25 thoughts on “(Wahrheit ist noch vorrätig.)

  1. zur bedeutung der optimalen bestellmenge für die wahrheit bestandsökonomisch gesehen ist die wahrheit ein leicht verderbliches gut und erfordert besondere logistische anstrengungen. der im rahmen einer lagerhaltungsplanung des museums anzustrebende optimale lagerbestand an wahrheit ist vermutlich die halbe von der einkaufsplanung zu ermittelnde optimale bestellmenge, gegebenenfalls leicht erhöht um einen eisernen bestand für unvorhergesehene fälle. neuropoetisch ist die wahrheit allerdings nichts anderes als ein lichtsplitter aus dem herzen des gehirns und mithin überhaupt nicht lagerfähig.

  2. der run auf diese ausstellung bleibt mir ein rätsel. ‘wahrheit’ ist informativ, aber die x-te keilschrift, nun ja. mythos ist kuratorisch betrachtet eine frechheit. blakes nebukadnezar ist toll, breughel, na klar, und es gibt dieses kleine buch mit der zeichnung: der kleinen erde ist der babylonische turm aufgepfropft wie ein einhornhorn, und der verfasser beschreibt sehr sinnfällig, dass, würde man den turm bauen, die erde aus ihrer umlaufbahn geriete. darüber hängt ein ordentlicher grundriss eines aufgeräumten babylons. aber das lego-kz, der helge schneider, douglas gordons hure babylon, mit dem verdruckst werbewirksamen: nicht für jugendliche unter sowieso, oder doch eher ohne medienzugang, geeignet, was soll das? das ist doch nur noch peinlich eilig zusammengekloppt, so sieht das für meine begriffe aus. dann haut man noch zwei fette kataloge raus. schade. zu werner hofmanns zeiten zb gab es eine ausstellungsreihe, die hieß, kunst um 1800, die abbildungen der kataloge sind von minderer qualität, aber das gleichen die texte aus. heute ist es oft umgekehrt, scheint mir. mythos for the masses. der rest bleibt vorrätig. (schöner fund!).

    1. @stabigabi5. Sie haben, besonders bei “Mythos”, völlig recht; es entspricht meinem Eindruck. Allerdings jagte ich die Ausstellung in etwas mehr als einer Stunde ab. Und selbstverständlich sah ich sie mehr mit den Augen meines Achtjährigen als denen des hereingelegten Erwachsenen: für den Jungen gab es vieles zu staunen; im Pergamonmuseum sowieso. Was die wirklich sehenswerten Exponate angeht – für mich, es wird Sie nicht wundern, Franz von Stucks “Sünde” etwa -, so ist die Ausstellung um so absurder, als die meisten dieser Stücke ohnedies in Berlin museal beheimatet sind.

  3. ja, die ästhetik des widerblicks, es gibt bestaunenswert schöne exponate im pergamonmuseum. sehr wahr. aber auch in dahlem, in der asiatischen sammlung. ich erinnere mich an einen kleinen gott des höheren managements, paramasukha-chakkrasamvara (ungoogelbar), mit vielen armen und einer wunderschönen frau in zweien davon. mit den anderen hält er die übel der welt in schach und erledigt den restlichen abwasch. götter die wir wirklich brauchen.
    von stuck, hm, der symbolismus hat mich noch nie so wirklich gepackt. schiele sagt mir sehr zu. verführung als zerbrechlicher akt, das leuchtet mir irgendwie mehr ein.
    das bestücken der sonderausstellungen aus den eigenen beständen ist ja ein bewährter trick bei leeren kassen. und es ist ja gut, wenn nun geld hineingespült wird, aber es wäre einfach besser, wenn man sich den zauber mit möglichem erkenntnisgewinn erhielte. anyway. mythos bleibt arbeit.

    1. Symbolismus & Schiele. Mir ist beides gleichermaßen nah, so, wie ich auch eine Leidenschaft für die Präraffaeliten habe, was durch manche meiner Erzählungen ganz bewußt durchscheint. Mir ist in jedem Fall d i e s e Allianz lieber als eine von Schiele und Realismus/Naturalismus, an deren Ende notwendig ein Verstummen stünde und dieses unsäglich widerliche “Alles ist eitel”. Ich will singen. Kennen Sie Clebnikovs “Wenn Pferde sterben/schnaufen sie…”? Man muß das nicht ironisch oder kritisch, man kann es auch affirmativ lesen: Das unterscheidet uns, und daraus entsteht das, was von uns bleibt.

