Die Musik, die jemand hört.

Ist der Schlüssel zur Person. Was jemand schreibt, hingegen, s c h l i e ß t die Tür. Zumindest lehnt es sie an.

(Deshalb die U-Musik – sie reißt sie auf:
da sehn wir in unser banalestes Sehnen.)

[Poetologie.
Hörstücke.]

44 thoughts on “Die Musik, die jemand hört.

  1. Man kann sagen, daß Autoren komplexer Texte, die mit Liebe U-Musik hören, bis zu den Waden in einem warmen Sumpf stehen, derweil sie sich am Komplexen, um nicht zu versinken, festhalten. So gesehen ist Literatur dann ein – wahscheinlich unbewußter – Selbstschutz, der dem Formlosen, aus dem man atmet, Struktur gibt: eine aber, die zum Himmel schaut und den Schlamm nicht sehen mag.

    (Ich komme zum einen darauf, weil ich mir auf Empfehlung die sehr schöne >>>> Site Sophia Mandelbaums angesehen und dort in verlinkte You-Tube-Takes hineingehört habe; zum anderen habe ich mir, für das neue Hörstück, von Ricarda Junge ihre Lieblingsmusiken brennen lassen. Man muß als collagierender Autor sehr genau wählen, um nicht das Intime in ein Licht zu zerren, in das es nicht gehört. Aber es gehört in die Literatur: das macht die Angelegenheit heikel.)

    1. warum sollte ausgerechnet u-musik formlos sein, stützt sich nicht u-musik in der egel auf straighte beats ?
      formlosigkeit liesse sich doch eher einer e-musik unterstellen, wenn sie anfängt üppig zu wabern.
      es gibt aber keine formlosigkeit.
      alles, was ist, hat form.
      ( ob die einem passt oder nicht )

      was soll überhaupt eine komplexion zum himmel schauen ?

    2. p.s. wahrscheinlich ist eine sog formlose masse ein reines fantasieprodukt oder formlosigkeit ist etwas was man nicht /er)fassen kann.

    3. Mit Formlosigkeit. Meine ich Primitivität der Form: der Beat ist simpel, nämlich das kleinste gemeinsame Vielfache der musikalischen Sprache(n): Kitsch.
      E-Musik “wabert” nicht: zu wabern bedeutete, beliebig zu sein. Aber es mag sein, daß Sie – einfach aus mangelnder Hörbildung – Komplexion nicht erkennen können, weshalb Sie logischerweise auf den simplen Beat angewiesen sind, um nicht verlorenzugehen.

      “Alles, was ist, hat Form” ist eine Null-Aussage: Form selbst wird hier formlos. Mit “Form” ist das Ergebnis einer Formung nach Regeln gemeint, in der Kunst ist dieses Ergebnis eben deshalb “schön”; die Regeln wiederum können einem vorgegebenen Kanon folgen oder ihn – erschaffen.

    4. komplexion ist bildungsunabhängig wahrnehmbar.
      ( sonst könnte man nicht verraten, was einem zu komplex ist )

      dieses “alles, was ist , hat form” ist eine völlig klare aussage ohne religiöse anteile.
      was wollen sie denn an dieser aussage nachregeln ?
      grammatik ?

      und ich muss sicherlich nicht die regeln kennen, nach denen kunst konzipiert wurde.
      ich muss auch keine regeln aufstellen um kunst konzipieren zu können.
      musik ist regelwerk dem interpreten.
      ein kriterium ist vielleicht für sie schon eine regel.
      das kriterium, dass kunst tanzbar ist z.b.

    5. man kann kompelxe beats rein aus dem rhythmischen gefühl heraus herstellen, womöglich als einzelteile, und daraus dann rein gefühlsmässig anfangen zu konzipieren, z.b.

    6. p.s. u-musik ist vielleicht durch eine einförmigkeit des aufbaus ( so im allgemeinen ) charakterisiert, die sich aus wiederholungen weniger teile wie z.b. strophe und refrain dem gefühl ergibt.
      es gibt ja kaum einförmigkeit ausser als reiner monophoner ostinato.
      würde ich mal so sagen.

      bolero läuft unter rhythmischer ostinato

      ich gehe mit ihrem sprachumgang also nicht ganz d’accord

    7. Wissen Sie, Herbst, die Annahme, dass “richtig” gute Musik mit der Klassik aufgehört hat, widerspricht natürlich jedem gesunden Menschenverstand. Genie ist nun mal normalverteilt. Und das die Glockenkurve jenseits Ihrer Wahrnehmung einfach aufhöret, ist leider einfach subjektive Verzerrung. Ich will Sie ja nicht zwingen:
      Aber hören Sie sich das Genesis-Album “The Lamb lies down on Broadway an”. Für mich ist das die Ulysses des 20. Jhd. . Hören Sie Zappa. Hören Sie Henze (hören Sie wahrscheinlich). Hören Sie bisweilen auch mal Flora Purim, Chick Corea, Herbie Hancock.. Miles Davis!
      Und Sie werden merken, dass Sie einfach irgendwo steckengeblieben sind, auch literarisch. Das ist schlimm, gerade bei Ihrer literarischen Begabung. Wenn Sie sich selbst nicht so schrecklich, gerade sprachlich, in der Vergangenheit wälzen würden, wären Sie eine unglaubliche Hoffnung.

