schöner und wahrer Witz zur Psychoanalyse geht so:
„Ich hab gehört, dein Junge geht jetzt zur Therapie wegen seiner Bettnässerei. Hat das denn aufgehört?“ „Nein, aber er pinkelt jetzt g e r n e hinein.“]

48 thoughts on “Dichtung als Selbstzweck.

  1. Eine abgemildetere Variante: ‘Nein, aber es macht ihm nichts mehr aus!’ 🙂
    (Diese Version scheint mir das ‘Vermögen’ der Psychoanalyse eher zu kennzeichnen…)

    1. @ walhalladada. Da es in psychoanalytischen Strukturen immer um L u s t geht – bzw. um ihre moralische Variante in Form von Schuldakzeptanz ,- liegt, es macht ihm nichts mehr aus, n e b e n der Analyse. Wobei ich Ihrem Vermögen in Häkchen als jemand, der eine Analyse gemacht hat, widerspreche. Heilung, psychoanalytisch gesprochen, bedeutet, mit sich selber hernach gut leben zu können, weshalb dann auch die Symptome, derethalben man ursprünglich hinging (das L e i d, nicht das Verhalten), zumindest sehr gemindert werden. Die Gegenposition vertritt etwa ein verhaltenstherapeutisches Konzept: Die Leute werden zwar befähigt, wieder sozialfähig zu sein, das Leiden aber bleibt erhalten und wirkt latent weiter, bis es zu einem nächsten Ausbruch kommt. Das liegt daran, daß Verhaltenstherapien verdeckende Verfahren sind, während die Analyse die Symptome auf ihre Gründe hin öffnet. Sie ist eine Erkenntnisform, die sich nicht darum schert, ob das Ergebnis der Therapie Sozialfähigkeit wieder herstellt. Sie stellt eine Einheitlichkeit des Subjektes wieder her. Das kann dann durchaus gegen das Interesse der ökonomischen Gesellschaft gerichtet sein, die ja kein subjektives, sondern ein in meinethalben demokratischem Sinn objektives (ein “Bruttosoziales”) ist, unter Absehung vom Individuellen.

    2. manchmal denke ich, die psychoanalyse ist auch ein soziabeler trick, bloß ex negativo, und ich kenne keinen psychoanalytiker, der seine patienten ermutigt, in ihren psychosen tatenlos zu verharren.
      es ist ja gut, wenn man an die heilsame wirkung von irgendwas glaubt, denn placebo hat effekt, aber ich muss mich schon sehr wundern, dass jemand vom grunde der geschichten eines einheitlichen subjekts spricht, der doch für das komplette gegenteil mit den dschungeln einstehen möchte, nein?
      ich und mein selbstidentitätszweifel hatten ja noch nie was dagegen, wenn jemand ich sagen mag, und ich nicht auf der unbeglichenen rechnung der unsozialitäten sitzen lässt, denn es will ja meist doch wieder keiner gewesen sein, der von sich ich sagen wollte. dann denke ich, ich hat genug und möchte zahlen.

  2. @ ANH; greift… … denn diese analogie von dichtung und psychoanalyse wirklich? was Sie über dichtgung sagen, scheint mir plausibel: sie trägt ihren zweck in sich selbst, eben: ins werk gesetzt zu werden.

    wie steht es aber mit der jeweiligen “bewegung” von dichtung und ps.an.? nehmen wir einmal an, dichtung bewege sich so, daß nicht etwa der dichter bewußt, sondern etwas durch den dichter hindurch sich realisiere. dann gäbe es zwar eine konstellation von manifestem und verborgenem, wie sie auch ps.an.tische theorie voraussetzt, doch bewegt sich diese konstellation anders: eine analyse will veborgene strukturen aufdecken, will den grund bestimmten verhaltend benennen, begehren, traumatisier oder nicht, verschiebungsphänomene &c.
    umgekehrt dichtung: wer sie betreibt, will nicht wissen, nicht erfassen, aus welchem grund das kommt, was sich durch ihn hindurch schreibt; er will es nur, mit bestmöglichem handwerk, tun.

    die gegenstände der ps.an. können allenfalls als material eine rolle spielen, doch als solches sind sie schon nicht mehr zweck, sondern eben mittel der dichtung zum selbst-zweck.

  3. @Aikmaier & walhalladada Die Psychoanalyse als fantastischer Fundus ist sicher ein Steckenpferd der Dichtung, der Dichter das Steckenpferd des Quacksalbers, der Handwerksbegabte, das Steckenpferd des Marktes, grüße an Kafka!

    Für mich muss es heißen: “Nein, aber er pinkelt jetzt gerne hinein.”
    Laufenlassen, das wäre eigentlich konsequent, Druck nehmen, mal abgesehen davon dass dieses Organ durch Druck stimuliert wird.
    Inkontinenz, kommt doch von continere: enthalten, oder von continentia: Selbstbeherrschung, also etwas angewandte Verhaltenstherapien…

    1. Bringen wir den Unterschied doch auf den Punkt: Angewandte Verhaltenstherapie bedeutet, dass die Anpassung (negativ) nach Außen in einer Art Dressurakt einstudiert wird, mit dem Ziel, ein möglichst schmerzfreies und widerstandsloses Rädchen im sozialen Getriebe zu werden. Man weiß letztlich nicht um die Ketten, an denen man liegt, und wenn sie einen behindern, sind es nicht die Ketten, sondern man selbst hat ‘ungeschickt’ mit ihnen gerasselt… Die Ketten bleiben an sich unangetastet und unhinterfragt! (‘Es macht mir nichts mehr aus!)
      Bei der Psychoanalyse, deren Vorrang für mich ganz außer Frage steht, lernt man die Ketten, an die man gebunden ist – um im schiefen Bild zu bleiben – Glied für Glied kennen. Eine Anpassungsleistung besteht auch hier, nämlich in einer Identifikationsleistung – Ja, das sind meine Ketten! sollte der ‘Analysand’ am ‘Ende’ einer Analyse schließlich anerkennen. Das ist meine ‘Unlust’, mein ‘Mangel‘ mein ‘Verlust‘! Das bin ‘Ich’!
      Das bedeutet, dass – anders als bei der Verhaltenstherapie – der MANGEL produktiv werden muss. Das kann aber nur auf dem Umweg über eine Symbolisierung geschehen: Die Erhabenheit der Psychoanalyse besteht eben darin, erkannt zu haben, dass die ‘Lust’, dass der ‘Genuss’ nur vermittelst einer Symbolisierung der Unlust vonstatten gehen kann, damit der ‘Leidensdruck’ sich auf eine andere Weise ein Ventil schafft, als eben ‘notdürftig’ sich im Bett zu ‘erleichtern’. Genau dieser Akt der Symbolisierung kennzeichnet die Verwandschaft der Psychoanalyse zur Literatur.

    2. Von walhalladada für Aikmaier. So ist das geradezu vorbildlich beschrieben in einer Grundbewegung, die die Dichtung als eine geformte Symbolisierung versteht. Das ist die e i n e Seite.
      Eine andere ist das, was ich in MEERE mit “Kunst ist Archäologie” gemeint habe; was da im Dichtenden auftaucht, taucht im Wortsinn a u f; die Form des Textes ist nicht etwa das Gerüst, sondern der Bohrvorsatz, der Schichten aufsprengt, von denen die Intention des Autors mitunter gar keine Ahnung hat. Dann beginnt die Entscheidung: lasse ich das zu oder nicht. W e n n zugelassen wird, dann, aber erst dann, wird das Zugelassene zum Material, wie Aikmaier es bezeichnet, und wird auf der nächsten Ebene, der so etwas wie der Kunstwille zuzuordnen ist, bewußt neu- und umgestaltet.
      An der Pschoanalyse Material für die Kunst selber können imgrunde nur Theoreme sein; was ich parallelisiere, sind Prozesse Vielleicht läßt es sich auch so ausdrücken, mit Bezug auf einen der wichtigsten psanalytischen Termine: Die Form spielt die Rolle der Übertragungs-Trägers.

