Rainald Goetz (ff). Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (99).

Schön, daß >>>> findeiss >>>> diese Diskussion >>>> wieder aufnimmt. So etwas müßte viel öfter geschehen; so weit ist Die Dschungel aber offensichtlich doch noch nicht. Das liegt nicht an ihr, sondern am am Zeitstrang ausgerichteten Verhalten ihrer Leser, an ihrer Traditionalität: die Autorität des Zeitstrangs wird anerkannt und nicht unterlaufen. Sowieso nicht, wenn man sich anschaut, >>>> welche Diskussionen und Berichte Rainald Goetzens Entschluß ausgelöst hat, >>>> sein Weblog einzustellen, das ja eigentlich gar kein Weblog gewesen ist, sondern eine mehr oder minder tägliche Folge von eigenen (klugen, keine Frage) Kommentaren und Beobachtungen zur Zeit, also eine Art Netz-Kolumne, an der kein anderer als Goetz selber mitwirken konnte und für die es eigentlich gar kein Problem ist, nun auch als Buch zu erscheinen. Es gab dort aber nicht das, was ich eine dem Netz angemessene Form nenne, sondern es war die simple Übertragung des Print-Mediums auf das Netz, allerdings durch den oft sehr persönlichen Notiz- oder, wie >>>> bei Buschheuer, Tagebuch-Charakter ausgezeichnet; formal aber imgrunde kaum eine Transformation. Ich denke, eine ästhetische Qualität von tatsächlichen Netzmedien besteht darin, daß sie sich in sich selber angreifbar machen und immer auch schon Strategien der Reaktion mitformen – also dialogisch sind, und zwar bis in ihre Wurzeln, zu denen ganz besonders auch objektivierte, Ich-„spaltende“ Selbstgespräche gehören, wobei letztlich nicht klar sein darf oder nicht soll, was nun eigene Selbstspaltung, was fremde ist. Bei Goetz blieb die Identität des Erzählers immer gewahrt, in Der Dschungel in ihren erkennbar zuzuordnenden Verfassern zwar auch, nicht aber mehr dort, wo Erkennbarkeit (eineindeutige Identifizierung) verschwimmt, etwa im >>>> Chorischen Tagebuch oder dort, wo Artikel Fiktionen wie Realitäten behandeln und Mitautoren ihrerseits Avatare generieren. Hier hat auch besonders die Anonymität von Kommentatoren ihren ästhetischen Rang. Ohnedies ist Mitwirkung eine zentrale Kategorie.
Reagierende Leser sind, damit sich die Form erfüllen kann, unabdingbar. Das Weblog muß einerseits enzyklopdisch – nach Stichworten, nach Themen (Rubriken), sowie nach Links – gelesen werden (können), das bedeutet: g e g e n den Zeitstrahl, der es oberflächlich strukturiert, wie anderseits m i t dem Zeitstrahl, und Leser müssen „alte“ Themen kommentierend wieder nach vorne in die Gegenwart des Zeitstrahles holen; erst dann garantiert sich eine unablässig atmende Vernetzung, deren formales Kennzeichen die interne Verlinkung ist, nicht etwa, wie die Blogosphäre zugriffsstrategisch meint, eine z.B. über Blogrolls nach außen. Das Literarische Weblog biegt sich wie Zeit um sich selber und rollt sich wie Spins (oder wie ein DNS-Strang) in sich ein. Das birgt nicht die Gefahr des Hermetischen, weil der Weg nach draußen ohnedies sehr viel näher liegt, gleich am nächsten digitus, als in irgend einem anderen Kunstmedium sonst, sofern von Happenings abgesehen wird.

findeiss zu Goetz’ KLAGE <<<<
>>>> 100
98 <<<<

28 thoughts on “Rainald Goetz (ff). Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (99).

  1. Klingt gut. Aber das Argument ‘das muss so sein, weil sonst ungenügende ästhetische Qualität’ klingt reichlich abstrakt.
    Besser find’ ich’s ja auch. Aber das Dialogische ist keine ewige Regel.

    1. @Bjoern. Selbstverständlich. Es klingt nicht nur reichlich abstrakt, sondern wäre in dieser formulierten Ausschließlichkeit auch falsch. Das Dialogische ist nur e i n e conditio sine qua non innerhalb der Netz-Ästhetik (Poetik, eigentlich ja; für Bildende Kunst mag im Internet etwas völlig anderes gelten).
      Jedenfalls kommen noch sehr viele andere >>>> Einträge hinzu, zu denen unter anderem das konstruktive Spiel mit Fiktionen, Avataren und der Vermischung realer und erfundener Geschichten, teils innerhalb ein- und derselben Threads, gehören. Das habe ich in meinem Litblog-Theorie-Schnitzelchen ja auch angedeutet. A l l e i n die dialogische Form reicht sicher n i c h t. W a s es braucht, das probiere ich – probieren wir! – ästhetisch hier aus.

    2. Ich persönlich fände es schon sehr witzig, wenn virtuelle Schreibende Texte schrieben, von ebenso virtuellen Lesern online gelesen und in der Folge eifrigst diskutiert. Findet aber, soweit ich sehe, nicht ernsthaft statt. Statt findet die Bundesliga, oder wie das jeweils auch immer heißt, wenn Vorlesende miteinander um den ersten Preis rangeln. Und in den Blogs sind die kleinen Zirkel wiederauferstanden, in denen es sich so sehr wohl leben und besser fühlen läßt. Fehlt nur noch, daß dort über die Mobilisierung der Massen diskutiert wird.

      Ganz offen gefragt: was wäre denn der Unterschied?

      Ich kenne nur ganz wenige Autoren der Bücher, die ich in meinem Leben gelesen habe. Und diese kennen sicherlich nur in Ausnahmefällen meine Meinung (was, haha, dem friedlichen Zusammenleben sicherlich förderlich war). Dennoch las ich stets gerne und auch mit ein wenig Gewinn, wie ich hoffe. Wozu nun soll dieses ganze Verweben und Verlinken und Verkünstlichen nur gut sein? Weil es justament geht? Ist das nicht ein alter Vorwurf an die Geistlosigkeit der Technik – das Machbare machen, weil es machbar ist?

      Ich sehe keinerlei ausgewiesenen Gewinn in dem “konstruktive(n, S.S.) Spiel mit Fiktionen, Avataren und der Vermischung realer und erfundener Geschichten”. Mir scheint es nichts als Nintendo hoch Zwei zu sein: neu, bunt, daher aufregend und irgendwie modern, aber doch auf die Dauer der immer gleiche Schnee, der unter der immer gleichen Sonne dahin schmilzt, auch wenn hundert Mal scheinbar begründend jeweils gängiger Wissenschaftsjargon herbei zitiert wird. Und was am Ende dabei heraus kommt, ist womöglich nur alter Wein in neuen Schläuchen – Texte, die nur die Zeit-, Wohn- und Bettgenossen, die unmittelbaren Peers und die berufsmäßig zum Lesen Verdammten eine Zeit lang miteinander wälzen und sich daraus Bedeutung holen.

      Denn, Verwirrspiel um Identitäten hin, Verlinkung und Diskussion (haha, Diskussion, e vero?) her – an einem Ende stehen die üblichen Menschen, die sich Texte aus den Fingern saugen, und am anderen ebenso übliche Menschen, die jene Texte lesen. Dazwischen wird Geld verdient. Vermutlich auch bald IP-Paket für IP-Paket und nicht nur Buch für Buch. Denn das geht technisch sicher noch einfacher als den Buchverkauf zu kontrollieren.

    3. @sumuze. Findet aber, soweit ich sehe, nicht ernsthaft statt. Das wird, gerade in Der Dschungel, deutlich bestritten. Andererseits nehmen Sie, daß Sie das “witzig” fänden, gleich in Ihren Nachbemerkungen wieder zurück, wo Sie sich selbst letztlich auf den vorf Ödnis nur so bröckelnden Satz reduzieren, es sei sowieso schon alles dagewesen. Aber auch das wird, und auch gerade in Der Dschungel, bestritten. Schon, daß etwas anders neu ist, heißt, daß es neu ist. Diese Satz betrifft besonders das, was ich unter Allegorien verstehe, jetzt mal im erweiterten Sinn gedacht.