    2. wiese seyn so, wie sie es schreiben, klingt es sehr protestantisch. aber ist es nicht eine eher antiprotestantische haltung, die mit einem ‘alles ist eitel’ ausgedrückt war? eine sündige melancholie, die sich den luxus einer pubertären ablehnung leistete, a la dürers finster-trotzig dreinblickenden melancolia?
      die präraffaeliten haben mich bis auf waterhouse in der tate nie wirklich erreicht. vielleicht gibt es etwas nachzuholen. nur stand turner ihnen zuvor, das macht es etwas schwierig, finde ich.
      gibt es den chlebnikov online? hier ist es nahezu unmöglich, ihn zu bekommen. ich schreibe es mir auf. danke.
      schiele finde ich nicht weniger naturalismusfern als stuck, er schafft, wie soll ich es sagen, einen aus der fragilität des daseins bedingten realismusgewinn, der daran erinnert, was erst noch zu erschaffen wäre: behutsamkeit vielleicht. also, realimus nicht als abbildhaftigkeit verstanden, sondern im klaus herdingschen sinn, als etwas, dem man als künstler immer etwas hinzuzufügen hätte. wie courbet den ausschnitt oder das arrangement von persönlichkeit und personage. und von courbet ist nicht so wenig geblieben, obwohl er schon auch scheusslichkeiten am stück abgeliefert hat, und ähnlich wie warhol serialisierte.

    3. schaum und schnaufen ich fand ihn (chlebnikov) gerade übersetzt mit: wenn pferde sterben – schaum und schnaufen.
      SCHAUM UND SCHNAUFEN wäre ein wunderbarer titel für eine realismustagung, und ich finde, schaum und schnaufen klingt more thrilling als lieder singen, oder? pferde interessieren mich eigentlich gar nicht, aber schaum und schnaufen, toll.

    4. pferde des 20. jhdts so hab ich mir das also vorzustellen g.emiks. wie beim august sander, dessen feisten konditormeister ich immer für einen metzger hielt. ich zoome ran, und, da, blutspritzer auf bauchnabelhöhe. ich hab es immer gewusst. von wegen hundekuchen.

      wenn abdecker singen – schaum und schnaufen.
      wenn lieder erklingen – frauen und saufen.
      wenn drogen verklingen – grauen und rauchen.

    5. eine berufshistorische studie, die erzählt, wie das staunen aus der mode kam der abdecker rührt das pferd zur seife,
      der metzger stopft’s in die roßwurst,
      und wir waschen unsere hände in unschuld.

    6. mir wäre eine gesellschft aus philosophen und naturwissenschaftlern lieber.
      ohne den ganzen faulen zauber der literarischen doppelbödigkeiten und letztlich :
      der ausbeuterstrukturen.
      das mit dem drck lösch ich.

    7. @knotscher95. “der literarischen doppelbödigkeiten und letztlich : der ausbeuterstrukturen.”
      Da ich diesen – kausal unterstellten – Zusammenhang in dieser Absolutheit für kompletten Unfug halte, sollten Sie ihn vielleicht ein wenig herleiten, gerade in Differenz zu den von Ihnen zur Wahrheit ideologisierten Naturwissenschaftlern und (!!) Philosophen. Wenn ich Ihren Gedankenweg verstehe, wird mir der Gedanke vielleicht schlüssig.

    8. ach nö ach Mensch,
      ach Mensch,
      ach Mensch wie kleinlich.
      Tschuldigung ich bin immernoch vergrippt!
      Mist ich komme schon wieder zu spät zur Arbeit!
      “read An hast du mein Ledertäschchen gesehen?”
      “Ja, ellen ist damit abgetigert!” Mann ich bin aber auch ein Ja-Sager!
      Knotty, bleib! 🙂

    9. @knotscher95. Hören Sie doch bitte auf, mich beim Vornamen zu nennen. Ich empfinde das als einen durch nichts gerechtfertigten Übergriff. Sollten wir uns privat kennen, ich schrieb das aus einem selben Anlaß schon einmal, so weiß ich hier nichts davon und bitte deshalb dringend, die Formen zu wahren. Andernfalls werde ich fortan alles löschen, was noch von Ihnen kommt. Ich fände es aber schade, auf Ihre Beiträge verzichten zu müssen.

    1. @oops. Nur Mythen nicht, nein. Aber wir würden Wahrheit ohne einen Mythos wahrscheinlich gar nicht bemerken; möglicherweise gehört sie ihm – als der Inhalt eines emphatischen Begriffes – selbst an. Darum.

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