    3. Lieber Herr Herbst – ‘was Sie parallelisieren sind Prozesse

      Aber ja! Und die Form ist sicherlich ein gewichtiges ‘Movens’, wie es übrigens auch Parallalie in seinen jüngsten >>‘Irrereien’ betont.
      Das gilt aber auch und erst recht für die klassische psychoanalytische Situation, die ja zunächst eine reine ‘Formsache’ darstellt und auch hier durchaus als formaler ‘Übertragungs-Träger’ fungiert.

  4. Dichtung und Contenance Dichtung bedeutet nicht immer Verdichten, manchmal auch dicht halten. Um bei dem Beispiel der Inkontinenz zu bleiben. Dichtung als Selbstzweck – literarische Inkontinenz? Man könnte die Contenance verlieren. Meine Herren, wo bleibt die Kunst?

    1. @jodself In der analytischen Situation gibt es ebenso wenig wie in der ‘Kunst’ ‘Contenance’; die gibt es nur als ‘Verhaltensmuster’, was ihren Wert aber nicht schmälert. Die Muster sind da, sie sind wirkungsmächtig und müssen deshalb mühsam aufgebrochen werden.

    2. meine herren. na das is ja wieder mal fein. hier sind auch ‘damen’ im spiel, kommentierend wie ich oder read An oder feelia oder auch mit eigenen beiträgen wie cellini, feelia, diotima. typisch bei fragen der ‘inkontinenz’ dass das unterrn tisch fällt, oder?

      für den selbstzweck sowieso mal die frage, welchen wert hat denn leben? doch den, das es lebt. warum soll das bei kunst anders sein?

    3. @Granu Fink. Wie kommen Sie von Selbstzweck auf “Inkontinenz”? Der Zusammenhang ist mir dunkel.
      Im übrigen ist das wesentliche Gestaltmerkmal von Kunst Formung. Die geht bei Selbstzwecken doch nicht notwendigerweise verloren.

      Übrigens finde ich, daß hinter dem hier verwendeten Begriff Contenance ein moralisches Enthymem steckt.

    4. @ Finkenritter via ANH; und die damen Übrigens finde ich, daß hinter dem hier verwendeten Begriff Contenance ein moralisches Enthymem steckt.

      ganz sicher. trotz etymologischer (schein)verwandtschaft von read Ans continentia, inkontinenz und granu finks contenance meint die letzte doch etwas anderes, nämlich haltung. also daß ein zustand oder nur irgendetwas gehalten wird, balanciert von mir aus. eine solche balance setzt aber spannung voraus, druck, eben das gegenteil des ent-lastens, von dem der genannte witz ebenso ausgeht, wie die klassisch ps.an. insgesamt.
      vergessen wir nicht: contenance war das großgesellschaftliche phänomen, welches den alten sigismund weiland in wien auf den plan gerufen hat. der fall Anna O. spricht da für sich. eine situation des allgemeinen moralischen drucks, auf den die ps.an. ein ventil setzte, … eine situation aber auch, die ein werk wie schnitzlers fräulein else erst literarisch ermöglicht hat. hier scheint sie wieder durch, die gemeinsame basis von ps.an. und dichtung. wo dichtung auf contenance, und nur auf ihr, ruhen will, entstehen z.b. die schlechtesten, zu recht wenig be- und gerühmten texte th. manns.

      Sabine und die damen seien übrigens daran erinnert, daß es ohne sigismunds weg zur ps.an. auch seinen vortrag ÜBER MÄNNLICHE HYSTERIE nicht gegeben hätte, mit dem er der “phallogozentrischen” (würde femme100têtes sagen) wissenschaft der zeit eines ihrer misogynsten werkzeuge aus der hand zu schlagen drohte.

      für den selbstzweck sowieso mal die frage, welchen wert hat denn leben? doch den, das es lebt. warum soll das bei kunst anders sein?

      das ist genau mein punkt: wertzuschreibung. der wert einer konkreten ps.an. bemißt sich nach ihrem gelingen in bezug auf den patienten (“er pinkelt jetzt gern”, nicht?); der wert einer gelungenen dichtung bezieht sich keineswegs auf den dichter, schafft allenfalls sekundär befriedigung, sondern auf die dichtung selbst zurück: selbst-zweck.

      insofern müßte man, wenn man von der “klassischen ps.an. situation” spricht, genau überlegen, wie man in der analog unterstellten dichtung die rollen der an dieser situation beteiligten verteilt.

    5. @Aikmaier. Ich wollte lieber davon absehen, genaue Rollenzuschreibungen aufzustellen, a) weil ich meine, daß diese ohnedies nur ungefähre sein können, die zudem zwischen den Polen hin- und heroszillieren; b) ist die “klassische ps.analytische Situation” längst nicht mehr die, die unbedingt in hilfreichen (“heilenden”) therapeutischen Settings einer modernen Auffassung der Psanalyse angetroffen wird; die Dogmatik wurde längst verlassen, und Leute wie >>>> Bion haben die Grundsätze relativiert, bzw. erweitert. (Bei Bion ist mir im übrigen nicht klar, weshalb er derart wenig auf Dichter wirkt, die sich um Poetologie-als-Erkenntnisform bemühen); c) sind die Verhältnisse analoge, also eben nicht eineindeutige. Das ist wichtig und richtig; es würde dem Spiel des Poetischen sonst die Luft nehmen.
      Ich habe die Analogie hier “aufgemacht”, weil es mir tatsächlich um Prozesse geht, die, wie ich >>>> oben schon schrieb, etwas mit dem Ausgraben von Inhalten zu tun haben, welche wir gemeinhin zensieren. Dieses, das Ausgegrabene, wird dann neu geformt. Das ist in der Tat kein Patient-Analytiker-Verhältnis mehr. Es geht aber um die Bewegung, die ein Stoff nimmt, b e v o r er da ist (d.h.: bewußt ist). Und ob er diese Bewegung nehmen k a n n, die dann ins Licht (oder das Feuer) einer Dichtung führt.

    6. @ ANH; rollen und bewegung. ja, ich sehe ein, daß rollenzuschreibungen immer einengen. nur denke ich, daß eine sinnvolle analogisierung zumindest ungefähre zuordnungen erfordert.

      klar, die heutige psychologie wie auch analytische praxis will vom alten sigismund nichts mehr wissen, geht längst, nach klein und bion, aber auch seit mitscherlich und rogers ganz andere wege (vielleicht auch eine art vatermord, nein?). daß andererseits literatur oder gar dichtung immer noch auf die “alten” sich beziehen, liegt wahrscheinlich an dem umweg über die französische philosophie ab mitte der 1950er, die gerade freud, teils auch jung stark aufnahm und um- oder versetzte. man denke nur an lacan.

      mit der metapher des ausgrabens ist das so eine sache. ich sehen ein, daß die bewegung der dichtung und die der ps.an. als ein “aufkommen”, von mir aus vom grunde der seele, gesehen werden kann. doch: während ps.analytiker wie auch archäologen etwas eben ausgraben, sortieren, zusammensetzen, um das alte (im rahmen des möglichen) wieder herzustellen, schafft dichtung als solche immer etwas eigenes, neues. das würde ich auch ganz entschieden DEM KOHELET-ADEPTEN SUMUZE entgegenhalten. dieses eigen-neue ist teil der begründung für dichtung als selbstzweck: auch das hunderstste drama über phädra oder undine bietet eben nicht nur archäologie oder therapie eines stoffes, sondern setzt dem eine neue ausprägung als dichtung hinzu. sonst wäre der dichter ja in der zeitfalle: je später geboren, desto weniger gegenstände hätte der, die nicht schon “abgedichtet” wären.*

      analoges könnte man von schauspielern sagen, die, wenn sie gut sind, eben auch nicht einfach einen vorgeschriebenen charakter/figur re-konstruieren oder impersonieren, sondern sie zugleich an sich neu ausdrücken.