      Wirklich wohlmeinend; Irgendwer

    8. @Jemand. Was schreiben Sie da für einen unglaublichen Unfug! Ich hätte gesagt oder schreibend behauptet, mit der Klassik habe richtig gute Musik aufgehört? Also wirklich nicht. Sie lesen nicht mit. Zwei Drittel der Klassik, mindestens, d a s habe ich oft geschrieben, ist eine Nebensparte des Pops und genau so zu betrachten. Und selbstverständlich habe ich Zappa gehört, selbstverständlich Herbie Hancock und Miles Davis – nur das das gerade n i c h t Pop ist.
      Wenn Sie mir jetzt noch erzählen würden (falls Sie es könnten), wo ich literarisch, “gerade auch sprachlich”, “stehengeblieben” sei, wär ich Ihnen freilich verbunden für Konkretion. Ich wälze mich nicht in lingusistischen Doktrinen, das freilich ist wahr; ich halte sprachliche Reduktion für einen Spiegel der Unterdrückung und lasse mir nicht vormachen, daß, ohne Besteck zu fressen, weil es “proletarisch” sei und schick ist, als Zeichen für zivilisatorischen Fortschritt zu gelten habe.

    9. “rein gefühlsmäßig”. Ah ja. Und woher kommt das “Gefühl”? Wer ist es denn dann, der oder die komponiert.
      Nun ja, wir lieben unsere Prägungen, die moderner “Programmierung” genannt werden müssen.

    10. ein gefühl, das regeln folgen will, zwängt sich durch regeln ein.
      ein gefühl, was regeln benutzt, will mitregulieren, will sozial sein.
      ein gefühl, das regeln durchbricht, kann auch sozial sein wollen.
      ein gefühl, das regeln verweigert, will selbst sein – zum preis der unverständlichkeit dem rationalen.
      usw.
      alles ist gefühl.
      ( selbst das eiskalteste gefühl ist noch gefühl )
      eine regel dient der regulation.
      als regulierter regulierend komponieren – gut – eine komposition ist eine anweisung.
      bloss, wie fall ich als regulierter aus reguliertheiten ( prägungen ) ?
      imgrunde nicht mehr mit regeln.
      alles wird zur prägung insofern es prägendes gibt ( das sich einprägt )

      übrigens gibt es “das gefühl” nicht.
      und wie gefühle entstehen – das ist eine frage, die ins uferlose zielt.

      * immer unpräziser werdend *

  2. Zeige mir, was Du hörst, und ich sage Dir, wer (oder was) Du bist? Ist das wirklich so einfach? Gestern etwa genoß ich in der Philharmonie Alban Berg (Kammerkonzert für Klavier und Violine mit 13 Bläsern) und Beethovens “Eroica”, dargeboten vom West-Eastern Divan Orchestra. Das war wunderbar! Doch wenn ich im Radio die Pop-Songs meiner Jugend höre, drehe ich ja trotzdem nicht weg, sondern lauter, auch wenn ich heute weiß, daß diese Songs nicht immer wirklich gut sind. Gute, aktuelle Musik habe ich erst Ende der Siebziger entdeckt mit Tom Waits, Klaus Nomi, Meredith Monk oder Pink Floyd, um nur einige wenige zu nennen. Das alles ist sicher deckungsgleich mit dem “Geschmack” einiger anderer Zeitgenossen, doch einen Schlüssel zu meiner Person kann ich darin nicht entdecken, allenfalls sehe ich mich wie in einem kubistischen Gemälde von mehreren Seiten zugleich beleuchtet. Keine Seite ist die richtige.
    Was das Schreiben betrifft, so sehe ich das in etwa in der beschriebenen Art, denn Schreiben ist Verschlüsselung, ein Spiel, das nie zum Autor selbst führt. W. z. b. w.

    1. @ Norbert W. Schlinkert Bergs Kammerkonzert – das haben Sie “genossen”? Dann haben Sie es nicht verstanden.
      Nebenbei bemerkt: Auch Ihre Behauptung, Schreiben bedeute “Verschlüsselung” läuft ins Leere. Der Begriff der Verschlüsselung impliziert ja gerade, das jemand (i.e. der Autor selbst) über einen (und mithin den einzigen) Schlüssel zum Geschriebenen verfügt, sodass das “Spiel” überhaupt nur zum Autor führen kann. Wenn ich recht sehe, haben Sie damit also noch gar nichts “bewiesen”.