      Wieso Sie allerdings ausgerechnet hier aufs Geld verdienen kommen, ist mir nun restlos schleierhaft. Da muß man dann wirklich mindestens dreißig verzerrende Brillen auf den Augen tragen.

    4. Es kann durchaus vor Gericht bestritten werden (mit Nichtwissen z.B.), aber das Bestreiten muß natürlich immer substantiell nachgewiesen werden. Das Bestreiten allein bleibt nur Geste.

      Daß Sie Sätze als ‘vor Ödnis bröckelnd’ empfinden, sagt wenig über das aus, was diese Sätze sagen wollen. Schade, daß Sie nicht argumentieren, ich wäre ehrlich gespannt auf ein Argument gewesen. Ihre Polemik bröckelt leider selbst in der Tat vor der von Ihnen in die Rede eingeführten Eigenschaft.

      Für mich sind z.B. einige Ihrer Gedicht, die Sie hier einstellen, lesenswert. Ich sehe eben nur nicht, daß diese von der Art des Einstellens berührt wären. Die Diskussionen, die ich nachlesen kann, entsprechen dem, was ich aus Freundeskreisen am Küchentisch oder woanders kenne. Größtenteils eher plakative Ja-schön/ich-weiß-nicht/ach-nein-Äußerungen. Nur manchmal geht die Netz-Diskussion in das Gedicht ein. Und Sie sind, das denke ich, noch die große – und für mich durchaus als Versuch rühmliche – Ausnahme unter den im Netz Schreibenden.

      Auch in viele Ihrer anderen Texte geht eine Menge an Diskussion ein, auf die mir aber in Ihrem Blog mehr verwiesen wird als daß sie eben dort geführt wird. Oder Sie rekurrieren häufig auf Literatur (sic!), die gedruckt vorliegt.

      Gerade das meinte ich mit meiner Frage nach dem Unterschied.

      Daß Literatur (allein schon ihres gesellschaftlich privilegierten Ortes wegen) immer auf Diskurs, Tradition und Avantgarde-Anspruch basiert, ist mir unzweifelhaft. Nur, was das Netz daran anders mache, das sehe ich nicht.

      Und endlich: Geld erwähnte ich, weil es immer eine Rolle spielt. Oder sehen Sie das anders? Das Sympathischste an Ihrem Blog ist mir – neben dem einen oder anderen Gedicht – stets, daß Sie über Geld reden, offen und freimütig und nicht immer auf sich selbst ein gutes Licht werfend. Meistens über den Mangel an Geld, natürlich, denn, wenn Leute mit Geld über Geld reden, wird es zu leicht unerträglich. Aber für meine Frage spielte, da haben Sie allerdings Recht, das Geld zunächst keine Rolle. Auch wenn Verdienstmöglichkeiten im Internet vielleicht auch für literarisches Arbeiten relevant werden kann. Ich weiß das aber nicht.

    5. @ sumuze . GRUNDSÄTZE. 1) „aber das Bestreiten muß natürlich immer substantiell nachgewiesen werden“.
      Nein, und schon gar nicht „natürlich“. Denn im Fall Der Dschungel d a r f es das nicht, einfach, weil sonst aufgedeckt werden müßte, was strukturdramaturgisch nicht aufgedeckt werden soll, was ich teils aber auch gar nicht aufdecken könnte, da mir selbst bei einigen Mitschreibern nicht klar ist, inwieweit sie Spaltungsavatare realer Mitschreiber sind. Ich „forsche“ da auch nicht nach, weil ich gern die Lesesituation anderer Leser teile. Insgesamt ist zur Vermischung realer und fiktiver Personen aber zu sagen, daß sie, wie ich das an vielen anderen Stellen ausgeführt habe, zu einer Seite meiner Ästhetik gehören. Ich habe damit auch in einigen meiner Romane gearbeitet. Das ist eigentlich bekannt, sofern man die Bücher denn auch gelesen hat. Und daß ich das tue, hat Gründe; ich habe über sie immer wieder geschrieben und mag mich nicht wiederholen.

      2) „Ihre Polemik bröckelt leider selbst in der Tat vor der von Ihnen in die Rede eingeführten Eigenschaft.“ – Also ich finde, daß man über die Falschheit des Satzes „Alles ist schon einmal dagewesen“ so wenig mehr diskutieren muß wie über das sich damit einstellende Gefühl der Langeweile. Eben das meine ich mit Ödnis. Weil etwas hundertfach wiederholt wird, wird es dadurch nicht „richtiger“. Weder ist noch ein wirklich heilendes Medikament gegen Krebs oder AIDS da, aber es w i r d das geben, noch hat es vor einhundert Jahren Düsenjäger gegeben. Weshalb das in der Ästhetik und überhaupt in den Geistesdisziplinen anders sein soll, verstehe ich nicht. Auch ist weder „Gegen den Tag“ noch auch „Ada or Ador“ schon dagewesen, bevor diese Werke geschrieben worden; vor Bach gab es die Cellosuiten nicht, die Pettersson-Sinfonien sind so einzigartig und neu wie Nonos Prometheo. Daß sich Neues aber immer auf Altem aufbaut, ist ein Gemeinplatz; deshalb i s t es nicht das Alte.

      3) „Ich sehe eben nur nicht, daß diese von der Art des Einstellens berührt wären.“ Die Gedichte wahrscheinlich weniger, das heißt: innerhalb meiner Produktionsprozesse sehr wohl. Es ist höchst fraglich, ob ich Gedichte überhaupt angegangen wäre, hätte es nicht diese Form ständiger Vergegenwärtigung gegeben. Das Netz objektiviert, und zwar besonders gegenüber dem Autor eines Textes: es rückt in die Fremde und stellt dadurch eine Distanz her, die wenigstens ich gegenüber meinen Gedichten sonst nie hätte und nie gehabt habe.
      „Die Diskussionen, die ich nachlesen kann, entsprechen dem, was ich aus Freundeskreisen am Küchentisch oder woanders kenne. Größtenteils eher plakative Ja-schön/ich-weiß-nicht/ach-nein-Äußerungen.“ Das ist nicht wahr, bzw. weiß ich natürlich nicht, was bei Ihnen so am Küchentisch gesprochen wird. Es soll Leute geben, die sich da tätig um hohe Mathematik kümmern. Bei mir am Küchentisch sind solche Gespräche n i c h t gängig; das mag aber daran liegen, daß drei Kinder da sind, die sich andernfalls mit Recht ausgeschlossen vorkommen würden. Im übrigen stimmt Ihr zweiter Satz nur g a r nicht; allein wenn Sie >>>> hier nachlesen, oder >>>> hier, oder >>>> hier. Davon gibt es Hunderte in Der Dschungel.
      „Und Sie sind (…) Ausnahme unter den im Netz Schreibenden.“ Ja sicher. Deshalb g i b t es Die Dschungel ja. Das macht sie derzeit einzigartig im deutschen Sprachraum; soweit ich ihn überblicke, selbstverständlich. Was in Der Dschungel geschieht, ist in keinem Buch so vorstellbar; es ist mir sehr ernst mit der praktischen und zugleich theoretischen Erkundung einer literarischen Netzästhetik. Daß ich mir noch sehr viel mehr Diskutanten wünsche, steht auf einem anderen Blatt, einem, das ich nicht alleine wenden kann.
      Übrigens gehen nicht nur wenige Kommentare in die poetischen Texte ein; Sie verkennen nämlich, daß Die Dschungel in allererster Linie ein Prosa-Zusammenhang ist. Vollständige Figuren sind aus Mitschreibern Der Dschungel destilliert worden, etwa >>> Brem in >>>> ARGO ; darüber u.a. wird es in dem im Herbst erscheinenden >>>> horen-Themenband eigens einen Aufsatz geben (den nicht ich selbst geschrieben habe). Und überhaupt bestehen Die Dschungel poetischerseits nicht nur aus Gedichten, auch wenn sie in den letzten zwei Jahren einen gewissen Überhang an Präsenz bekommen haben. Das liegt daran, daß ich mir die lyrischen Formen in dieser Zeit so formreich, wie mir möglich war, erschrieben habe; in der Prosa war mit dem Abschluß der Dritten Fassung von ARGO nicht mehr sehr viel zu lernen. Einstweilen. Und um die formalen Mittel zu haben, den Epilog von ARGO zu schreiben, b r a u c h (t) e ich die lyrischen Formen.
      Von diesem abgesehen, ist Die Dschungel aber auch ein Pool der – und wiederum aus der Aktion gewonnenen – Theoriebildung, die schließlich zu meiner Berufung an >>>> die Poetik-Dozentur der Universität Heidelberg 2007 geführt hat. Derzeit ist daraus ein Buch im Satz.