      (* gestern abend hörte ich zufällig ein interview mit dem regisseur MICHAEL HANEKE, der seine arbeit und v.a. die teils verstörende gewaltdarstellung darin prominent damit begründete, er müsse neue extrempunkte suchen, da alle anderen punkte in der zuschauergewohnheit schon “abgebraucht” seien. wohlgemerkt: dabei bezog er sich vor allem auf die form!)

    7. prozess? ich stimme aikmaier in gewisser hinsicht zu. zum beispiel ist die analogie gerade in literarischer tradition – gegenüber dem rhetorischen gebruach – gar nicht so sehr ungefähres spiel, eher spekulatives und ganz ernst verstandenes intrument spekulativer erkenntnis.

      ich glaube, dass bis hierhin zwar schon deutlicher, aber noch nicht völlig heraus ist, was mit “psychoanalyse” eigentlich gemeint ist. in der indefiniten verwendung oben denkt man an die theorie, die sich dann doch ausschließt. die analyse als privater, “subjektiver” prozess (und anders kann ich den “prozess” nicht deuten) ist angestrebtermaßen heilungsprozess. psychoanalyse als therapeutische praxis ist dann, finde ich, alles andere als zweckfrei, sowohl die analysepraxis, als ihre wirkung insgesamt. kaum einer würde aus langeweile da hingehen oder aus purem interesse; das ist schlicht zu teuer. niemand würde den enormen zeitaufwand, die terminlichen einschränkungen auf sich nehmen, wenn er kein bedürfnis nach hilfe hätte. die krankenkassen würde nicht zahlen, wenn nicht auch ein gesellschaftlicher zweck erkennbar wäre. gute analytiker wollen vordergründig helfen oder sie müssen sich dahingehend zusammenreißen, wenn sie ein “reines” erkenntnisinteresse hätten, wäre die aufmerksamkeit auch nicht mehr frei schwebend und dann würden sie wenig gut helfen können – umgeleiteter zweck.

      ich kann ganz gefühlsmäßig eine parallele einer einzelnen, gelungenen sitzung, die den rahmen des ursprünglichen wunsches übersteigt und ihn vergessen macht, zu einem einzelnen gedicht nachvollziehen. von der seite des sprechenden aus. – das ist aber sicherlich nicht gemeint? der begriff des selbstzwecks würde sich da auch pervertieren, weil das therapeutische wie das dichterische dennoch zweckhaft für eine bestimmte person bliebe. auch onanie ist doch zweckhaft? – und vielleicht sogar moralische inkontinenz?

    8. Prozeß. Ja. Es geht mir vor allem um das Überraschende, bisweilen auch leicht Erschreckende, das während des Arbeitsprozesses aufsteigt, das nicht beabsichtigt war und mit dem man dann konfrontiert ist – entweder, um es wieder wegzudrängen, oder aber, um es zu bearbeiten. Einen therapeutischen Zweck hat das nicht, weshalb ich von “zwecklos” sprach; sehr wohl aber kann etwas Therapeutisches eine Mit- und Begleiterscheinung sein, nämlich indem Druck von einem genommen wird. Darüber hinaus tritt der Effekt ein, daß etwas, an dem man arbeitet und dem man vielleicht sogar – das wäre eine Art Sieg – Schönheit gibt, den subjektiven Eindruck macht, daß dieses Aufgestiegene tatsächlich bearbeitet sei.
      Das täuscht. Ist der Text fertig, tauchen in einem nächsten und wiedernächsten sehr oft abermals diese Untergetauchten auf. Tatsächlich aber wird das Problemfeld, das Phänomen, das Trauma – was nun auch immer – in der Gestalt des Kunstwerkes objektiviert. Das gilt wohl besonders auch für Inhalte kollektiver Unbewußter.

    9. aussetzer Die frage war ja immer die was einem überhaupt bewusst sein kann.
      Ich könnte zwar – wäre ich literat – mit der persönlichen auffassung
      an einen text herangehen so bewusst wie möglich meine sätzchen zu
      schmieden . die letztliche antwort darauf wie der text bei einem anderen
      wirkt oder wie der text sich durch die lebenswelt eines anderen „hindurchinterpretiert“
      erfasst mein bewusstsein nicht mehr, obwohl das medium sprache
      das medium der verständigung ist.
      Alleine wenn schon ein eher politisch besetztes wort fällt so fällt es ja
      erstmal in verschiedene politische lager…
      deshalb desöfteren die rede von der autonomie eines textkörpers die
      ein vom autor unabhängiges leben führt – selbst wenn es nur platter befehlsjargon
      wäre, niemand weiss letztlich was was anrichtet – wobei heutzutage bei letzterem
      eher auf zerstörung ( von differenziertheit = erfolg ) zu schliessen ist.
      Wenn ich aber meine “ketten” kenne unde sie lerne zu akzeptieren – muss ich allerdings immer noch nicht wissen was sie bedeuten …
      Der ausdruck kette – s. walhalladada – ( quasianalog fessel/stricke/ o.ä. ) könnte mich spitzfindigerweise in diesem zusammenhang stören – das darüber entstehende bild versperrt sicherlich befreiung in weitsichtigerer o.ä. bezeichenbarer form.

    10. @knotscher u.a. Sie haben ganz Recht, jenes Unbehagen, das der Begriff ‘Kette’ bei Ihnen ausgelöst hat, war spürbar auch meines. Aber vielleicht kommen wir ja gerade durch dieses Unbehagen der Relation Literatur – Psychoanalyse ein wenig näher. Das Tertium beider ist ja die Sprache, das wird besonders deutlich, wenn sich so ein Wort wie ‘Kette’ zu einem ‘Herrensignifikanten’ aufschwingt und den ‘Diskurs’ zu beherrschen droht. In der Psychoanalyse geht es ja doch gleichsam um den Diskurs, den der Analysand mit sich selber führen muss, um seiner eigenen ‘Herrensignifikanten’ bewusst zu werden. Insofern ist das Wort ‘Kette’ auch als ein Signifikant des Mangels zu lesen. Woran aber mangelt es eigentlich? An einem anderen, treffenderen Signifikanten, der in der Tat das über ihn entstehende Bild eventuell weitsichtiger, befreiender benennen könnte. Der Diskurs selbst ist alles andere als herrschaftsfrei und anti-autoritär – wo immer ein Mangel entsteht – und sei es einer des Ausdrucks – setzt sich an seine Stelle ein ‘Herrensignifikant, der in seinem Kern nicht rationalen, sondern durchaus irrationalen Gesetzen folgen kann. Die Aufgabe dieses ‘Herrensignifikanten’ besteht einzig und allein darin, das zerstreute Feld aller möglichen Signifikanten zu ‘totalisieren’ und damit die unendliche Kette von Ursachen (‘Wissen’) gewaltsam zu durchbrechen. Die neuere Psychoanalyse, die mit dem Namen Lacan verbunden ist, erkennt in diesem ‘Herrensignifikanten’ nichts weiter als einen ‘HOCHSTAPLER‘!

      “Lacans Grundthese lautet, dass der HERR per definitionem ein Hochstapler ist. Der HERR ist jemand, der – nachdem er sich am Ort des konstitutiven Mangels in der Struktur wiederfindet – so handelt, als hielte er die Zügel jenes Surplus des geheimnisvollen X, das sich dem Zugriff der Struktur entzieht, in Händen. (…) Bei Lacan ist der HERR ein Hochstapler, doch der Ort, den er besetzt – der Ort des Mangels in der Struktur – lässt sich nicht beseitigen, denn gerade die Endlichkeit jedes diskursiven Feldes erzwingt dessen strukturelle Notwendigkeit. Die Entlarvung der Hochstapelei des HERRN beseitigt nicht den Ort, den er besetzt; sie macht ihn nur in seiner ursprünglichen Leere sichtbar, als etwas also, das dem Element, das ihn ausfüllt, vorangeht.”