    2. @Johann W. Sommer zum “Fühlen”. Selbstverständlich kann man – gerade Alban Bergs! – Neue Musik genießen; sie ist doch keine Exerzitie der Selbstkasteiung, bzw. der Kasteiung anderer; Bergs Violinkonzert ist nicht grundlos “Dem Andenken eines Engels” (nämlich Manon Gropoius’) genannt. Und manches von Schönberg ist nicht mal ohne Kitsch, etwa das Klavierkonzert. Auch Allan Pettersson meint Gefühl und drückt es aus. Undsoweiter. Nuß daß eben Neue Musik das Gefühl nicht durch Regression aufs Primitive erreichen will, die den hörenden Menschen wie einen Pawlovschen Hund behandelt, und dieser zeigt in Masse, daß er so auch behandelt werden w i l l. Genau daran setzt meine Kritik ein. Die fühlende Masse ist ein Ungeheuer, der fühlende Einzelne ein Mensch. Jeder. Deshalb ist Neue Musik auf die Präsenz des Einzelnen aus, die ganze: sein Denken, sein Fühlen, indes die U-Musik diese Präsenz gerade vernichtet.

    3. @Johann W. Sommer Als musikalischer Laie gestatte ich es mir durchaus, Musik genießen zu können, nicht wegen der Brillanz der Darbietung oder der Komposition, sondern einfach so, weil es mich in positive Spannung versetzt, mich einen Weg beschreiten läßt, der mir zuvor unbekannt war. Verstehen muß ich da garnix, nicht nur, weil mir das Fachwissen fehlt, sondern weil Musik eine unmittelbare Wirkung hat.
      Was das (literarische) Schreiben angeht, so gestatte ich mir Ihnen zuzurufen, daß Sie einem Irrtum aufsitzen, wenn Sie den Autor als einseitig handelnden Erschaffer eines Textes ansehen. Sicher, die von Menschenhand erschaffenen “Produkte” entstehen gemeinhin nicht von allein und haben kein Eigenleben, jedes Detail bestimmt der jeweilige Erschaffer. Allerdings gibt es Ausnahmen, und eine der erstaunlichsten ist der literarische Text, der aus allgemeinverständlichen Worten einer Sprache besteht, die für sich und in der neu gesetzten Struktur eine Wirkung beim Leser hat, vor allem eine im Lesevorgang eines jeden Lesers neu entstehende. Liest der Leser einen Text, ist der Autor längst raus aus dem Spiel, der “Schlüssel” des Autors paßt nicht in den Text des Lesers. Allerdings gibt es zur Rekonstruktion des Autorenschlüssels eine eigends eingerichtete Wissenschaft, die Literaturwissenschaft nämlich. Literatur genießen kann man aber auch ohne diese.

    4. @ANH/Schlinkert: Kunstgenuss Ich lehne es ab, ja wehre mich entschieden dagegen, dass Neue Musik, ja, Kunst überhaupt, „genossen“ wird, etwa so wie man Erdbeereis, einen Tag am Strand, oder eine Massage genießt. Dieser Sprachgebrauch verstößt m. E. nicht nur gegen ein grundlegendes ästhetisches Ethos, sondern kommt einer ungehörigen Banalisierung der Kunsterfahrung überhaupt gleich. Wenn ich mit Hegel sprechen darf: „Denn in der Kunst haben wir es mit keinem bloß angenehmen oder nützlichen Spielwerk, sondern … mit einer Entfaltung der Wahrheit zu thun.“ (Dieselbe Passage findet man zu Beginn der „Philosophie der neuen Musik“ und in Gadamers „Wahrheit und Methode“).
      Nehmen Sie also Bergs Violinkonzert: Wie dort, ungefähr zur Hälfte des zweiten Satzes – der semantisch wohl tatsächlich so etwas wie einen Todeskampf darstellt – nach den wüstesten Orchesterkaskaden und schmerzlichsten Dissonanzen in der Violine – und einem jener ominösen, aber gerade für Berg so bezeichnenden „kleinsten Übergänge“ – ganz verhalten, friedlich und im bescheidenen Gewand eines Vorspiels der Bach-Choral „Es ist genug“ ertönt – das sollte betroffen machen, ja geradezu bestürzen. Genauso, wie z. B. das Tristan-Zitat im letzten Satz der Lyrischen Suite. Mit „Genuss“ hat das rein gar nichts zu tun, ebenso wenig mit „Selbstkasteiung, bzw. der Kasteiung anderer“ (müssen Sie, Herr Herbst, um ein Argument zu widerlegen, immer gleich seine Kontradiktion bemühen?), sondern schlichtweg mit: Verstehen.
      Abermals Bergs Schüler Adorno: „Keine andere Musik aus unserer Zeit ist so menschlich wie die von Berg, und davor erschrecken die Menschen.“ Und Herr Schlinkert hat das Kammerkonzert „genossen“, weil es ihn „in eine positive Spannung“ versetzte. Positive Energien also? Oder hat er an betreffendem Abend nicht Berg, sondern Zirkusmusik gehört?
      (Auf den an Schlinkert gerichteten Intentionalismus-Vorwurf, den er seltsamerweise an mich zurückrichten zu müssen meinte, will ich später noch eingehen)