      4) „Auch in viele Ihrer anderen Texte geht eine Menge an Diskussion ein, auf die mir aber in Ihrem Blog mehr verwiesen wird als daß sie eben dort geführt wird.“ Siehe 3). „Oder Sie rekurrieren häufig auf Literatur (sic!), die gedruckt vorliegt.“ Selbstverständlich, die wird nicht ausgeklammert. Im Gegenteil. Und wenn Sie sich >>>> meine Poetik-Vorlesungen zur Poetik-Dozentur anschauen, sehen Sie, wie v i e l aus Der Dschungel auch in die theoretischen Überlegungen eingegangen ist. Dabei müssen – und werden Sie nicht – meine poetischen Theoreme nicht teilen; an der Tatsache selbst kann aber wirklich kein begründeter Zweifel mehr bestehen.

      5) „Gerade das meinte ich mit meiner Frage nach dem Unterschied. (…) Nur, was das Netz daran anders mache, das sehe ich nicht.“ Das Netz reagiert ziemlich in Echtzeit, das ist ein fundamentaler Unterschied; außerdem oszilliert es zwischen gesprochener und geschriebener Rede; in den Diskussionen finden Sie Sprechhaltungen, die in gedruckter Form kaum je – bezogen auf die Sujets – so vorkämen, ganz abgesehen davon, daß in die Diskussionen vor allem auch spontane Äußerungen eingehen, Emotionen etwa, die die gedruckten Diskussionen stets säuberlich ausgeschieden haben – als spielten sie bei einer sagen wir Entscheidungsfindung keine Rolle. Was so eben gerade nicht stimmt. Die gesamten in Der Dschungel nachlesbaren Wutausbrüche etwa, die persönlichen Attacken usw sind ein Teil der Theoriefindung; konventionellerweise wird das aber gestrichen und – ja: geleugnet.

      6) „Meistens über den Mangel an Geld, natürlich, denn, wenn Leute mit Geld über Geld reden, wird es zu leicht unerträglich.“ Hätte ich Geld, spräche ich logischerweise nicht drüber, weil es keinen Grund gäbe. Ich lebe aber bisweilen unterhalb des Existenzminimums, und alles, was ich tue, ist deshalb Kampf, wenn nicht sogar ein Krieg. Ich gehöre ja nicht eben zu den Hätschelkindern der deutschen Gegenwartsliteratur, sondern man hätte mich gerne weg. Was auch schon ein Zeichen ist. Und deshalb rede ich über Geld, weil die Frage und ihre Lösung und/oder Nichtlösung, wie ich meine Rechnungen bezahle, scharfe Auswirkungen auf meine Produktion hat. Einmal abgesehen davon, daß drei Kinder da sind, denen ich verantwortlich bin. Es ist kein leichtes Voltigieren, meine Verantwortung mit meiner, nun sag ich’s mal, poetischen Mission auf ehrenvolle Weise auszubalanzieren. Daß ich Persönliches an „Sachliches“ so eng anklammere, hat es meines Wissens in dieser auch theoretischen Konsequenz bislang nirgends gegeben; Die Dschungel – also ein Netzorgan – ist das Feld, auf dem darüber geforscht wird. Kein anderes Medium geschriebener Sprache wäre auch nur ungefähr so geeignet.

      7) Im übrigen scheint mir diese-Diskussion-selbst das trefflichste Beispiel gegen Ihre Einlassung zu sein, in Der Dschungel würde nur diskutiert wie an einem Küchentisch mit Freunden. Es diskutieren hier nämlich auch Gegner und bisweilen solche, die auch Sie nicht zu sich an den Küchentisch bäten.

    6. @knotscher 95. Das ist eine spannende Idee. Nur würde ich mich selbst da heraushalten wollen. Wenn Sie sich aber als Gruppe zusammenfänden, oinos, Sabine, cellini, chatnoir, sumuze usw. (ich mag jetzt nicht nachsehen und alle aufzählen, bitte um Entschuldigung) und wer immer noch mitmachen will, würde ich Ihnen für das Projekt einen Contributorenstatus einräumen, wenn es gediehen ist. Oder sowieso. Ein Gemeinschafts-Ich, mit dem Sie auch Ihrerseits in den Dialog eintreten könnten.
      Nun ist eine Crux des Netzes, das sogleich sein verbindender Vorteil ist, die räumliche Entfernung der Korrespondierenden; ich bin also skeptisch, was Ihre Idee eines Treffens angeht, sofern Sie die räumlich-konkret gemeint haben sollten. Aber selbst wenn solch ein Treffen möglich wäre, hielte ich mich gern fern, weil sich die Dynamik Der Dschungel durch persönliches Kennenlernen mit Gewißheit ändert. Ich muß für mich selbst darauf achten, den Eindruck von community strikt zu vermeiden. Etwas anderes sind Treffen zu zweit oder allenfalls zu dritt. Das bezieht sich aber nur auf m e i n e Haltung.

    7. @albanikolaiherbst: Zunächst einmal ein herzliches Dankeschön für Ihre ausführliche Reaktion. Es freut mich sehr, daß Sie sich die Zeit und die Energie dazu genommen haben. Dieses ist eine Eigenschaft Ihres Blogs, die ihn vor vielen anderen auszeichnet.

      Zu den Punkten:

      1) Leider immunisieren Sie sich mit dem, was Sie dort sagen. Ich meine nach wie vor, Sie kommen mit dem, was Sie an Avatar-Zauber betreiben, nicht über das, was etwa Herr Hammett im Glas Key Dain Curse (Verzeihung für den Irrtum, S.S.) vorlegte, hinaus. Sie meinen, doch. Punkt. Also beenden wir das Reden hierzu jetzt. Sehr schade, denn mich hätte das schon interessiert. Nun ja.

      2) Ihre Polemik bröckelt, weil sie sich auf einen Satz bezieht, den Sie selbst ins Spiel brachten, einem ungenauen Lesen der Quelle geschuldet. Sie ist damit kein Bestandteil eines Dialoges, sondern Monolog. Daher müssen wir auch hier nicht weiter reden.

      3) Diesen Gesichtspunkt habe ich mir genauer überlegt. Und denke, daß Ich ihn möglicherweise übersehen oder falsch gesehen habe. Ich las ‘Objektivieren’ stets als gerade das Gegenteil dessen, was für mich beim Schreiben geschieht. Und dann wiederum als genau das, was beim Vorlesen passiert. Ihre Sichtweise zieht das Entfernen (so würde ich ‘Objektivieren’ lieber ausdrücken) des Textes von mir selbst in den Schreibprozess selbst hinein. Oder will es zumindest. Das gefällt mir. Darüber denke ich gerne weiter nach, und muß auch weiter denken, da mir ihre Behauptung im Augenblick wenig sagt, nur einfach gefällt. Wenn es denn tatsächlich einen Effekt hat und nicht nur Gestus ist, wäre das in der Tat etwas für mich, das einen Unterschied begründete.