      Jetzt kommt’s!

      Der Analytiker nimmt quasi die “Rolle dieses ‘Herrensignifikanten’ ein, zerstört ihn aber gleichzeitig, indem er durch seine (Nicht)-Aktivität das Charisma des HERRN untergräbt, den Effekt des ‘Zusammensetzens’ suspendiert und so die Distanz sichtbar macht, die den HERRN von dem Ort trennt, den er besetzt, d.h. die radikale Kontingenz des Subjekts, das diesen Ort besetzt”.

      Ist nicht die analytische Situation im eigentlichen Sinne d i e ‘ideale Sprechsituation..? (Man könnte weiterfragen: Ist nicht die Schreibsituation
      eine ähnlich ‘ideale’ Situation?)

      “Im Prozess der Psychoanalyse haben wir zwei Subjekte, die zueinander sprechen; doch anstatt sich einander zuzuwenden und Argumente auszutauschen, liegt der eine von ihnen auf der Couch, starrt in die dünne Luft und gibt unzusammenhängendes Geschwätz von sich, während der andere meist still bleibt und das erste mit dem Gewicht seiner unterdrückenden stummen Gegenwart terrorisiert. Diese Situation ist herrschaftsfrei in dem präzisen Sinne, dass die strukturelle Rolle des Herrensignifikanten suspendiert wird: Der analytische Diskurs als Kehrseite des Diskurses des HERRN versetzt uns in jenen Zustand der Unentscheidbarkeit, der dem ‘Zusammensetzen’ des diskursivenn Feldes durch einen Herrensignifikanten vorangeht, in den Zustand des ‘freien Flottierens‘ der Signifikanten.”

      (Ich hoffe, mit diesem unzumutbar langen und zudem noch zitierenden Kommentar etwas zur Erhellung der Relation Literatur – Psychonalyse beigetragen zu haben, ohne dabei neue ‘Herrensignifikanten’ inauguriert zu haben.
      Sollte das nicht der Fall sein, dann kann ich mir immerhin sicher sein, dass diesen an dieser Stelle keine hohe Lebenserwartung beschieden sein wird:)

      Zitate aus: Žižek, Slavoj: Grimassen des Realen, Köln, 1993, S. 121ff)

    11. @ walhalladada Ja danke w. – echt interessant für mich …

      Daran dachte ich wenn ich sie richtig verstehe – ausschnitthaft auch :
      Ein austauschen eines vielleicht etwas günstigeren signifikanten schränkte
      vielleicht eine assoziationsbahnung von ihm aus auf möglich-analogisierbare
      signifikate hin ein, sowohl verortetheit als auch „informgesetztheit“ eines alterie-
      renden begriffts änderte erst einmal grundsätzlich nichts an dem autoritären grund-
      charakter der signifikationsprozesse, wenn ich das so ausdrücken darf.
      ( jeder begriff sozusagen wäre körperlich für sich betrachtet starr und auf seine
      textuelle verortetheit hin betrachtet grundsätzlich aussperrend – höchstproblematisch für mich persönlich noch )
      etwas heruntergedimmter :
      Indem ich einen „herrensignifikanten“ kritisch oder affirmativ aufnehme
      mache ich mich in beiden fällen zu dessen komplizen und ein feld bliebe
      verschlossen bzw. besetzt.
      Erst ein eher schweigendes positionieren, das gelegentliche umcodierungen
      oder auch nur verschiebungen vornimmt, unterbricht womöglich eine
      herrschaftssignifikationsserie in ihrer jeweilig auffassbaren totalität.
      Kurzgetaktete einschnitte detextualisieren oder dekontextualisieren szen(eri)en
      ohne irgendeinen anspruch auf mittäterschaft oder mitläufertum zu „in-
      augurieren“ – sie beleuchten womöglich nur felder im ausserhalb womöglich
      freiflottierender assoziationscluster oder -muster.

      Ich würde hier laienmässig interpretieren dass das geschwätz selbst – wäre es zudem völlig
      zusammenhanglos – dann eigentlich schon das recht oberflächlich betrachtet herrschaftsfreie “aus sich selbst heraus” wäre – situativ als monologisierendes dessen gegenteil.
      In verbindung mit einer zurückgenommenheit eines analytikers
      In einer analytischen situation hiesse das wahrscheinlich dass der zeitpunkt des bewusstwerdens – die stille – der jeweilige moment der (los)lösung wäre.
      naja soweit meine persönliche ableitung.
      hm.
      Die in-eins-setzung mit dem schriftseller wäre mir aber irgendwie völlig unklar.
      das lass ich mal so für mich untersuchend kommentarlos stehen – sprich hier hätte ich erstmal auf die fragen da keine antworten – vielleicht ja ein anderer …
      ich verstehe gerade noch so die literatur=selbstzweck auffassung …

    12. An Sirenomele aus dem ICE. Es geht mir vor allem um das Überraschende, bisweilen auch leicht Erschreckende, das während des Arbeitsprozesses aufsteigt, das nicht beabsichtigt war und mit dem man dann konfrontiert ist – entweder, um es wieder wegzudrängen, oder aber, um es zu bearbeiten. Einen therapeutischen Zweck hat das nicht, weshalb ich von “zwecklos” sprach; sehr wohl aber kann etwas Therapeutisches eine Mit- und Begleiterscheinung sein, nämlich indem Druck von einem genommen wird. Darüber hinaus tritt der Effekt ein, daß etwas, an dem man arbeitet und dem man vielleicht sogar – das wäre eine Art Sieg – Schönheit gibt, den subjektiven Eindruck macht, daß dieses Aufgestiegene tatsächlich bearbeitet sei.
      Das täuscht. Ist der Text fertig, tauchen in einem nächsten und wiedernächsten sehr oft abermals diese Untergetauchte auf. Tatsächlich aber wird das Problemfeld, das Phänomen, das Trauma – was nun auch immer – in der Gestalt des Kunstwerkes objektiviert. Das gilt besonders auch für Inhalte vermeintlich oder tatsächlich kollektiver Unbewußter.

    13. @knotscher Die von ANH konstatierte Ähnlichkeit zwischen Literatur und Psychoanalyse sehe ich darin, dass beide zunächst das gleiche Medium haben, die Sprache und das beide in der Sprache mehr erkennen als eine bloße Betriebsanleitung für die zwischenmenschliche Kommunikation, also zwischen ‘Herr’ und ‘Knecht’. Beiden gemeinsam ist das Ziel, die ‘Herrensignifikanten’ zu erkennen, aufzulösen und sich selbst /sein ‘Selbst/ an deren Stelle zu setzen. Das heißt, um mit Schiller zu sprechen: Die Sprache, die für mich denkt, bestimmt mich auch (fremd) je unbewusster ich mich ihr überlasse. Literatur und Analyse weisen den Weg aus dieser Fremdbestimmung. ‘Begriff kommt von Griff”. Dass zur Rettung der feste, scheinbar brutale Zugriff gehört, hat bereits Benjamin festgestellt. Es sind die ‘Herrensignifikanten’, die uns folgenschwer verknechten! Wo sie sind, soll ‘Ich’ werden. Nicht mehr missverständlich erscheint dann auch das Diktum, Literatur sei ‘Selbstzweck’. Emphatisch ja, in dem Sinne, dass an die Stelle des Herrensignifikanten das ‘SELBST’ tritt!