    5. @Johann W. Sommer Ich für meinen Teil lehne es ab, bei bestimmten Teilen bestimmter Musik (bei bestimmten Textstellen, bestimmten Film- oder Theaterszenen) betroffen, gar bestürzt sein zu müssen. Ja wie betroffen, wie bestürzt denn, etwa so wie beim Tod eines Menschen? Oder gibt es da Abstufungen? Selbst die Katharsis des griechischen Theaters bot ja nicht mehr als die pure Möglichkeit der seelischen Reinigung, der damalige Zuschauer dürfte das Angebot angenommen haben oder nicht, ohne sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Zwang wurde in der Antike in dieser Angelegenheit wohl nicht ausgeübt, während etwa in der Epoche der Empfindsamkeit im 18. Jahrhundert, gegen die Hegel zurecht kräftig polemisiert, Männer wie Frauen als kaltherzig galten, wenn sie nicht beim entsprechenden (Kunst-) Anlaß in Tränen ausbrachen oder gar in Ohnmacht fielen. Wollen Sie im Ernst diese Art der sozialen Kontrolle, wenn es um die Rezeption und subjektive Bewertung von Kunst, die Reaktion auf Kunst geht? Wollen Sie anderen Menschen ihre Autonomie absprechen, ausgerechnet im Angesicht der Kunst? Und wenn ja, auf welcher Grundlage? Die des “grundlegenden ästhetischen Ethos’?” Was bitte soll das in der PRAXIS sein, der Verhaltenskodex des Gutmenschen, desjenigen, der Nietzsche richtig verstanden hat? (Ich verzichte hier auf aus dem Zusammenhang gerissene Zitate großer Denker, deren Autorität mir nichts gilt.)

      Und was Alban Berg betrifft, so weiß ich nichts von seinen genauen Absichten, doch wenn er gewollt hat, daß die Aufführung seiner Musik für jeden Zuhörer ein schreckliches Erlebnis ist, warum hat es dann bei mir nicht funktioniert? Haben meine Sinne die falschen Signale erfahren, beherrsche ich die Sprache der Musik nicht (was definitiv so ist), hätte ich mich vorher belesen müssen, um an den richtigen Stellen die richtigen Gefühle zu haben? Ich habe mich jedenfalls in der Musik aufgehoben gefühlt, so wie ich mich etwa in der Literatur Samuel Becketts aufgehoben fühle, von der ich allerdings auch einiges “verstehe”. Das alles gebe ich offen zu, auch wenn der Herr Sommer etwas einzuwenden hat. Zirkusmusik mag ich, ganz im Ernst, übrigens nicht, so daß ich diese, ob Kunst oder nicht, nicht genießen k ö n n t e, selbst wenn ich wollte oder müßte.

      So, nun genieße ich mein Feierabendbier, obgleich in diesem edlen Getränk die ganze Kulturgeschichte des Brauens wenn nicht der Menschheit schlechthin steckt.

    6. Herr Sommer genießt im Augenblick seine von großen Künstlern vorprogrammierte Bestürzung. Danach sucht er wieder Zitate heraus, um sie dann statt eigener Argumente zu verwenden. Dann muss er eine Eingabe an den Bundestag formulieren, damit per Gesetz der Kunst endlich Ehrerbietung zuteil werden kann. Vor allem soll jede Form von Freiheit aus ihr verschwinden, sonst kann sie nicht benutzt werden. Gegen Ende des Tages wird er sich dann Zeit für Sie nehmen, Herr Nagel.

    7. Ist das nicht wieder mal der alte streit zwischen den verfechtern eines l’art pour l’art und denjenigen, die in der kunst eine weihestätte für höheres nicht nur vermuten, sondern unbedingt finden wollen? Zum eigenen nutzen, aber ohne genuss? Humor fällt dann natürlich unter den tisch, genuss ebenso, so dass saukomische (nicht: lustige) werke der weltliteratur wie der ulysses von joyce nur falschverstanden geschätzt werden können. Machen sie sich locker!

    8. @Herrn gelöschten Nagel zu Herrn Sommer. Ich bitte, Herr Nagel, um Nachsicht, daß Ihr Kommentar entfernt werden mußte.
      Herr Sommer mag eine Meinung vertreten, die weder Ihrer noch meiner Überzeugung entspricht, das ist indes kein Grund, ihn zu beleidigen. Zumal ist seine Position in ihrer Radikalität sehr viel mehr erkenntnisfördernd als es ein “reines” Geschmacksurteile sein kann.