      Für mich dominiert jdoch heute noch die traditionelle Weise des Schreibens. Ich sehe ein erstes Vorlesen eines Texte (Freunden gegenüber z.b. in der Küche, genau!) immer als einen ersten Versuch, den Text ins Freie zu lassen. Wie ein Bastler, der schaut, ob das Modell so über den Daumen gepielt schon einmal hält, was er sich davon verspricht. Dann fallen die Zuhörer über den Text her, und ich reagiere beleidigt, erfreut, interessiert oder verärgert usw. und nehme ihn wieder mit zu mir nach Hause. Lasse ihn dort gehen wie einen Hefeteig. Schreibe vielleicht daran herum. Dann wiederholt sich das. Oft vielleicht, wenn ich denke, der Text sei gut, die Umwelt ihn mir aber um die Ohren haut. Nicht, wenn wir im Urteil übereinstimmen. In diesem Sinne sehe ich das Entfernen des Textes von mir auch als Bestandteil des Schreibens, aber mehr im Sinne einer begleitenden Kontrolle (Supervision, wenn Sie solche Worte eher hören wollen). Letztendlich geschieht Schreiben aber in mir, heimlich, versteckt, ja auch manchmal verschämt. Daher ist Entfernen für mich dem Wesen nach kein Schreiben, sondern lediglich Ausprobieren eines bereits Geschriebenen.

      Nun, Sie scheinen das anders zu sehen und zu machen. Ich sehe zwar nicht, wie, aber falls Sie dazu etwas sagten, wäre ich erfreut.

      Ich habe ab und an versucht, mit anderen zusammen etwas zu schreiben. Ohne viel Erfolg, zugegeben. Und sehe die Gründe des Mißerfolges durchaus in persönlichen Eigenschaften (Rechthaberei, Konkurrenz, Geschmack usw.) und in technischen Problemen (Zeit, Medium usw.). Dort könnte eine im Netz doch zeit-nahere (Ihr ‘in Echtzeit’ klingt ja schön, ist aber wohl mehr Wunsch denn Wirklichkeit) und einfachere Weise des Reagierens und Austauschens eine Menge helfen. Nur wird es die persönlichen Animositäten nicht ausräumen. Was nicht zuletzt auch die vehementen Diskussionen Ihres Blogs zeigen. Und es würde in meinen Augen auch dann immer noch ‘heimlich’ geschrieben, nicht öffentlich!

      Ich persönlich schätze die direkte Rede. Die bei uns nun einmal traditionell in der Küche statt hat. Da wir alle gerne mit Papier und Bleistift herum fuchteln, geht das im Bett und beim Spaziergang nur bedingt. Hm, wenn Kinder dabei sind, da haben Sie Recht, ist es auch in der Küche schwierig.

      4) An dem, was Sie dort schreiben, zweifelte ich nicht. Sondern sah es immer als ein Positivum Ihres Blogs. Da ich dieses aber noch nicht allzu lange und auch nicht auswendig kenne, habe ich wohl einiges übersehen.

      5) Ein seltsamer Punkt. Ab dem ‘in den Diskussionen finden Sie’ beschreiben Sie, was in einem lebendigen Redekreis geschehen sollte und kann – im Förderlichen wie im Hinderlichen. Was das mit dem Netz zu tun hat, scheinen Sie mit der anfänglichen Aussage: ‘Das Netz reagiert ziemlich in Echtzeit, das ist ein fundamentaler Unterschied; außerdem oszilliert es zwischen gesprochener und geschriebener Rede;’ begründen zu wollen. Mit der ich aber wenig anfangen kann.
      – Das Netz reagiert nicht in Echtzeit. Jedenfalls nicht in der Echtzeit einer direkten Rede. Verglichen mit Druckerzeugnissen ist es natürlich schneller. Aber es ist nicht einmal schneller als das Telefon.
      – Es oszilliert nicht zwischen gesprochener und geschriebener Rede. Meistens handelt es sich um geschrieben Rede. Vielleicht telefoniert man mit Bekannten, zusätzlich. Ich sehe da bis heute kein Oszillieren (das ja ein extrem schnellea Hin- und Herspringen wäre). Aber das mag sich mit Webcams usw. ändern. Nur, mit wie vielen Personen können sie zugleich reden? Wie unfruchtbar wird Rede, wenn zu viele Redner reden wollen?
      Hier sehe ich eher eine Bestätigung meiner Vermutung, das das Netz – an dieser Stelle zumindest – keinen Unterschied macht.

      6) Was Sie schreiben, ist das, was ich auch schrieb.

      7) Ich mag es, wenn miteinander geredet wird. Vor allem auch, wenn gegeneinander geredet wird. Das passiert bei uns in der Küche andauernd. Oft genug lasse ich heftig Federn dabei. Und wenn ich dorthin jemanden einlade, dann sicherlich nicht, weil er mir nachplappern soll.

      Nochmals also: das gefällt mir gerade an Ihrem Blog, wenn einmal Reden aufeinander prallen. Daß das nicht immer klappt, macht ja nichts. Einen Ort dafür bieten Sie sicherlich an, und die notwendige Redewut scheinen Sie ebenfalls mitzubringen, um etwaige Durststrecken einmal selbst zu füllen.

    8. @ knotscher95, Sabine und wen immer also von mir aus können wer so ein short-cut-ding, wie es knotscher offenbar vorschwebt gerne mal ausprobieren. (vorausgesetzt, Herbst sieht darin einen Mehrwert für den Urwald hier.) Begrenzte Wortanzahl ist auch in Ordnung, ich quatsch ja manchmal auch schon zu lang hier.
      Also, ich sage: maximal zwei Sätze in maximal drei Zeilen. Kurzstrecke eben.

      Was meint Ihr dazu?

      Ich kann zwar keinen Einkaufszettel beisteuern, weil ich zumindest in dem Bereich eher improvisiere, aber es findet sich schon was.

      Übrigens, Mister k: Wie steht’s jetzt mit dem Rhythmus im neuen Yesim-Gedicht?

    9. blogen/blocken sie ruhig weiter, knotscher!° flüsse wurden seit je her geblockt, selbst die natur, die ja immer im fluss zu sein scheint, benötigt blockaden hier und da…
      ich bin für ihre kommentare, sollten sie auch noch so sehr das gefühl haben, sie seien jetzt damit fehl am platze…
      alles andere hielte ich zwar für interessant und denkenswert, aber zwingend harmonisierend und damit zum kotzen.
      was so ein dazwischen geschobener, zweizeiliger kommentar ohne s c h e i n b a r e n sinn&verstand anregen kann ist ernorm!
      für ein freies blog m i t blockaden!
      cn

    10. besser, Hr. Herbst…. ja, stauungen habe ich wohl auch eher gemeint. stauungen triffts viel besser. schön. danke.

    11. @knotscher 95. Sie belebten also gerne die Rubrik MELVILLE? Für die ich dann einen Contributor-Status vergäbe und an die Beteiligten ein Anonym, das von verschiedenen gleichzeitig verwendet wird, die alle das Paßwort dafür kennen? Ist eine Möglichkeit; ich müßte mich nur darauf verlassen, daß die Melville-Beiträger sich mit den Beiträgen tatsächlich auch auf MELVILLE beschränkten. (Davon unbenommen, selbstverständlich, sind weiterhin die Kommentare andernorts).

    12. @knotscher 95. Ich bin mit einer “albernen” Rubrik vorsichtig, weil so etwas allzu schnell die Blödelkultur bediente, mit der wir es eh zu tun haben. Wirklich interessant finde ich die Idee, Texte unter e i n e r Identität von verschiedenen Lesern und Beiträgern verfassen zu lassen, sowohl als Kommentare w i e als eigene Beiträge bis hin zur Synthetisierung eigenständiger Figuren und Kunst-Texte. Daß so etwas komisch sein kann, steht außer Frage, aber es komisch sein lassen zu wollen, damit wir unserm inneren Daffke genügen, das, finde ich, kann man den Rundfunkmedien und Sitcoms überlassen. Die zahlen auch besser – falls jemand unbedingt so etwas schreiben will.