    14. danke wal. Für mich klingt das nach „sich von einer art diktatur des unbewussten
      zu befreien“ in einer art permanent verlaufender prozessualität wobei die
      verknechtetschaft an dominante signifikanten mit so etwas wie schuld oder gar schuldkomplexbeladenem vorerst konkretisiert war – die klassische ausgangssituation – absurde schamerfülltheit / rechtfertigungsdruckausgesetztheit etc.
      Ich würde das im verlauf als eine art selbstbemächtigung auffassen – eine bemächtigung seiner selbst mithilfe der sprache über die sprache – allerdings auch letztlich als ein mittel sich seiner umgebung gegenüber womöglich verständlicher machen zu können.
      ( insoweit das möglich ist … )
      Das hiesse aber noch lange nicht, man wüsste hierüber exakt über den persönlichen nutzen seiner bedürfnisse – das wäre das problem.
      ( so etwas fängt dann schon mit schokoladeessen – also nucleus accumbens ansteuerung an – naja jetzt müsst ich schon blättern )
      Man wüsste mit der zeit eher günstigstenfalls WIE man seine bedürfnisse thematisierte oder einklagte – wenn nicht einforderte, falls angebracht.
      Ich habe jetzt allerdings den eindruck sie hätten lieber einen zizek als gesprächspartner –
      Auf alle fälle danke – für weiteres fehlt mir grad echt die tiefe…

    15. dichter und schamane? das sind schöne ansätze, obwohl mir selbst anh-‘s argument praktisch vertrauter ist und auch weniger emphatisch erscheint als wal/zizeks. aber auch da treten schöne parallelen zutage.

      so, wie das jetzt für mich klingt, bin ich mit den herrensignifikanten nicht ganz zufrieden. die psanalyse stiftet meiner erfahrung nach theoretisch wie praktisch selbst begriffe, ordnungen und diskursive figuren für dinge, die an sich keine haben und vielleicht keine oder aber andere haben sollten – der ps-kommentar ist immer reflexiv und meta-(substantiell?), und selbst geprägt. das macht die objektivierung des unsagbaren, die in den diskurs des ichs eingeht, ja auch so schön handhabbar, so schön praktisch, so heimelig und gesellschaftsfähig. ich meine da aber einen abgrund zum ich zu verspüren. vermutlich würde ich mich von einem schamanen o.ä. lieber heilen lassen, als von einem analytiker – und dass eine mögliche schamanensprache oder der gesang nicht gesellschaftfähig sind – nicht in dieser – macht ihn als vorstellung wenigstens (da ich doch von schamanismus keinen blassen schimmer habe) tiefer, menschlicher.

      von daheraus versteh ich die befreiung vom herrensignifikanten nicht oder sie erscheint mir zu emphatisch. möglicherweise rührt das aber auch von der poststrukturalistischen prägung her, die sich dem strukturalismus nicht eigegentlich entledigt und darin gerade in aller herr-knechtschaftsdialektik an einer “betriebsanleitung” der sprache festhängt. solche diskursive befreiung kann dann eventuell das selbstgespräch von dichtung und dichter doch besser.

    16. durch den schamanen weht eher göttliches er wäre in welcher weise auch immer
      vermittler zwischen göttlichem und weltlichem.
      durch den dichter – ich verstünde ihn bislang hier so als medialisiert – als medium –
      diffundierte die gesellschaft als derer sprache bzw. gedanken insgesamt.
      der schamane kann verschiede rollen haben mal priester – mal medizinmann oder beides zusammen
      man kann ihn im heilungsprozess teilweise als gaukler auffassen – er arbeitet z.b.
      mit schein-extraktionen, d.h. er suggeriert dem kranken durch ausspucken eines kleinen objekts mitunter das objekt als grund seiner krankheit
      in der regel hat der schamane eine dezidierten gesellschaftlichen auftrag – woraus
      der sich ableitet ist unterschiedlich.
      anscheinend gibt es beispiele, wo sich der schamane selbst als ein solcher für die gesllschaft geeigneter beweisen muss.
      der magische tanz des schamanen stach für mich immer heraus – wohl deutlich einer vermittlung zwischen “himmel und erde” verschrieben.
      so gefühlsmässig würde ich in dieser schamanismuslosen gesellschaft den konfabulierenden klienten als “situativen schamanen” bezeichnen allerdings äusserst ausschnitthaft gesehen …

    17. Primat des Es’. Ich möchte ein wenig davor warnen, den “Herrensignifikanten” als ein n u r-zu-Überwindendes anzusehen, und zwar da, wo man ihn mit dem freudklassischen Es zumindest analogisieren kann. “Wo Es ist, soll Ich werden” ist nämlich auch heikel, etwa bei allem, das Triebstrukturen anbelangt. Selbstverständlich sind wir “getrieben”, dieses Getriebensein bringt aber auch enorme Lust und eben n i c h t nur Leid; es durch mehr oder minder vorgebliche Autonomisierung des Ichs zu ersetzen, ginge wiederum von einer “Befreiungs”vorstellung eines ideal gedachten autonomen Ichs aus, für das ich keinerlei reale (materiale) Begründung sehen kann. Hier kommen wir in die Bereiche des in Der Dschungel nun schon oft diskutierten Nexus’ der Willensfreiheit, die ich selber für eine, allerdings oft hilfreiche, Selbsttäuschung halte. Überwindung des Es, verstanden als einen Herrensignifikanten, wäre, radikal gedacht, eben auch eine Befreiung vom Körper und schlösse sich insofern mit monotheistischen Denkformen in eins, und zwar mit der Abstrahierung eines “eigentlich wertvollen” Geistes (sagen wir: der Seele) von seiner “eigentlich wertlosen” Hülle (nämlich dem Körper). Das genau ist angewandte Misogynie. Dabei bliebe alles Konkrete schließlich auf der Strecke (Sexualität wird durch “Platonismus” ersetzt) und zugleich spielte man dem Ersetzen des je-Konkreten durch ein Allgemein-Äquivalentes in die Hände, wie es die kapitalistische Ökonomie freilich gern hätte. Insofern teile ich >>>> sirenomeles Skepsis entschieden.
      Ein weiteres Bedenken gilt der Vorsicht, Prozesse der Literatur deckend auf Prozesse des übrigen Lebens einfach zu übertragen. Auch das scheint mir nicht zulässig zu sein, weshalb ich mit Aikmaier entschieden auf der “Zwecklosigkeit” von Kunst beharre, das heißt, auf der Ausbildung eines Kunstraumes, der sich allenfalls analog auf reale Entscheidungs- und Haltungsprozessen anwenden läßt, also ganz bewußt im imaginären Raum des Ungefähren belassen werden sollte.

    18. auf streife sorry Radikalität – die deutlich über totalisierungen meinung ausspricht – kann ( sich )
      in ihrer völligen autonomie-versessenheit nicht(s) mehr erkennen.
      Indem sie sich radikal gegen ihre radikalität wendet findet heilung nach aussen hin
      statt.
      ( meine kurzfassung )
      Vorerst @ walhalladada –
      War das „es“ nicht eher als unbewusstes involviert ?
      Der herrensignifikant als die vorstellung eines singulären begriffs der sich in permanenter reproduktion tiefer und tiefer in’s „bewusstsein“ drückt(e) ?
      Je tiefer hineingedrückt, desto schwieriger ihn wieder loszuwerden …
      Deshalb das dezidierte aufsuchen dessen – falls erkannt oder erst einmal erkennungsdienstlich – um ganz dezidiert sich seiner zu bemächtigen.
      ein schritt der über das reine erkennen hinausgehen könnte aber nicht müsste :
      auch im erkennen an sich könnte die bemächtigung schon in gewisser weise stattgefunden haben.
      es könnte aber auch autonome psychotechniken geben die ihn eliminieren –
      ( den singulären begriff )
      das könnte man selbstprogrammieren nennen.
      herbst erwähnte das einmal angedeutet hinsichtlich kant und dessem diener.
      War das nicht so gemeint – wal ?