    9. @Johann W. Sommer. Ich verstehe Ihre Position – schon, weil ich sie selbst einmal vertreten habe -, halte sie indes für falsch. Hinter ihr steht die besonders von Adorno betriebene Ideologie, es müsse eine Kunst gefunden werden, die nicht mehr ideologisch ausbeutbar sei – in Adornos Fall war ständig an die Beugung großer Kunst durch diktatorische Regimes gedacht, in diesem Fall Hitlers, bzw. Goebbels’. Hinzu kam ein Pessimismus, der das Elend der Welt in der Kunst so aufgehoben – nämlich gestaltet – wissen wollte, daß man es nicht mehr irgendwie feiern konnte, also eben: nicht mehr genießen konnte.
      Ich denke unterdessen mit den Alten: Katharsis. Es gibt, gerade bewirkt durch Kunst, einen Genuß des Schreckens, Läuterung durch Bestürzung und folgend die angenommene Reinigung als ein geradezu religiöses Nu. Dieses Nu wird als Schauer erlebt: Erschauern, Durchschüttelwerden, kaumMehrAtmenKönnen, Weinen. Die Bestürzung i s t damit Lust. Nur so aber kann sie auch wirken. Deshalb habe ich immer wieder auf die Verwandtschaft von Kunst und Perversion hingewiesen und auf die Nähe künstlerischer Rituale und BDSM: was dort der Lustschmerz, ist hier die Ergriffenheit, die wie jener orgastisches Ausmaß annehmen kann. (politische) Verführbarkeit lauert hier in der Tat ebenso auf der Schwelle wie die Massenverführung durch politische Mächte. Dem ist, glaube ich, eben nur dadurch zu begegnen, daß das, von was wir uns erschauern lassen, nicht auf Primitivität gegründet ist, sondern auf Komplexion. Tatsächlich kann der Kunst-Schauer, kann diese Kunst-Ergreifung sich auch durch Neue Musik herstellen und stellt sich auch her, sofern man zu hören gelernt, d.h. wenn der Rezipient ähnliche viel eigene Arbeit für sein Erlebnis aufgewendet hat, wie für das Kunstwerk-selbst nötig gewesen ist. Mitarbeit nämlich.
      Diese Erlebnisse bleiben dann auch, und sie sind sogar wiederholbar. Während er keinen Grund gibt – jedenfalls nicht für Menschen, die gerne oder gar mit Leidenschaft leben -, sich einer nur-schmerzhaften Bestürzung ein zweites Mal auszusetzen. Eine Position wie die Ihre will den Rezipienten-als-Büßer und ist damit ihrerseits religiös, aber religiös im lebensfeindlichen Sinn, der auf ein Jenseits ausgerichtet ist oder auch auf das Verstummen, das einige Zeit lang geradezu Fetisch der modernen Kunstphilosophie gewesen ist. Oder aber, Ihre Position führt letzten Endes zu einem nur-rationalen Menschen, der das Irrationale ständig abwehren muß. Er verliert dann aber auch alle Liebesfähigkeit und wird letzten Endes zum Automaten.

      [Poetologie.]
    10. @ANH Danke für Ihren umsichtigen Kommentar, mit dem ich (fast) nicht gerechnet hätte und der mir durchaus zu denken gibt.

    11. @Johann W. Sommer (ff). Mein Kommentar spitzt notwendigerweise zu, gibt nur die Richtung an, in die ich unterdessen denke (und eben auch fühle). Sie ist auch ein (Zwischen)Ergebnis meiner Ablösung von Adorno, die durchaus einer Emanzipation vom (Über-Ich)Vater ähnlich sah. Hinzukommt, daß ich auf keinen Fall je wieder auf das Othmar-Schoeck’sche >>>> “Ergriffen sein!” verzichten will, und eben die Erfahrung, daß sich die große kathartische Erfahrung, die ein Erleben ist, auch in der Neuen Musik einstellen kann, und zwar mit derselben erscheinungshaften Gewalt wie etwa beim späten Verdi. Für so etwas steht bisweilen auch Zappa.

    12. wollen sie jetzt auch noch zappa in ihre primitive threaderei ( nichts anderes kann doch ein thread nicht sein als primitv in anbetracht einer solch komplexen thematik wie alleine schon neue musik und derer rezeption ) reinziehen ?
      inwieweit das schreckliche als künstlerisches surrogat einer schrecklichen weltverfasstheit im partiellen etwas anderes sein soll als das schreckliche der kunst, das angeblich katharsis hervorrufen kann, dann noch im sinne von bdsm, welches sicherlich mit wiederholungszwang, für manche wohl geradezu als sucht, einhergeht, will ich irgendwie nicht verstehen.
      katharsis bedeutet doch so etwas wie reinigung, oder nicht ?
      wenn ich mich von dreck reinige, muss unter dem dreck ja noch etwas sein, oder nicht ?
      ist das dann eine bessere welt, oder nur die haut ( was noch mit subkutanem schaudern ? ) oder am ende dann elvis – ähm – eine harmonische musik meine ich.
      wieso macht man dann nicht gleich eine harmonische musik, weil man ein wenig deppert ist im kopf ?
      ich muss also erst einmal eine kathartisch wirksam sein könnende dissonante musik
      machen, als eine art spiegel des schrecklichen in grösst möglicher komplexion, den hörer noch als mitarbeiter missbrauchen wollen und damit reinige ich dann :
      den rezipienten und dessen akustische wahrnehmungssensibilität von dem schrecklichen gegsulze und geseier so mancher ( allermeister ) radiomusik.