    13. hallo knotscher ich hatte mal unter meinem allerersten eintrag einen kommentar von dir, der mich t o t a l irritiert hatte. ich konnte damit GAR NICHTS anfangen und habe wirklich lange herumgegrübelt, was du damit aussagen wolltest und bin schließlich für mich zu dem schluß gekommen, dass du eben genau GAR NICHTS ausdrücken wolltest, sprich totale langeweile oder das du meinen text ebenso als nonsense empfunden hast wie ich dann deine zeilen… es hatte sich eben für mich aus deinem kommentar nur nicht erschlossen und ich war neu und nicht vertraut mit allem hier ( was ich nach wie vor nicht bin)- ich hatte den eintrag herausgenommen( nicht wegen deinem kommentar sondern wegen etwas anderem) und somit auch deinen kommentar, ich wäre unfähig ihn hier jetzt wieder zu geben. vielleicht kannst du dich aber noch vage erinnern?!

      ich lese deine sachen mit großer freude und verfolge die meisten deiner kommentare… ich mag meine vorstellung von dir, das weiß ich mittlerweile.

      wegen dieses neuen konzeptes, an das ihr da denkt (vor allem du), da würde ich sagen: AUSPROBIEREN. vielleicht gehts nach hinten los, vielleicht passiert, was keiner ahnte, vielleicht aber passiert auch überhaupt nichts— das wäre doch aber nicht schlimm, ja muss nicht einmal ein scheitern deiner idee bedeuten.( “the idea´s good but the world isn´t ready yet”) ich kann mir noch nichts darunter vorstellen, bis ich es umgesetzt sehe und erlebe, deswegen plädiere ich auch DAFÜR!, aber es klingt spannend!

      übrigens reitest du immer auf deiner eigenen literarischen unzulänglichkeit herum, ich finde, das kannste mal schön lassen. du schreibst.
      nette grüße

      ps: dein pseudo is echt knorke, knotscher!

    14. knotscher, so doof es sich anhören mag: wenn ich in einer kneipe sitze und auf den bierdeckel eine zeile schreibe oder ein wort und am nächsten abend bin ich wieder da und auf meinem leigengebliebenem bierdeckel ist ein neues wort oder ein neuer satz erschienen, dann hat das was. und wenn man dann absichtlich seine bierdeckel in der kneipe verstreut und nach einer weile wieder einsammelt, dann stehen da zum teil sehr eindrucksvolle sachen darauf, etwas ist entstanden in der zeit und durch verschiedene hände gewandert und geht doch als ein ganzes wieder daraus hervor…
      deshalb bin ich deiner lyrischen idee überhaupt nicht abgeneigt.
      ich denke hier wird automatisch etwas unterdrückt, manchmal eben auch aus rücksicht auf die laufende diskussion.
      ich glaube aber alles hat berechtigung, eben auch solche kommentare, die stören, irritierend wirken.
      ich sage: erst einmal beginnen: es findet sich jemand ein.

      und noch einmal: nein, den beitrag damals habe ich aus anderen gründen herausgenommen, finde es jetzt aber irgendwie erleichternd, befreiend oder was auch immer da in der nähe liegt, dass dein kommentar nicht bloße nonsense-schreiberei war. einschätzen konnte ich das nämlich damals nicht.

      ich bin auch nicht vom fach, zumindest handwerklich gesehen, bei mir geht ALLES über mein gefühl, und ja, im grunde: worüber auch sonst. der erste anhaltspunkt ist-meiner meinung nach- immer ein gefühl!
      aber darüber denke ich noch einmal nach.
      ich geh jetzt zum konzert.
      ´n abend!

    15. @knos Dich korrigiert? Das soll wohl ein Scherz sein! Und was den albernen Humor anbelangt, dazu kann ich nur sagen: Es reicht schon wenn einer lacht, vor allem man selbst!!!

    16. @ knotscher95, Feelia und Interessierte Wo-ho, Meister!
      Watt’n da los? Da muß ich mal einen Tag arbeiten, und schon wird binnen dieses Tages eine gute Idee im thread begraben?
      Ich würd sagen: read An hat ihren comm. weniger kritisch gemeint als Du ihn aufgefaßt hast; Feelia hat schon den Kolumnentitel geliefert: BIERDECKEL. — Damit kann sich jeder identifizieren, Inhaltliches ist von vornherein nicht vorgegeben. Und: Der Platz ist begrenzt. Machen wir’s doch einfach. Pro post nicht mehr als auf einen Bierdeckel paßt. (Vielleicht steigt ja der Merz ein und postet ne Steuererklärung! … Jetz lach ich als einziger.)

      Also: Wie isset? Ganz oder gar nich…

      good n8

    17. @knos Mir ging es bei den Ifone Sessions ähnlich! Gerade in diesen 3-Tagebartdiskussionen, an denen die Kommentatoren ihr gestapeltes Wissen auf den Tisch knallen wenn ein Kommentar in kürzester Zeit den nächsten befeuert war mein “Bierdeckel” sowas von dichtgekritzelt, das kann man bei einer solchen Diskussion gar nicht alles unterbringen, ich versuche das aber trotzdem, auch wenn ich mir im Nachhinein immer wieder überlegt habe: passt das eigentlich? Doch es passt! Vor allem für die, die assoziativ andere Wege laufen. Ich fand auch schade dass Du (ich bleibe jetzt mal frech beim Du!) damals dein L´art poor l´art Gedicht wieder rausgenommen hast, das sich an meinen Kommentar zu Ifone angeschlossen hat (“zuviel am atomic cocktail Mann und Frau genascht”) um nur ein Bsp. zu nennen, falls Du dich noch erinnerst! Insofern hatte ich während der Zeit oft das Gefühl von mehreren Diskussionsebenen, wie in einer realen Runde in der ähnlich Tickende ihre zusätzliche Schiene mitlaufen lassen.
      Also kommt in einem Mehrkörperensemble doch was raus … Also wat nu!

  2. MELVILLE. @ knotscher, oinos, read An und alle. Gut. Ich nenne die synthetische Figur MELVILLE und lege für sie ein Profil an. Wer sie schreiben will, melde sich bitte über >>>> das fiktionaere Kontaktformular. Ich schreibe dann zurück und teile Ihnen die Zugangsdaten mit. MELVILLE hat Contributoren-Status; ich bitte Sie allerdings, sich auf die Rubrik MELVILLE zu beschränken; da muß man beim Erstellen oder Umschreiben des/der Threads das entsprechende Häkchen aus dem Feld oben rechts herausnehmen. Im übrigen bin ich gespannt.

    1. @ knotscher95; Herbst Ja, wie? Ich hab schon versucht, an die Melville-Daten ranzukommen, habe es aber nur bis zum Newsletter geschafft. Is also nicht so, daß sich “keiner gemeldet” hätte.
      Mensch, knotscher, jetzt bleib mal locker. Gib den Leuten doch n bischen Zeit, bis sie mit der Idee warm geworden sind. Außerdem: Du könntest doch easy die Kolumne eine Woche allein unterhalten, bis sich die Mannschaft gefunden hat. nich so schnell aufgeben!

      Herr Herbst, ich habe jetzt temporär (sagen wir: bis übermorgen) meine e-mail-Adresse freigeschaltet. Wären sie so nett, mir die Daten zu Melville zu senden? Ich komme mit twoday nicht recht weiter und habe eigentlich nich die Zeit mich da genauer reinzudenken.

      Dank und Gruß.

    2. Moment, an mir soll´s nicht liegen. Musste die letzten Tage noch einiges abarbeiten. Ansonsten war ich mir über den Ablauf noch nicht ganz klar, vielleicht solltest Du einfach loslegen und Dich in melville ansiedeln, mal schauen was Du da anpflanzt, ich bringe dann auch ein paar Stecklinge mit…, außerdem waren Feelia & oinos doch auch begeistert, ich glaube nicht dass die beiden sich das anders überlegt haben!

    3. @knotscher95 und den Rest. seh ich auch so, knotsch! ich war beschäftigt die letzten tage, nicht mal für einen blick in die dschungel hat´s gereicht…ich muss ein bisschen was ordnen und dann bin ich da.
      spontan, selbstverständlich.
      guten tag.