    19. @herbst, sirenomele und… Ich sehe mich da missverstanden, insofern der Eindruck enstanden ist, ‘den “Herrensignifikanten” als ein n u r-zu-Überwindendes anzusehen
      Dem ist natürlich nicht so! Es geht tatsächlich zunächst darum, sich des autoritären Charakter dieses ‘Herrensignifikanten’ bewusst zu werden.
      Die Identität, die dieser letztlich stiftet, ist erschlichen! Es geht zu wie in Andersens Märchen ‘Des Kaisers neue Kleider’: Der ‘Herr’ ist nackt! Nur was fangen wir mit dieser obszönen ‘Nacktheit’ an? Wir können doch gar nicht anders, als diesen Identitätsverlust dadurch zu kompensieren, dass wir den ‘Kaiser’ eiligst neu einkleiden, und zwar ‘a la mode’. Die Lehre aus der plötzlich sich ergebenden Leere kann keinesfalls die schlechte Arbeitsteilung zwischen ‘Körper’ & ‘Geist’ sein, sondern eine ‘elaboriertere ‘Abstimmung’ zwischen den siamesischen Zwangszwillingen.
      Dafür braucht es allerdings eine ‘Betriebsanleitung’, eben das, was sirenomele als vermeintlich obsolet gewordenes Festhalten am ‘Sprachakt’ moniert. Ich persönlich hätte nichts dagegen, diesen Herren ‘Signifikanten’ schlichtweg & sprachlos ‘einfach’ wegzutanzen zu den ‘Akten’ zu tanzen…

      @sirenemole: der schamanismus, den sie ins feld führen ist mir völlig fremd! nicht fremd ist mir die schlusszeile von kafkas ‘prozess’:
      es war, als sollte der schamane ihn überleben!

    20. ja echt lustig …
      nix dagegen richtung ala mode !
      bloss : WAS wäre das ?
      hm.
      ( soorie – musste jetzt was löschen )

    21. auf streife erg. Staatsanwältin 100 km/h würde sicherlich sagen :
      In erweiterter hinsicht ist die morgenlatte eines in untersuchungshaft befindlichen insassen dann das beste beispiel was für ein unabhängiges dasein der transzendentale signifikant eigentlich führt.
      das einswerden von es und transz.-signifi. ist demzufolge dass der transzendentale signifikant leerstellen des es – allerdings eher vorübergehend – dann besetzt.
      naja.
      werd selber jetze das schöne wetter geniessen und ein wenich kieken … und abwarten

    22. Schönes Wetter…? Hier nicht! Aber eben diese Negation schafft der Bemerkung Raum, dass der philosophische Begriff für die Umwandlung der Impotenz in eine konstituierende Macht der Begriff des ‘Transzendentalen‘ ist! – Mit anderen Worten: Am ‘Herrensignifikanten’ führt kein Weg vorbei 🙂

    23. naja beileid mit dem wetter …

      der herrensignifikant – als flüchtiger ein eher angenehmerer zeigenosse
      ( es sei denn er ist auf steuerflucht – dann aber muss die umgebung
      aktivst zu dessen ergreifung oder gewahrwerdung beitragen ) wird aber imgrunde
      doch immer nur missbraucht – da brauchen wir uns doch nichts vorzumachen.
      deshalb ist des doch auch desöfteren ratsam ihn da mal ab und zu entlasten zu wollen – ihn möglichst oft in unterschiedliche umgebungen zu stellen.
      ( sorrie wal – war grad etwas zu spitzfindig und musste was wegnehmen … )
      naja wir sind ja eh grad was allein hier …

    24. regen @walhalladada

      ich habe sicherlich nicht alles verstanden, was du gesagt und – exempel! – eine eigene problematik hier hineingezogen, welcher der angesprochenen aber ähnlich ist und, möchte ich meinen, hier von belang sein kann. mir geht es um das sprache finden überhaupt und zwar in bezug auf das eigene erleben, auf erfahrung, auf vergangenes. signifikantengebrauch ruft bei mir untergründig ekel hervor – wenn sichs nicht gerade um dichtung handelt.

      Dichtung genügt, wie die Psychoanalyse, sich selber; wie diese nicht heilt, aber erkennt, unterhält sie nicht, sondern versucht zu erfassen. Begriff kommt von Griff.

      mehr noch als “begriff” betrifft der “signifikant” das design der sprache, also die konventionelle oberfläche. der begriff als reine bedeutungshaftigkeit – ist insofern noch nicht griff, sondern gewissermaßen durch das gespäch aufgeqollenes bewusstsein – der griff kommt dann durch den signifikanten. bei dem zizek-gedanken handelt es sich um eine art von dialektischem reform(ul)ierungsprozess der verknechteten bedeutung? da mir der herrensignifikant selbst unbekannt ist, muss ich an foucaults diskursbegriff immer denken …

      der gedanke ist, so, wie ich ihn verstehe, wie gesagt, schön, nur denke ich, dass das faktisch keinesfalls für jeden fall zutrifft. ich bleibe pessimistisch – der diskurs der psanalyse gewinnt selbst macht, auch wenn sich die praxis scheinbar interesselos ausnimmt. ihr diskurs besteht nicht nur aus signifikanten, sondern aus alltagsgegebener sprachheimat, aus ganzen theoretischen gedankenformationen, mythischen bildern, die sich schon längst in die gesellschaft eingegraben haben und an welcher die analytische sprechstunde weitermauert (mauert, gräbt und auch mauert). – die theorie und das fremdverständnis des eigenen durch den analytiker überhaupt signifizieren das erlebte, geträumte, halluzinierte, wiederholte – das zu bedeutende, dass es gesellschaftsfähig wird. – für gewisse dinge oder erfahrungsdimensionen haben wir fast ausschließlich psychologische begriffe, was ich persönlich, aber auch überhaupt ekelhaft finde – und deshalb mein ungestümer verweis auf schamanismus, mit dessen praxis ich durch den kontext des (rein eklektizistischen) “medienschamanismus” bisschen vertraut geworden bin.

      ich muss darauf zurückkommen, dass mit dem ausdruck psychoanalyse möglicherweise zu viel gesagt ist, und dass es schwierig ist, ihn hier zu benutzen. gewisse quasimethodische aspekte begleiten mich selbst – wie ein “graben” zum beispiel, das schreiben, das sehen, das kommen-lassen – und die aufmerksamkeit, die verwunderung und fragwürdigkeit, die es begleitet – die ausgangslage ist metaphysisch, wie der freudsche seelenapparat überhaupt. und es verweist aber nicht auf gott und die dogmen, sondern auf den menschen und seine existenzielle frag-würdigkeit zurück. die ist es doch, die man – in aller dialektik unmöglich – “in den griff” kriegen möchte.