    13. p.s. wenn mich mir boulez oder pintscher anhöre, so ist das doch “einfach” nur noch klangverliebtheit, also ich fasse da nichts mehr kathartisch auf, eher aufzeigend so ala
      “schaut mal was man alles so an klängen aus einem ensemble / orchester herausholen kann, hat man’s drauf “.
      vielleicht kann ja katharsis das auch bedeuten – etwas reiner selbst zu machen und nicht eine reinigung an einen rezipienten delegieren.

      est ist eben nicht einfach.

    14. @l(Gast). will ich irgendwie nicht verstehenDa haben wir den Punkt, und zwar nicht irgendwie, sondern sehr genau. Dazu paßt Ihr gestelztes knöchernes, ja eingetrocknetes Deutsch:ich muss also erst einmal eine kathartisch wirksam sein könnende dissonante musik
      machen, als eine art spiegel des schrecklichen in grösst möglicher komplexion, den hörer noch als mitarbeiter missbrauchen wollen und damit reinige ich dann

    15. Für den einen Katharis, für den anderen wahrhafte Bestürzung, des einen Lust, des anderen echtes Leid – aber alles stets getragen von einem Vokabular des Leidenszwangs: Schauer, Durchschütteltwerden, Schrecken, Leidenschaft.
      Dieser ganze mensch- und ich-zentrierte Pathos kommt einem hier – mit Schopenhauer- oft als Irrweg des Individuellen, als traurige Selbstbeschränkung vor, der einer wirklichen Selbstübersteigung ins Ganze bloß im Wege steht.
      Wie schön und souverän doch einfach eine unpathetische Bach-Fuge, die nur Puls, meinetwegen Beat, und reine musikalische Fabulierlust ist. Oder der Ray Brown-Bass, der eben munter durch mein Zimmer hüpft. Davor muss und darf man einfach zugeben, dass man nur ein kleines Nicht in einem pulsierenden, nichtssagenden Universum ist. Das ist doch mal Transzendenz! Und nicht dieses selbstwichtige Verharren im eigenen Ich.

    16. ach gottchen, die probleme entstehen doch ganz wo anders als an meinem deutsch, oder eben genau dort.
      vielleicht will man heutzutage etwas mehr wahrnehmen wollen als eine hausbackene kultur, vielleicht zieht es einen zu einer weltläufigkeit.
      vielleicht ist es das, was boulez erst einmal extrem zu den klängen zieht, was da kaum noch kulturelle zuordenbarkeit evoziert, desweitern zu in der horizontale, der zeitebene des verlaufs eher einer kombination aus affekt und pause als zu einer rhythmisch deutlich wahrnehmbaren geschlossenheit, dazu ohne grossen gediegenheitsfiirlefanz ( dafür gibt’s ja schon die wohn- und schalfzimmer ) und das ganze gereinigt von tragik und anderem allzu schrecklichen einer realität, die man eben in aller konkretion wahrnehmen sollte und nicht durch das orchesterchen irgendeines komponisten, der es eh nicht in aller traurigkeit darstellen kann und somit nichts anderes tun kann, als es im geiste zu nivellieren.

      naja, boulez hat wohl gewissenhaftere hörer verdient als mich

    17. @egal. Davor muss und darf man einfach zugeben, dass man nur ein kleines Nicht in einem pulsierenden, nichtssagenden Universum ist.Und gleich weiter:Das ist doch mal Transzendenz!Nein. Sondern – Kitsch. Halt typisches U-Musikhörer-Selbstgegründel.
      Gehn Sie anderswo spielen, hier sind Sie falsch.

    18. @l. (Gast), ff. die man eben in aller konkretion wahrnehmen sollte und nicht durch das orchesterchen irgendeines komponistenIch finde es beeindruckend, wie hilfreich Sie und selbstvergessen den Leidenden ihr Leid zu lindern helfen und daß Sie das bei so wenig Bezahlung tun; daß man Sie in Fukushima mithelfen sehen kann und im Sudan beteiligt an der Abwehr des Elends – überhaupt, wie Sie die Tragik in aller Konkretion geradezu auf Hegels schlechter Stufe der Unmittelbarkeit wahrzunehmen verstehen – wenn ich jetzt noch Ihren Namen mit dem Hartz-IV-Konto wüßte, ich überwiese Ihnen ein Geld, um solch einem Engagement meine achtungsvollste Referenz zu erweisen. Aber leider sind Sie anonym – allerdings rechne ich das Ihrer Bescheidenheit zu.

    19. na gut, jetzt haben sie schon egals schönen kommentar abgebürstet, alleine dadurch fällt es mir nicht schwer, ihnen zuguterletzt noch einen schönen tag zu wünschen.
      meine verhältnisse haben sie nicht zu interessieren, auch nicht in DIESEM thread.

      guten tag.