  3. ad 123 sehr geehrter herr herbst,

    entschuldigen Sie, wenn dies ein zu ausführlicher kommentar wird. eigentlich wollte ich ihnen dies als mail übermitteln, aber das kontaktformular läßt nur 1024 zeichen zu. ich schreibe so ausfuehrlich, weil ich ihr bemühen um eine theoretische fundierung der netzliteratur teile (und ihre benühungen wie ihre bücher lese, wo ich sie finden kann, leider zum teil nur in der hiesigen nationalbibiolthek.)

    1) ad gesprochene/geschriebene rede
    sie selber merken die osszilation der rede im blog zwischen gesprochen und geschrieben an (da ähnelt ihr interesse dessen goetz’ im so called heute morgen projekt). an diesm punkt muesste ihnen doch klage zusagen?
    meine weitergehende behauptung wäre allerdings, daß die rede NICHT zwischen gesprochen und geschrieben ossziliert, sondern genau genommen im netz (in blogs, threads und chats) eine neue/weitere form der geschriebenen rede entsteht (dies als zusätzliches argument sowohl fuer klage, als auch die dschungel).

    in blogs, threads und chats werden sinnleistungen der schrift aufgeboten, die in der gesprochenen rede nicht, und in der geschriebenen rede nur am rande (visuelle poesie als extrembeispiel) zur verfügung stehen (zb: VISUALITÄT der buchstaben, bspw.:

    (ge): GEHST DU SPÄTER MIT MIR WAS TRINKEN, WANN DU WILLST, ALLES IN ZWEI STUNDEN MÖGLICH ODER SPÄTER!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
    K: Die Großbuchstaben interpretiere ich mal als Dringlichkeit ….
    K: wie wärs um elf?
    (ge) : (wunsch, nicht dringlichkeit, schreiende sehnsucht, die zwar ihre objekte (bier, k) kennt, aber keinen grund, nur überschuß…) Passt.

    oder auch ‘objektivierte’ informationen (auch wenn sie manipulierbar sind, zum beispiel der zeitpunkt des veröffentlichens, der rhythmus auf der zeitskala, in dem kommentare eingestellt werden):

    [16.12.2007 21:00:56] (ge): ich glaub zum beispiel auch nicht daran, daß meine jammerarie
    [16.12.2007 21:01:03] (ge): jetzt gerade
    [16.12.2007 21:01:14] (ge): a) gerechtfertigt
    [16.12.2007 21:01:24] (ge): b) gedeckt
    [16.12.2007 21:02:08] (ge): oder das mein unglück da oberhalb und unterhalb der rippen
    [16.12.2007 21:02:15] (ge): a) real
    [16.12.2007 21:02:20] (ge): b) fremdverschuldet
    [16.12.2007 21:02:24] (ge): c) selbstverschuldet
    [16.12.2007 21:02:33] makulatur : du bringst mich gerade sehr zum lachen
    [16.12.2007 21:02:36] (ge): d) frei von intentionalität
    [16.12.2007 21:02:53] (ge): na fein.
    [16.12.2007 21:03:00] makulatur: entschuldige
    [16.12.2007 21:04:01] (ge): (immerhin glaube ich, daß die rippen real sind – da kann man ja mal anfangen)
    [16.12.2007 21:04:06] makulatur: ja

    dabei ist es eine offene frage, ob das medium internet das medium buch umfasst (d.h. buch-artiges aufgreift und umfasst) oder umgekehrt (wie pelevin das in “der schreckenshelm” tut – leider mit einer schwachen fabel.), ob das medium internet sich auf das medium des buchdruckes oder der schriftkultur (brief, bierdeckel) bezieht oder sich der kommunikation unter anwesenden annimmt (küchentisch).

    das nur zur komplexitätssteigerung. aber EIN kriterium dafür, inwiefern ein blog ein tatsächliches netzmedium ist, könnte auch die hinwendung zu diesen spezifischen sinnleistungen sein.

    2) ad autorität des zeitstrahls
    ich denke, daß eine der ästhetischen qualitäten eines textcorpus, der im netz veröffentlicht wird, genau darin bestehen KANN, den nach vorne offenen zeitstrahl als ästhetische basiskomponente zu verwenden.

    um ein buch als beispiel zu verwenden: in “die folgenden seiten” von jürgen becker wird jeden tag auf eine seite eines notizbuches ein text geschrieben, bis das notizbuch voll ist (so jedenfalls die – vielleicht fiktive – ästhetische rahmensetzung). innerhalb der welt dieses buches gelten also wahrscheinlich folgende regeln: ein eintrag wird nicht geändert. jeder folgende eintrag steht im verhältnis zu allen vorherigen einträge. und umgekehrt: jeder eintrag steht im verhältnis zu allen noch folgenden, noch unbekannten einträgen.

    (in anbetracht des buches verstehe ich nicht, warum der suhrkampverlag jürgen beckers text zwar in einem, dem beschriebenen notizbuch entsprechenden, grünen leineneinband druckt, aber nicht jeden text auf eine seite, oder noch besser: als faksimile. und an den autor JB: warum dieser text nicht als blog veröffentlicht wurde: jeden tag ein eintrag, bis das (gesetzte) notizbuch voll ist.)

    zusammengenommen mit dem von Ihnen selbst beschriebenen effekt der objektivierung durch das aufschreiben/veröffentlichen (in ihrem fall: der gedichte) wäre ein solcher text im netz analog zur aufführung vor publikum oder live-übertragung einer musikalischen improvisation
    zu verstehen (als studiosession, als folge von konzerten, oder mehreren musikstücken, als album…). sicherlich würden sie eine solchen übertragung nicht mit dem argument kritisieren, daß, wenn schon die technik zum übertragen verwendet würde, man doch bitte auch alle tonspuren benutzen sollte, die instrumente einzeln einspielen, abmischen, nachaufnehmen, fehler korrigieren sollte usw. oder daß man, in anbetracht der (sound- und kompositions-) technischen
    möglichkeiten überhaupt auf improvisation verzichten sollte. oder das der mitschnitt einer improvisation ästhetisch wertlos sei.

    anders gesagt:

    die autorität des zeitstrahls, und der verzicht auf kommentare, innere verlinkung (die auch der leser vornehmen kann) usw. kann durchaus die ästhetische qualität eines blogs ausmachen – im sinne einer literarischen improvisation. und genau dafür bietet das netz AUCH die entsprechenden technischen bedingungen – insofern kann man auch die autorität des nach vorne offenen zeitstrahles als “ästhetische qualität eines tatsächlichen netzmediums” begreifen.

    meiner meinung nach ist es genau das, worauf goetz in klage abgezielt hat. das es ihm (im gegensatz zu jürgen becker im buch) vielleicht nicht so ganz gelungen ist, ist noch kein ästhetisches argument – oder irre ich mich da?

    3) geht es da doch auch
    und dann geht es doch auch, insbesondere wo es um dialogische struktur des bloggens geht, doch wieder um rezeptionsästhetik. vielleicht kennen sie den einwand alfred andersch gegen “zettels traum”: das buch sei nicht als ganzes zu rezipieren, da nicht “vor dem geiste zu halten”, insofern können man es auch nicht rezensierenieren. sinngemäß: es sei kein buch. die schungel sind jedenfalls als ganzes nicht zu rezepieren, noch nicht einmal der jetzt schon erreichte status quo.
    wenn ich mir überlege, auf welche weisen ich die dschungel rezepieren: dann, einerseits, entlang der autorität des zeitstrahls (auf eine luschige art und weise: ich schaue alle paar tage einmal nach, scrolle etwas herum), und andererseits durch verwendung der suchfunktion. das suchfeld als link zu allem erlaubt mir also, meinen eigenen links zu folgen. wo würden sie im verhältnis zu diesem link ihre eigens angebrachten links verorten? ästhetisch? geistig?

    mit grüßen,
    hochachtungsvoll,

    (ge)

    http://www.beiseite.blogspot.com
    ___
    http://beiseite.blogspot.com/2008/03/angemessen-weiss-ich-nicht-und.html
    http://beiseite.blogspot.com/2008/06/und-daniel-kehlmann-schreibt-gehobene.html

    1. @ ge. Zuerst einmal: ich finde, daß Ihr Kommentar so und auch so vollständig hier ganz richtig steht. Wir haben ja einige Probleme im Netz, doch die des Raumes gehören nicht dazu.

