PP18, 15. Oktober 2013: Dienstag. Kleine Zustandsbeschreibung: wie man infrieden arbeitet mit sich.

Gestern bis nachts an der Produktion gesessen, nicht einmal dazu gekommen, den Tag für Die Dschungel zu beschreiben. Dann heute früh verschlafen, so daß ich nicht zum Frühschwimmen kam; um zu laufen, wird in dieser Woche keine Zeit sein; vielleicht schaff ich es morgen früh um halb sechs ins Kraftstudio. Am Gewicht merke ich das Junkfood nicht, das ich während der Buchmesse zu mir nahm, und auch nicht, daß ich dann gestern nacht noch einen Süßigkeitenanfall hatte, wohl aber am Verhältnis meiner „inneren Werte“, mit denen ich physische meine. Der Körperfettanteil schnellt zwar nicht gleich in die Höhe, wohl aber hält er nach Höhen schon Ausschau. Was mich ärgert, klar. Aber dann bin ich sofort wieder in dem neuen Hörstück drin, und lausche ich ihm, wird mir fast alles andere beinah egal.

Ein paar sehr schöne Partien stehen nun schon; aber dazu schreibe ich jetzt getrennt. Soeben ist Thomas Zenke wieder gegangen; er wird morgen noch einmal herkommen, um dabeizusein, wenn die Rohmontage insgesamt angelegt sein wird. Den Donnerstag und den Freitag werde ich für mich alleine haben, um die Feinschnitte vorzunehmen, die feinen blenden, die Balanzen, vor allem die Sprecherdynamiken im Verhältnis zu den Tönen. Sehr wahrscheinlich wird das Hörstück bereits am Sonnabend fertig sein.

Vilnius hat sich wieder gemeldet; nun, um alles statistische Material herübergemailt zu bekommen, das ich unterdessen gesammelt habe. An sich ist meine Konzeptarbeit jetzt erledigt; heute war der Stichtag. Bin gespannt, wie es weitergehen wird. Und am Montag werde ich mit dem Sterberoman anfangen, mit dem Traumschiff. Da beginnt dann noch einmal eine andere, eine neue Zeit. Um es spöttisch auszudrücken: Ich habe meine mittlere Schaffensperiode beendet. Es ist sehr befriedigend, daß Argo und Neapel da am Ende stehen und daß es anderes, vor allem die Gedichte, gibt, das hinüberleitet. Und auch, daß Thomas Zenke in diesen Tagen bei mir sitzt, den ich nach wie vor als meinen Mentor für Radiokunst verstehe und bei dem wiederum ich, als noch fast junger Mann, derart oft gesessen habe, einfach, um zuzuhören und zu lernen. Ihm, diesem strengen Mann, zeigen zu können, daß ich die Chance nicht vertan habe, die er mir damals eröffnete, macht mich wirklich stolz. Und er – mit immer mal wieder leisen Einwänden, auf die ich sofort höre – geht meinen Weg der Aufladung mit, so verschieden wir auch sind. Hätt ich nicht meinerseits Strenge – eine formale der Konstruktion, ja Komposition – , er täte das nicht, schon ger nicht, wenn ich schluderte. Er drückte das vor einer halben Stunde so aus: „Ich arbeite abstrakter als Sie, der Sie aus einer enormen Fülle schöpfen. Beides hat Vorteile, aber auch Nachteile. Darauf muß man sehr genau achtgeben.“ Doch unser beider Herz geht auf, wenn die Musik ins Hörstück kommt. Immer. Er hört exakt Qualität, egal, in welcher Musikrichtung. Er mag manche Stücke nicht mögen, aber er hört, was sie sind. Das macht unsere gemeinsame Arbeit zutiefst erholsam.

(18.40 Uhr.)

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