    20. @Ombudsfrau “Humor fällt dann natürlich unter den tisch”

      Dazu fällt mir ein Diktum ein, das mir vor kurzem begegnet ist und mit dem ich Ihnen gerne antworten möchte. Es stammt von dem ungarischen Schriftsteller Frigyes Karinthy und lautet: “Beim Humor hört der Spaß auf.”

    21. @Sommer: Unendlicher Spaß ist eine drohung, ohne humor aber wird’s diktatorisch. Übrigens haben Sie sich mit herrn schlinkert falsch verstanden, Sie hätten vorab klären sollen, was unter genuss zu verstehen ist. Jetzt müssen Sie mit herbst die unsägliche perversion-diskussion durchhecheln, weil genuss eben nicht vergnügen heisst sondern auch weh tun kann, wie alle “kunst”.

    22. @Ombudsfrau. Was finden Sie unsäglich an der Perversions-Dskussion? Erklären Sie uns das bitte? (Einmal abgesehen davon, daß Herr Sommer überhaupt nichts “muß”, so wenig wie ich.)

    23. Kein Problem. Ich wollte Sie nicht belasten.
      Sie haben an Ihren poetologischen Prämissen sicherlich schwer genug zu schleppen.
      Ich muss jetzt sowieso TV (Igitt!) gucken. Da geht es um Mobilität und Autos (Ach, du Schande!), die unseren Planeten neben den Computern (Bäh! Außer mein Blog!) seit den 50ern (Hä?) entscheidend verändert haben.

      Liebe Grüße, egal

    24. “Da geht es um Mobilität und Autos, die unseren Planeten neben den Computern seit den 50ern entscheidend verändert haben.” So etwas kann man aus dem Fernseher erfahren? Ich bin erstaunt, wie ernst der Öffentlich-rechtliche Rundfunk es immer noch mit seinem Bildungsauftrag meint. Das grenzt schon an Seriosität. Dagegen ich, der an seinen Prämissen eben nicht schleppt, sondern mit ihnen tanzt und dafür, nicht vom Fernseher aber, geliebt wird, sondern von Frauen. Ein Umstand, der, prinzipiell betrachtet, unseren Planeten schon seit Jahrhunderten entscheidend verändert, also wenn man mal von der Eisenbahn absieht, die sowas aber erst seit den 50ern tut eines Jahrhunderts vor Ihrem. Man könnte auch sagen, die industriellen Dampfmaschinen hätten an der Veränderung mitgewirkt, entscheidend, aber das ist natürlich gewagt, wenn’s in der Sendung nicht vorkommt. Auch mobile Kriegsmaschinen fallen mir ein, Tanks zum Beispiel, v o r den Fünfzigern jetzt wieder Ihres Jahrhunderts. Aber natürlich möchte ich Ihnen den heimigen Aufklärungsabend nicht nachträglich vermiesen, zumal ich schon gestern abend keine Zeit dazu hatte. Entscheidend hat übrigens auch >>>> “Die Musik, die jemand hört” unsren Planeten verändert; es gibt rein keine Stille mehr

    25. Unsägliche, perverse Diskussion? Nun, mein lieber Herbst, sie wiederholt sich, die Argumente sind bekannt, jeder weiß, was der andere antworten würde oder wird. Ein Sommer macht da eh nicht mit, weil er dafür keine Zitate hat.
      Grüße aus Ombudshausen am Zwist!

    26. Liebe Ombudsfrau, Sie irren! Ihre Argumente sind mir völlig unbekannt, also in Bezug auf die perverse Bewegung der Künste; denn eine Ombudsfrau ist eine sogar für Die Dschungel völlig neue Erscheinung. Nun mag es zwar sein, daß Sie bereits unter anderen Namen Ihre Pfade in sie schlugen, allein: wessen Argumente soll ich da dann zu Rate ziehn? Sie sind sprachlich, gnädige Frau, so sehr halt nicht erkennbar, daß Autorschaft zum Stilbild wurde. Überdies verwechseln Sie den Sommer mit dem Herbst, denn dieser, nicht jener hatte die Zeit nicht.

    27. Nicht meine Argumente waren gemeint, sondern die Ihrigen und die Ihrer Gespielinnen, die allerwelt bereits bekannt sein dürften. Ich selber halte mich heraus aus derartigen Diskussionen. Außerdem sprach ich nicht von Zeit, die dieser u. jener nicht hat, sondern von Zitaten, die ein Sommer benutzt, um zu wirken.
      Frühlingshafte Grüße,
      Ihre Ombudsfrau

  3. mir fällt eine „vorsprachlichkeit“ hierzu ein, für den, der musik konsumiert (wie meinetwegen ich, irgendwann entwickelt man dabei sogar einen gewissen verwebungssinn), ohne daß ihn ein wirkliches wissen darum begleitete, eher ein erinnern, das kein bewußtes wiederholen ist. in der tat ist auch mir nicht gleichgültig, was und wie jemand hört. meistens bin ich enttäuscht, weil oft tatsächlich zu sehr das „vorsprachliche“ gemeint ist, das nicht zur sprache will. also verschiedene ebenen im hinblick auf das schreiben. das, wenn es die türen hermetisch schließt, im leser den findigen dieb mit dem richtigen dietrich sucht, den er selber nur hat, der schreiber. ansonsten schickt zumindest der dichter den leser auch wiederum ins vorsprachliche, indem er ihm die ohren klingen läßt, aber dennoch zur sprache kommen will.