      1)an diesm punkt muesste ihnen doch >>>> klage zusagen?Aber ja, wie ich insgesamt Goetz literartheoretisch für einen der wichtigsten Gegenwartsautoren halte. Nu’ oute ich mich also mal. Zugleich halte ich in manchem aber zumindest anscheinend (auch mir selber so scheinend) entgegengesetzte ästhetische Positionen, die aber wahrscheinlich mehr mit meiner vom Pop in keiner Weise berührten Sozialisation zusammenhängen, als daß sie tatsächlich auf einem theoretischen Dissens gegründet wären. Ich habe eine mit zunehmendem Alter immer stärker werdende emotionale Verbindung zum Neo-Klassizismus; daß ich immer schon Wert auf „richtig geschriebene“ Romane legte – freilich in Verbindung mit einem Voranpreschen formaler und gestalterischer Möglichkeiten -, gehört dazu.
      meine weitergehende behauptung wäre allerdings, daß die rede NICHT zwischen gesprochen und geschrieben ossziliert, sondern genau genommen im netz (in blogs, threads und chats) eine neue/weitere form der geschriebenen rede entsteht (…). in blogs, threads und chats werden sinnleistungen der schrift aufgeboten, die in der gesprochenen rede nicht, und in der geschriebenen rede nur am rande (…) zur verfügung stehen (…).Das widerspricht meiner Grundeinschätzung des Oszillierens nicht (das ja >>>> ein Flirren ist). Ganz sicher haben Sie recht, daß etwas Neues daraus entsteht, aber das halte ich letztlich für eine banale Feststellung, weil die Verbindung – genetisch gesprochen: Kreuzung – verschiedener Elemente i m m e r zu Neuem führt; ich bevorzuge eine genetische Sicht, weil Wesen dabei herauskommen; in unserem Fall Textgeschöpfe, die schließlich etwas ausgesprochen autonom Wirkendes an sich haben und sich so auch verhalten. Es ist mir nur auffällig und faszinierend, wie sehr viel weitergehend, ja perfekt, es dem Medium Internet-als-Dichtung-verstanden gelingt, Ideologeme, ja Dialekte bis in die „Niederungen“ der Umgangssprache fixierend zu verschriftlichen – etwas, das sehr großen Dichtern, die sich drum bemühten, immer nur ganz selten gelungen ist; man merkt ihren Büchern nahezu immer den Willen, so etwas zu tun, an, was aus dem Text dann immer eine gehobene Maske macht. Eine Ausnahme ist hier wohl Hans Carl Artmann, aber der schrieb auch nie einen Roman.dabei ist es eine offene frage, ob das medium internet das medium buch umfasst (d.h. buch-artiges aufgreift und umfasst) oder umgekehrt (wie pelevin das in “der schreckenshelm” tut – leider mit einer schwachen fabel.), ob das medium internet sich auf das medium des buchdruckes oder der schriftkultur (brief, bierdeckel) bezieht oder sich der kommunikation unter anwesenden annimmt (küchentisch).Ich kann hier keine Frage erkennen, da der Bezug auf das Buch als des ehemaligen, jedenfalls in künstlerischer Hinsicht Hauptmediums der Sprache als Bezug ganz unfraglich ist; daß das Medium Internet das Medium Buch umfasse wiederum, muß aus meiner Sicht dagegen verneint werden, einfach deshalb, weil im Internet der Begriff „umfassen“ n u r symbolisch ist; in der Realität ist er aber zugleich konkret: eine Frau mit einem Gedicht zu umfassen, ist etwas anderes, als zugleich ihren Leib zu umfassen. Dieser (realistische!) Standpunkt ist für mich ununterlaufbar.

      2a) ich denke, daß eine der ästhetischen qualitäten eines textcorpus, der im netz veröffentlicht wird, genau darin bestehen KANN, den nach vorne offenen zeitstrahl als ästhetische basiskomponente zu verwenden. Ganz sicher; analog entspräche das dem realen umschlagen-Müssen von Buchseiten. Ihr nächster, ein Beispiel gebender, Gedanke stützt das. Mich interessiert aber ästhetisch die Aufhebung dieses notwendigen Umstands; Cortázar versuchte das, in Rayuela, über an den Kapitelenden stehende Verweise („Links“!) auf eine mögliche andere Weiterlese-Folge als die herkömmliche der je nächsten Seite. Solche Konstruktionen sind in Romanen aber Krücken, vergleichbar den ersten Radiobasteleien, denen heute der Internet-Empfang gegenübersteht, in dem sich die materialen Spuren fast völlig verlieren, jedenfalls, wenn man nicht sucht (den genetischen Code entschlüsselt).(…) innerhalb der welt dieses buches gelten also wahrscheinlich folgende regeln: ein eintrag wird nicht geändert.Als poetischer Praktiker glaube ich das nicht, so wenig, wie ich an Authentizität glaube. jeder folgende eintrag steht im verhältnis zu allen vorherigen einträge. und umgekehrt: jeder eintrag steht im verhältnis zu allen noch folgenden, noch unbekannten einträgen.Das ist insgesamt eine banale Einlassung, sie stimmt so sehr, daß sie gar nichts besagt, da sie alles besagt.

      2b) Ihre Frage an Jürgen Becker kann ich schlecht beantworten, und weil ich nicht weiß, ob er von Der Dschungel überhaupt weiß, geschweige sie auch mitliest, halte ich es für unwahrscheinlich, daß Ihnen hier Antwort gegeben werden kann. Schreiben Sie ihm einfach via Verlag; Sie können ja auf unsere Diskussion verweisen. Wer weiß?, vielleicht reagiert er dann auch hier.

      3) zusammengenommen mit dem von Ihnen selbst beschriebenen effekt der objektivierung durch das aufschreiben/veröffentlichen (in ihrem fall: der gedichte) wäre ein solcher text im netz analog zur aufführung vor publikum oder live-übertragung einer musikalischen improvisation
      zu verstehen
      Das wäre schön, aber ich glaube es nicht. Denn zumindest viele meiner eigenen Texte in Der Dschungel entstehen durchaus nicht in Hinblick auf Spontaneität und/oder Improvisation. Oft sind sie vorher lange durchgewalkt worden oder werden es weiter; nicht immer ist der Prozeß öffentlich nachvollziehbar. Freilich, in den Gedichten kann ich damit weitergehen, als es für Prosa, vor allem längere, möglich ist; was reine Zeitgründe hat, aber auch dem Umstand geschuldet ist, daß ich manchen Müll, den ich verzapfe, dann lieber d o c h nicht fixiert haben möchte. Aber Sie zielen auf etwas anderes: sicherlich würden sie eine solchen übertragung nicht mit dem argument kritisieren, daß, wenn schon die technik zum übertragen verwendet würde, man doch bitte auch alle tonspuren benutzen sollte, die instrumente einzeln einspielen, abmischen, nachaufnehmen, fehler korrigieren sollte usw. oder daß man, in anbetracht der (sound- und kompositions-) technischen
      möglichkeiten überhaupt auf improvisation verzichten sollte. oder das der mitschnitt einer improvisation ästhetisch wertlos sei.
      Nein, s o wohl nicht. ABER: Wenn mir das übertragene Ergebnis als grob unzulänglich erscheinen sollte, DANN, in der Tat, würde ich Nachlässigkeit gegenüber den Möglichkeiten einklagen. Da kommt wahrscheinlich mein innerer Klassizismus wieder zum Tragen, auch meine Freude an der Vollendung und Schönheit.die autorität des zeitstrahls, und der verzicht auf kommentare, innere verlinkung (die auch der leser vornehmen kann) usw. kann durchaus die ästhetische qualität eines blogs ausmachenWas die Kommentare anbelangt, eben nicht. Zwar, den Text (seine Qualität) muß das nicht scheren, wohl aber das Medium; ich halte nicht viel davon, Gedichte als Gedichte auszugeben, deren einziger Bezugspunkt auf das Gedicht der manierierte Zeilenumbruch ist, die sich im übrigen aber nicht von durchgeschriebener Prosa unterscheiden. So verstehe ich eben auch ein Literarisches Weblog: wenn das einzige Unterscheidungskriterium eines Textes die Publizierung im Netz statt als Buch ist (oder als Kolumne oder als sonstwas Printiges), dann handelt es sich n i c h t um ein Weblog. Das sagt aber nichts über ästhetische Qualität. Wiederum kann man selbstverständlich „die autorität des nach vorne offenen zeitstrahles als ästhetische qualität eines tatsächlichen netzmediums begreifen“ und sie so auch zu einer ästhetischen Grundlage machen; das ist aber nicht das, was m i c h künstlerisch interessiert; jedenfalls interessiert es mich nicht an erster Stelle. Denn mehr als daran, wie man das Internet-an-sich zu einer Kunstform machen kann, interessiert mich die Weiterentwicklung des Romanes, und dazu gehört eben der Roman-in-den-Zeiten-des-Internets; wie Rapsch >>>> hier richtig anmerkt, glaube auch ich nicht daran, den zeitgenössischen, nach-postmodernen Roman einfach noch so weiterschreiben zu können, ohne die Möglichkeiten des Netzes für ihn in Bewegung zu setzen. (Das heißt aber jetzt nicht, daß ich nicht sehr wohl auch Romane hochschätzen kann, denen das Internet ganz wurscht ist.)

