Unendlichkeit. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (12).

Eigentlich müßte man Benjamins Passagenwerk als Weblog fassen. Dann würde klar, welche Verlinkung der Mann dem Computer im Kopf v o r a u s n a h m. Der Kosmos nach innen gespiegelt: Feuerwerk der Ganglien. Für Bach diagnostiziert Hofstaedter, der das Passagenwerk vermutlich nicht kennt, ganz Ähnliches: Im Kopf mehrere Schachspiele gegen sich selbst spielen, und zwar simultan. Und ein jedes gewinnen. Etwa die Quadrupelfuge beenden und nicht über ihr sterben. Wie erschafft man einen musikalischen Krebs im Weblog, das sich über je neue Generationen weiterschreiben läßt, also potentiell – jedenfalls für absehbare Zeit – unendlich ist, da nicht von einem einzigen Autor, sondern im Idealfall von Generationen verfaßt? Vier Spieler einigen sich auf ein Thema (das durchaus das Thema „Bloggen“ selbst sein kann) und verbinden ihre Weblogs nach einem Verfahren, das, sagen wir, der Zwölftontechnik oder aber dem alten Quintenzirkel oder einem anderen Modell abgeschaut ist. Weitere Spieler kommen hinzu. Ad inf. Die Quadrupelfuge wird n-wertig. Zuweilen werden sich die Melodien treffen, ebenfalls wie eine Fuge, die ihren Abschluß findet… doch wie „die Welt“ ist er zugleich Auftakt und nimmt über die Verlinkung auch das Vergangene, historisch gewordene, wieder ins gelesene Leben zurück. Schon das Passagenwerk zu lesen bedeutet: durch einen inneren Kosmos zu seurven. Den Links entsprechen in der Buchform die Quellenangaben, von denen die Ästhetik immer auch etwas gestört wird. Das wiederholt sich im Weblog anhand der farblichen oder sonstigen Hervorhebung im Text. Eine Netzästhetik sollte deshalb dazu übergehen, auf solche Hervorhebungen zu verzichten: Dann surft der Leser in wenigstens z w e i f a c h e r Hinsicht, nämlich auch material, indem er den Cursor den Text nach Links a b s u c h e n läßt; er fährt gleichsam mit dem Finger über den Bildschirm und erfährt dann auch das Wort „digital“ wieder in seinem ursprünglichen Sinn, denn „digitus“ ist der – Finger).

*] Obwohl man doch weiß, mit welchem Zug der „Gegner“ auf den „eigenen“ Zug parieren wird – eine hochsolipsistische Leistung.

Erster Nachsatz
So wird auch zu lesen ein unabschließbarer Akt: Triumph der Mimesis und Borges’ unendliches Buch.
Zweiter Nachsatz
Ich werde in diesem Weblog später die farblichen Hervorhebungen aufheben.
S u c h e n Sie dann die Links.
Dritter Nachsatz
Bei optisch verschwundenen Links bleibt immer ein – Geheimnis.



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4 thoughts on “Unendlichkeit. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (12).

  1. Vier Spieler einigen sich auf ein Thema z.B. JSB`s „Goldbervariationen“ , gespielt vom jungen Glenn Gold 1955 und vom alten 1981

    🙂 puck

    1. Willkommen, Puck. Nie ausprobiert: Man sollte beide Aufnahmen einmal simultan hören und zu erfassen versuchen, was sich dabei ergibt.

      [Noch immer bei den O-Ton-Protokollen für Catania. Ich sitze mitten in schwerem LKW-Verkehr.]

    2. Ives. Sicher. So etwas schwebte mir auch vor, allerdings mit den O-Tönen. Gould selbst hat mit so etwas einmal eine Fuge gebaut: „So you want to write a fugue“. Ich hab die Produktion hier. Also wenn Du Interesse daran hast… (Man bekommt das Ding meines Wissens nicht im Handel.)

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