  4. Während ich die Auseinandersetzung mit Ihnen, Herr Herbst, über das, was Sie unter U- oder Pop-Musik subsumieren unergiebig finde, interessiert mich der zweite und dritte Satz hier viel mehr. Warum und wie schließt das Schreiben die Tür (oder lehnt sie an)?

    1. @MelusineB. Indem es die Erscheinungen (Ereignisse in whiteheadschem Sinn) rationalisiert, also durch das analytische Verfahren der Versprachlichung-nach-Regeln laufen läßt. Rationalisierung ist ein, im freudschen Verständnis, Abwehrprozeß, der durchaus notwendig sein kann, aber eben auch Gefahr läuft, das Ereignis selbst zu verdrängen: dann kehrt das Verdrängte meist an einem Ort wider, wo man es weder mehr erkennt noch gar erwartet hat, und führt zum Ausfall-Agieren, bzw. wird fehlgeleitet, ganz ähnlich, wie sich eine schwere allergische Reaktion des Körpers von seinem Grund völlig entfernt haben und quasi-wie-aus-sich-selbst chronifiziert haben kann.
      Eine Rationalisierung ist immer auch eine Vergewaltigung der Dinge; es wird von ihnen subtrahiert, sie verlieren ganze Erscheinungscluster, die erst auf dem Umweg der Leser-Imagination wieder hergestellt werden können, aber nur annähernd: denn ein gelesenes Rot ist niemals ein gesehenes. Zumal ist jedes Schreiben eine Interpretation, in die auch jene Positionen eingehen, die wir aufgeprägt (einprogrammiert) bekommen haben, die also ihrerseits, als Positionen, nicht bewußt errungene Entscheidung sind.

    2. Im “Freudschen Verständnis” fühlt sich eine von meinem Schlag (will auch heißen: meines Geschlechts), wie unschwer zu vermuten, bisweilen recht unverstanden.

      Tatsächlich verwende auch ich die Metapher “Verdrängung”, doch ob im psychischen Apparat etwas stattfindet, das diesem Bilde auch nur ähnelt, daran zweifele ich immer öfter. Wie wenn wir ALLES hervorbringen, aber immer nur in Gestalten, die arbiträr sind? Ein Rot ist doch ein Rot für Sie, für mich nur vor dem Hintergrund unserer kulturellen Prägung. Die Grüns der Amazonas-Indianer kann ich nicht sehen. Ich liebe meine persische Freundin, doch der – für mich – schwülstige Gesang, der sie zu Tränen rührt, stößt mich ab. Ist es bloß darum keine Musik, weil ich sie nicht hören mag (bzw. kann)? Was, ja was??? wäre uns nicht “einprogrammiert” – und gleichwohl agieren wir nicht immer “programm-konform”, erleben wir nicht alles, wie wir sollen, sondern ist unserem Hören, Sehen, Denken, Lesen die Sehnsucht eingewebt, “etwas” möge das Zeichenhafte übersteigen und unmittelbar SEIN. Dieser Sehnsucht wird auch sprachlich Ausdruck verliehen und sie wird auch über Spracherfahrung erlebt.
      (Verstehen Sie mich nicht falsch: Es gibt Unterschiede zwischen den Künsten. Nur sehe ich sie nicht auf dem Gebiet der Rationalität. Die Mathematik allein könnte eine solch “rationale” Sprache sein. Schon Leibniz träumte davon. Doch alle mussten erkennen: Die Schein-Rationalität der Zahlen vermag die Welt so wenig vollständig abzubilden, wie alle anderen Formen, mit denen wir sie uns mimetisch wieder zu schaffen suchen. Wir produzieren Überschuss und Mangel in allen unseren Versuchen der Welt-Darstellung und -Wahrnehmung. Und letztlich ist es ganz belanglos, ob wir etwas real Verdrängtes wieder hervorbringen oder nur unsere Sehnsucht danach, es möge etwas mehr da sein, als alles, was “man sich träumen lässt.”).

      Dass es (vielleicht) keine ursprüngliche Erfahrung gibt, dass es nur meine Imagination ist, wenn mir die Tränen kommen, während ich Hölderlin lese, was tut das meinem Erleben für einen Abbruch? Ob ich mich nicht ganz verstehe (und andere noch weniger), weil mir immer Informationen (Prägungsnachweise) fehlen und fehlen werden oder weil da tatsächlich ein ME(E)HR ist – das ist doch letztlich ganz unwichtig, denn: “Hier stehe ich und kann nicht anders.”

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