    25. @ sirenomele & die corona mit sirenomele würde ich den “begriff” (ja!) ps.an. hier auch für problematisch halten, da er nicht über die oben angedeutete analogie hinaus trägt.
      erst recht nicht, wenn man sprache allgemein als tertium der vergleichs heranziehen möchte. denn sprache ist nicht sprache: da gibt es kaum weiter entfernte pole als das neusprech eines bundespolitikers einerseits (“geschwätz” nach knotscher) und, sagen wir: der sprache eines celan andererseits.

      methodischer einwand: daß sprache der praktischen pa.an. nicht nur nicht herrschaftsfrei sei, sondern auch speziell geartet. stark vereinfacht: der analysant redet prinzipiell am gegenstand vorbei (sonst bräuchte er keine analyse), sagt das eine, meint das andere, der signifikanten-knecht!
      der analytiker seinerseits übersetzt diese sprache in “klartext”. das hat mehr mir dechiffrieren als mit dichtung zu tun, auch und gerade weil der “klartext” an handbüchern entlang gebaut wird. hier steckt die hierarchie, welche von herrensignifikanten auch nur sprechen kann. sie führt das gesagte auf sein eigentliches, eigenes, ideales &c. &c. zurück

      damit zusammenhängend ein philosophischer einwand (@ walhalladada): diese analytische rückführung des “vorbei”-gesagten auf das eigentliche steht in derselben tradition wie die ansicht, das leere zentrum der struktur müsse oder könnte überhaupt gefüllt werden. so žižeks rede vom “hochstapler”, der ich im blick auf dichtung entgegensetzte: der kaiser muß nackt sein! es geht nicht anders; jedes neue kleid, jede darüber gebreitete stoffschicht ändert nichts an seiner nacktheit. im leeren zentrum der struktur kann es nur platzhalter, supplemente, illegitime bewerber, simulakren geben.
      jede kritik an diesen ist dem abendländisch-platonischen idealismus des “einen”, “wahren”, “angemessenen” verpflichtet. das sind sie, die von sirenomele entdeckten fußstapfen, die spur des sturkturalismus in einer scheinbar progressiveren argumentation.
      vor diesem hintergrund ist die analogie von ps.an. und dichtung abermals (und un-therapierbar) problembeladen: denn in dichtung geht es nur um simulakren, ab-bilder, stellvertreter (unabhängig davon, daß die form der dichtung immer das passende wort sucht). es handelt sich eben nicht um nachahmung, sondern um nachschöpfung; dichtung ignoriert das idealistische primat des zentrums und setzt das “illegitime” an seine stelle. so spiegelt sie (und nur sie) existenzielle fragwürdigkeit.
      das kann man das lange ende der metaphysik nennen oder einfach — möglichkeitenpoetik.

      @ sirenomele: Ihr beharren auf schamanismus deutet, schein mir, in dieselbe richtung. überdies erinnerte es mich an eine (weitere) analogie benjamins:

      Der Chirurg stellt den einen Pol einer Ordnung dar, an deren anderem der Magier steht. Die Haltung eines Magiers, der einen Kranken durch auflegen der Hand heilt, ist verschieden von der des Chirurgen, der einen Eingriff in den Kranken vornimmt. Der Magier erhält die natürliche Distanz zwischen sich und dem Behandelten aufrecht; genauer gesagt: er vermindert sie – kraft seiner aufgelegten Hand – nur wenig und steigert sie – kraft seiner Autorität – sehr. Der Chirurg verfährt umgekehrt: er vermindert die Distanz zu dem Behandelten sehr – indem er in dessen Inneres dringt – und er vermehrt sie nur wenig – durch die Behutsamkeit, mit der seine Hand sich unter den Organen bewegt. […] Magier und Chirurg verhalten sich wie Maler und Kameramann. Der Maler beobachtet in seiner Arbeit eine natürliche Distanz zum Gegebenen, der Kameramann hingegen dringt tief ins Gewebe der Gegebenheit ein.

      meine vorläufige “kette” lautete also:

      magier / chirurg; maler / kameramann; dichter / analytiker.

    26. zweckfrage @ aikmaier für mich finge die frage nach sinnhaftigkeit einer möglichen anschauungsdifferenz grundsätzlich so an, allerdings ziemlich kleinlich :
      macht es mehr sinn mit einem signifikanten meherer signifikate zu bezeichnen als
      mit mehreren signifikanten womöglich nur ein signifikat ?
      mir scheint letzteres die freiere herangehensweise grundsätzlich zu sein die aber
      im laufenden herrschaftsdiskurs eine eher verdeckende wäre und damit sich gegen
      eine bewusstwerdung oder aktive beteiligtheit eines kollektiven bewusstseins
      an veränderungsprzessen richtete.
      these :
      der einzelne wäre in dieser vorgängigkeit verstärkt auf eine ich-autonomie angewiesen,die ihrer seits diese verdeckungsprozesse mit eigenen verdeckungs- prozessen abfedert um sich einen wichtigen teil seines interesses zu erhalten und sich auf diesen dikursprozess seiner zeit einzulassen aber diesen womöglich zu übersteigen.
      er verbindet mit diesem interesse ein unabdingbares gefühl von freiheit an dem interesse als solchem das er sich zu erhalten oder verschaffen sucht.

    27. Einschub ganz allgemeiner Art Für mich kann Sprache den Geist freisprechen, eben als schöpferische Dynamik, die sich aus der geordneten Welt mit ihren Symbolen den Zutritt in einen Rahmen verschafft, in dem die Buchstaben sicherlich immernoch in der Suppe schwimmen aber in unbegrenzter Möglichkeit. Das A reicht mir es ist rot genug. Ich will nicht immer den Sinn suchen, schon gar nicht in sprachlichen Äußerungen, die von irgendwem dechiffriert werden müssen. Rückkopplungen auf den “Herrensignifikanten” oder sonstwas. Würde ich z.B. zu einem Psychiater sagen: Ich möchte raumgreifender sein, koppelt der das gleich an – ich löse mich andauernd auf weil ich Angst habe das andere mich nicht wahrnehmen, usw. Komplex dieser Mittelpunkt. Andererseits mit dem Begriff raumgreifend sage ich gleich was ich meine, da brauch der / die erst gar nicht drüber nachdenken. Entwickelt sich eine Neurose zu einer Psychose, dann muss man sicherlich reagieren, ich habe nicht umsonst den Begriff “raumgreifend” gewählt, das gilt für jeden Körper im Raum, erst recht für das Wort weil es über den Raum als Körper oder über ein Konzept hinaus will, Wurzeln der Lüfte oder ganz zerfließen, alles andere siedelt sich auf einer Achse dazwischen an. So jetzt kann mir die Psychoanalyse, doch gerade noch das erklären was sich von selbst in einem verselbständigt hat und längst seine eigenen Worte und Handlungen dafür findet, es behauptet sich selbst gerade über meinen Kopf hinweg. (Ansonsten halte ich es da lieber mit denn Archetypen, nach Jung.)
      Vielleicht ist es das: Wurzeln im Raum der Lüfte, die ins Unendliche greifen um irgendwann zu zerfließen, selbst den Raum setzen oder besser in diesen hineinwachsen um sich immer wieder zu entgrenzen.

    28. krypt. – ein/ zuwurf ? sich ständig erneuernde “einkleidevorgänge des signifikanten” ( innerhalb von moden ) stellen ein raumergreifendes aber auch mitunter ausschnitthaft angedeutet
      raumübergreifendes dar, das auch sich heraus nichts anderes kann
      als autoritär zu sein, welches der – mitunter jeweilige -vorläufersignifikant aber auch war – vielleicht fing er ja nur an zu langweilen und nicht den patienten zu bedrohen
      Als mögliches ergebnis dieses prozesshaften umkleidens – ich würde dies aber als kleiderabgabe auch noch alternativ beschreiben – der kaiser teilte sich seinen platz mit neben- oder mitkaiserInnen um bei diesem bild zu bleiben – büsste sprache aber immer
      mehr an verständlichkeit ein bis sie sich quasi pathologisch auflöste.
      andererseits ehält sich eine sprache so auch am leben innerhalb ihrer verortetheit –
      sie kann aber auch brücken schlagen.

    29. vielleicht auch eine… … schweigende luftbrücke namenloser zeilensprünge, die
      über die geschliffenen wortfelsen klaffender klippenlüfte
      der babylonischen landzunge lockender schemen verläuft.

      (Das wäre so ein Gedankensplitter!)

    30. YES.
      das scheint die umgebung zu dem begriff wieder hereinzuholen …
      ( und ich dachte du hattest gerade ein kurzplädoyer für eindeutigkeit gehalten hm )

    31. ach readAn da wir gerade unter uns sind – ich finde die analogisierung von A und rot
      echt interessant – ist das synästhetisch gemeint ?