      3) (…) und andererseits durch verwendung der suchfunktion. das suchfeld als link zu allem erlaubt mir also, meinen eigenen links zu folgen. wo würden sie im verhältnis zu diesem link ihre eigens angebrachten links verorten? ästhetisch? geistig?Ich „verorte“ nicht, sondern setze; manche meiner Links führen ja ins geradezu Irre, manche führen auf völlig andere Themen, einige bilden tatsächlich Sinnzusammenhänge (Nexūs), verbinden sozusagen die Kapitel des Romanes Die Dschungel. Anderswelt. Deshalb kann ich über „meine Links“ keine generelle Aussage tätigen. Man muß ihnen folgen (oder nicht) und dann ein eigenes Verhältnis entwickeln, was ja oft ganz spontan passiert, jedenfalls bei mir, wenn ich anderswo solchen Links gefolgt bin. Sie wissen vielleicht, daß ich einige Zeit – später dann eher selten – mit >>>> „versteckten“ Links operiert habe, die man beim Lesen eines Textes nicht sah, doch dann, wenn man mit dem Cursor den Textes „abtastete“, finden konnte. Bisweilen gibt es solche Links heute noch; im allgemeinen bin ich aber zur Kenntlichmachung zurückgekehrt, einfach, weil mir realisierte, bzw. realisierbare Zusammenhänge wichtiger wurden.

      Ich danke >>>> Ihnen für die Zeit, die Sie sich nehmen und nahmen.

    2. @ (ge); blogs, personen, figuren wenn anh hier primär aus der perspektive des blog-produzenten reagiert, möchte ich noch einige bemerkungen primär aus der perspektive des blog-rezipienten anschließen. unter dieser voraussetzung also zu:

      1) die von Ihnen angesprochenen sinnleistungen der schrift sind in meinen augen keineswegs netz- oder blog-spezifisch, sondern an den buchstaben als kleinsteinheit der schrift gekoppelt. Sie haben am rande arno schmidt erwähnt. bei ihm finden sich solche sinnleistungen durch alle möglichen auszeichnungsarten: kapitale, akzente, zeichensetzung, phonetische schreibung &c.
      und man muß keineswegs ins zwanzigste jahrhundert schauen: ähnliche phänomene finden sich in handschriften des mittelalters ebenso wie in drucken der barockzeit: kapitale, versalien, rubrizierungen, nicht zu vergessen graphische gestaltung von initialen in den manuskripten; all dies und – was aus xml-technischen gründen in blogs so gut wie nie vorkommt – unterschiedliche schrifttypen. kurz gesagt: die von Ihnen genannten sinnleistungen sind überall dort zu finden, wo sich medien auf den buchstaben stützen.
      etwas, was das neue medium exklusiv vermöchte, wären z.b. animierte buchstaben oder objekte. allerdings muß der autor es schaffen, daß diese objekte nicht als kunst um der verkünstelung willen wirkt.

      was die ‘objektivierten’ informationen angeht, so bindet gerade die aufführung dieser (also etwa oben “Aikmaier antwortete am XXX”) als struktur des blogs seine schreibweise an ‘klassische’ einteilungspraktiken, etwa des tagebuchs, des fahrtenbuchs, des kassenbuchs zurück. interessant wäre der versuch eines blogs, der auf all diese strukturen verzichtet, einschließlich vorgefertigter sinnstiftungen wie “kommentar”, “antwort” und dgl. verzichtet und einträge, seien sie kommentierend oder originär, gleichrangig aufführt. dann, und nur dann, könnte man dem “diktat eines (pseudo-echt)zetistrahls” entkommen. das führt aber nur zu 2.

      umfaßt das netz das buch? wohl kaum. denn eine entscheidende “begreifbare” eigenschaft des buches geht dem blog ab: das format. das format der dschungel richtet sich nach der größe Ihres oder meines bildschirms. hingegen können Sie mit einem buch in der hand (wie zum beispiel DEN AEOLIA) dessen format, satzspiegel &c. als ästhetische komponente aufnehmen, die das netz in der form nicht bieten kann.

      2) Ihr argument leuchtet ein, daß auch eine “puristische” verwendung des textes im blog äshtetische qualität haben kann. allerdings ist es mit der offenheit des zeitstrahls so eine sache, eben aufgrund der zeitlich qualifizierenden zusätze (siehe 1).
      doch die analogie zur live-show scheint mir problematisch. denn das konzept des “live” setzt eine reale, zumindest aktuale, person voraus, die eben etwas zur aufführung bringt. in blogs hingegen können Sie es mit mehreren virtuellen ‘personen’ zu tun haben, deren verhältnis zu aktualen unbestimmt oder zumindest für den einzelnen unbestimmbar ist. solche avatare, nicks &c. sind ja schon AUSGIEBIG UND KONTROVES DISKUTIERT worden.
      und eben darin scheint mir ein ästhetischer sprung vom buch zum (literarischen) blog zu bestehen: indem beiträger oder kommentatoren ihrerseits “figuren” erfinden und im blog mit-schreiben lassen, verselbständigen sich diese mit der zeit und “handeln” aus einer eigenen (figuren)logik heraus. damit bevölkern sie einen literarischen raum, wie das ein selbst von mehreren autoren verfaßtes buch nicht könnte. denn die abgrenzung aktualer zu virtuellen ‘personen’ ist nicht jederzeit für jedermann ersichtlich. zwar gab es netzwerkelnde vorläufer im alten medium, wie etwa den ULCUS MOLLE INFO DIENST, aber solche waren eben formal agitprop, nicht literatur in herbsts emphatischem sinn.
      vor diesem hintergrund einer prinzipiell stets erweiterbaren figuren-palette ergibt sich

      3) daß man es eben nicht nur mit einer dialogischen struktur zwischen produzent und rezipient, sondern durchaus mit einer ‘vielstimmigen’ situation zu tun hat, an der (vormals) eigene figuren ebenso beteiligt sind wie aktual “verankerte” leser. insofern ist es nicht nur das werk, welches sich, da es als ganzes nicht wahrnehmbar ist, fragmentiert, sondern auch die wahrnehmenden selbst sind im hinblick auf ihren figuren-charakter fragmentierbar geworden.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .