Arbeitsjournal. Mittwoch, der 17. September 2008.

6.34 Uhr:
[Arbeitswohnung. Schönberg, Orchestervariationen op. 31 (Cass.-„Projekt“, Nr. 49).]
Der gestrige Nachmittag lief ab mittags gänzlich aus dem Gerück; erst beim Zahnarzt mit dem Jungen, der sehr tapfer war, aber auch gar nichts zu fürchten hatte, während ich die leichte Peinlichkeit darüber aufheben mußte, daß ich selbst eigentlich mitten in einer Behandlung stehe, aber nicht mehr hingegangen bin. Ich war dann rundweg ehrlich: „Du, ich hab einfach momentan das Geld nicht für die Kronen.“ Er schlug mir auf die Schultern. „Mach dir keinen Kopf. Komm, wenn es geht. Und wenn zwischendurch was mit den Zähnen sein sollte, kommst du einfach s o.“ Dann hatte der Bub einen Riesenhunger, weil ihm das Essen in der Schule nicht geschmeckt hatte; er futterte zwei große Mini-Pizze. Und weil dann bis zum Beginn der Kinder-Uni immer noch viel Zeit war, sahen wir uns die Babylon-Ausstellung an; als wir sie verließen, machte ich einen wahren Lektüre-Fund, nahm ihn auf und werd ihn gleich einstellen. Die Kinder-Uni schließlich: Was atme ich eigentlich ein? Viele Experimente mit viel Dampf (Stickstoff) und Bizzel (Kohlendioxyd); erste Begriffe von Aggregatszuständen, herumrennende Kinder, die Moleküle in der Luft spielen, spazierende Kinder, die Moleküle in Flüssigkeiten spielen usw.

[Berg, Jugendlieder (Cass.-„Projekt“, Nr. 50).]

Danach heim, aber fürs Cello war keine Zeit, ich radelte auch fast sofort in die Arbeitswohnung weiter, nachdem ich die Zwillingskindchen zu Bett gebracht hatte. Und gegen zehn radelte ich dann tatsächlich zu diesem Künstlerstammtisch, wo es derart verqualmt war, daß jetzt meine ganzen Sachen danach riechen. Es war, wie man sagt, „nett“ und sehr schön, >>>> Leander Sukov wiederzusehen und seine >>>> Julietta und mit den beiden zu plaudern. Er habe, erzählte er, MEERE zu lesen begonnen; es habe etwas gebraucht, bis er das Buch bekommen habe; typische Probleme, mit denen ich bei >>>> Dielmann immer wieder konfrontiert war und wohl weiterhin bin; nachdem er >>>> meine Sizilienerzählung herausbracht hatte, bekam ich sogar, etwa ein halbes Jahr nach Erscheinen, den Anruf der seinerzeitigen Literaturchefin der Neuen Zürcher Zeitung: sie habe nun viermal bei Dielmann angerufen, habe sogar geschrieben und immer um ein Rezensionsexemplar gebeten und immer vergeblich; ob es denn wohl irgend möglich sei, eines dieser Bücher zur Besprechung zu bekommen… – aber, wie gesagt, Dielmann und ich führen eine Art Alkoholikerehe und können voneinander nicht lassen. Ich schrieb ihm gestern folgendes und blieb selbstverständlich bislang ohne Antwort:Lieber Axel, damit habe ich nun schon gar nicht mehr gerechnet. Bis wann spätestens brauchst Du alles für den Satz? Ich persönlich glaube aber ohnedies nicht mehr daran, daß das Buch zur Messe dasein wird. Dazu ist jetzt zu viel Zeit vertan, und außerdem sitze ich selbst gerade an einer heftigen Rezension, die mir der WDR dazwischengeschoben hat. Vorher hatte ich Leerlauf und gewartet… Na egal. A. Meine Neigung, die Gedichtsammlung jetzt beeiltfertigzumachen, ist insofern gering. D r e i Bücher reichen eigentlich auch in diesem Jahr, >>>> MEERE, >>>> AEOLIA/Stromboli, >>>> KYBERNETISCHER REALISMUS, dazu noch der Themenband der >>>> horen zu ANDERSWELT – also steh ich auf dieser Messe nun wirklich nicht leerhändig da.
Dennoch, ich setz mich jetzt an die Gedichte (bin später aufgestanden, da es doch s e h r viel Bier war gestern nacht, die Flasche zu 1,70, das sollten einem andere deutsche Städte erstmal nachmachen) und ab neun ans Cello. Nachmittags seh ich meine Rezension zur >>>> Villa Ginestra noch einmal durch und schick sie dann weg. Ich werde sie hier aber erst einstellen, wenn sie gesendet worden ist.
Guten Morgen, Leser. Eine hübsche junge Frau, eine junge frei Journalistin, kam gestern dazu, die derart mädchenhaft war, daß ihr aller Sex abging; ich starrte sie nur an vor Überraschung; ihr Ex, in der Art eines Stalkers, verfolge sie, vernahm ich, was ich mit ihrer Erscheinung nun gar nicht mehr auf die Reihe bekam: so sehr ging ihrem Unglück die Tragik ab, so sehr hätte ich, wäre sie nackt gewesen, das Bedürfnis gehabt, sie in einen Kjnderpyjama zu stecken und ihr zur Nacht etwas vorzulesen mit Kuß auf die Stirn und nachher “Ja, ich lasse das Licht im Flur a n”… Dabei war sie wirklich hübsch; am Körper konnte es nicht liegen.

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