    32. @ knotscher95; signifikation (vorab: sorry, daß ich Sie jetzt wieder hier reingezogen habe, wo Sie doch schon fast im sprachlichen rosinenbomber auf melville’s spuren unterwegs waren. “Towards thee I roll, thou all-destroying but unconquering whale”. aber, hand aufs herz: so unwohl fühlen Sie sich hier doch gar nicht…)

      zu Ihrer zweckfrage:
      grundsätzlich gesprochen, bezeichnet ein signifikant nicht. ein zeichen bezeichnet, das seinerseits aus signifikant und signifikat besteht. die verbindung zwischen beiden ist, sagen wir: zufällig, und letztlich nur durch abgrenzung zu anderen signifikant-signifikat-gruppen gegeben. insofern: ja, ein zeichen kannn verschiedenes bezeichnen, oder verschiedene zeichen dasselbe (ideogramme, rebusse, &c.), aber immer nur ein signifikant verbunden mit einem signifikaten.
      das problem, auf das ich hinweisen wollte, ist nun kein praktisches. in der täglichen praxis des sprachspiels funktioniert das alles irgendwie. meine und Ihre zeichen werden verstanden, wobei es uns freisteht, eher privatsprachlich (“freiere herangehensweise”) oder eher offiziell (“im herrensprech”) daherzukommen.
      das problem ist ein theoretisches. denn sowohl die sprache des ps.an. als auch die der dichtung ist eben eine, die über oder hinter die alltäglichen sprachspiele schauen will. die analytische richtung setzt dafür die (also: überhaupt eine feststellbare) verbindung zwischen signifikant und signifikat notwendig voraus! aber wie soll sie diese voraussetzung einklagen, wenn es doch um eine im zentrum leere struktur geht? in der an die stelle eines festen signifikats (signifi-cats) nur der verweis auf eine übergeorndete struktur als platzhalter winkt, eine struktur, die ihrerseits im zentrum leer ist und einen platzhalter aufweist, welcher auf eine übergeordnete &c. &c.

      ein praktisches beispiel: nehmen wir drei signifikanten aus read Ans postings:

      “raumgreifend”

      “Luftwurzel” (vereinfacht und depoetisiert, ich weiß)

      “A”

      diese signifkikanten stehen in einem konkreten zusammenhang in read Ans text. aber ich kann sie ganz einfach herausnehmen (wie man sieht) und sie in andere sinnvolle zusammenhänge bringen:

      “Mit einer raumgreifenden Bewegung begrüßte Juhnke sein Publikum.”

      “Die Luftwurzeln der Ophrys tenthredinifera sind mit einem schwarzen Velamen radicum umhüllt.”

      “Wer A sagt, muß auch B sagen.”

      was ist passiert? eine analytische sitzung ist kein sinatra-abend, wir wollen read An kein velamen radicum wünschen und das “A” im letzten satz ist nicht mehr zwingend rot.
      und diesen kleinen trick kann man prinzipiell immer und mit allen worten machen, das bedeutet: wo wir prinzipiell eine signifikation vermuten, und wo die analytiker sie voraussetzen (“das und das ist ein tagesrest”, “dies verhüllt jenen manifesten inhalt” &c.), bekommen wir nur eine theoretisch unendliche kette von verweisen in die hand. die einen sprechen dann von der unendlichen semiose, die anderen vermuten, daß der signifikant nicht auf den signifikaten weist, sondern— in den spiegel schaut und auf sich selbst.

      damit sind die analytiker als gute platoniker aufgeschmissen. was tut der dichter? er sagt, was read An sagt: “Ich will nicht immer den Sinn suchen.” denn, so wäre meine herangehensweise: dichter schöpfen sinn, indem sie sich nicht auf vordergründige signifikationen verlassen, sondern eben mit den platzhaltern, den schattenhaften abbildern (welche die einzigen sind, die wir haben: abbilder ohne original) arbeiten. sie in sprachliche form gießen, die nicht auf alltagssprachliche funktionalität sich beschränkt, noch auf etwas “eigentliches”, “übergeordnetes” verweist, sondern ledigliche auf sich selbst als dichtung! (selbstzweck, einmal mehr) in worten, die eben “über das Konzept hinaus” wollen.

      @ read An:
      “Wurzeln der Lüfte” trägt eine schöne doppeldeutigkeit!
      aber: bevor Du in lüften wurzeln schlägst, laß uns doch lieber einen SPAZIERGANG IN DER LUFT machen.

    33. erstmal an Knos Hab ich? Einerseits ja, Worte und Handlungen sprechen für sich selbst! Andererseits habe ich etwas gegen permanente Rückkopplungen, also sprachliche Äußerungen, die auf Psycho & Soma, Herz & Nieren zurückverfolgt werden. Die umgekehrte Richtung scheint mir viel spannender. Nach dem Motto: Wo soll´s hingehen! Ich will mich ja auch nicht überheblich über die Psychoanalyse stellen, bestimmt nicht, außerdem gibt es da ja so einiges zu bedenken, dass ich in dieser Diskussion gar nicht mitbedenken kann:
      soziales Gepräge, den historisch-kulturellen Hintergrund, familiäres Umfeld, ganz allgemein noch die Meme als evolutiv-ethnologisches Gedächtnis, Archetypen und was ich sonst noch vergessen habe, achso ja, der “Herrensignifikant” im Namen des Vaters, des Sohnes und des hl. Geistes…. (da hätten wir dann auch gleich noch die Religion mit inbegriffen oder den Ödipus).
      Entgrenzung durch Begrenzung, alles was dazwischen ist sind wir, ist
      Psychoanalyse. Ich musste bei meinem letzten Satz vorhin noch über den Begriff der Freiheit nachdenken. Wurzeln setzen, ins Leben wachsen, selbst hineingreifen wollen und müssen, gerade weil man ein kleines Räderwerk im großen Getriebe ist und seine unbewußten Bedürfnisse nicht vernachlässigen soll und andererseits weil man nach einer Art Freiheit oder Entgrenzung strebt, sich gegen sein Naturell richtet und doch im Unendlichen aufgehoben sein will.
      Zerfließen oder die Wurzeln im Raum der Lüfte. aber eigentlich fällt der Raum ab hier weg oder die Seele, die wieder zum Wasser hinabsteigt… vielleicht Dichtung… ach was weiß ich…

      P.S. ja das ist synästhetisch gemeint!

    34. @Aikmaier Ein Spaziergang in den Lüften des Windwanderers,
      aber nur mit einem Seefrauengarn, zum Fangen des flüchtigen Freibeuters…

    35. noch was anderes aik. sie dröseln bestimmt noch die von ihnen angedeutete reihe von weiter oben auf –
      panisches entsetzen 🙂
      den rosinenbomber wertete ich aus meiner sicht eher den rosinen zustrebend –
      so richtung weihnachten und stollen 🙂

      “literatur ist das aussen selbst das uns immer wieder zu ihrer schönheit hereinholt.”
      ( kob kno ppg )

      thanxxs erstmal und netten abend !

    36. @aikmaier u.a. Vielen Dank zunächst, dass Sie einmal in dieser Deutlichkeit aufgeführt haben, wohin die ‘Zeichen’ weisen, nämlich ‘ins leere zentrum der struktur, wo es nur platzhalter, supplemente, illegitime bewerber, simulakren geben kann.
      Vielleicht ist das ja jene diffus verortete ‘gefühlte‘ Leere, welche den Analysanden auf die Couch, den Schriftsteller an den Schreibtisch und schließlich auch gar manchen zum Blog bringt.
      Der ‘Kaiser ist nackt’ und wir alle im Zweifel konstitutionelle Monarchisten 🙂

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