Übermannung. Isabella Maria Vergana (1).

Dieses Haar! Die dicke geölte Pracht so schwer über die Schultern geworfen, daß ein Mann hineinpacken möchte und den Ballen schon in der Hand hat, der rechten, und ihn zusammendrückt, so daß es der in der Taille biegsamen Mestizin den Kopf in den Nacken zieht. Und sie öffnet, wie im Reflex, die Lippen. Unter seinem von dem heftigen Ansturm verspannten Gesicht.

[Doch die gar nicht schöne Frau tanzt nur. Sie singt. Und der Mann, zweieinhalb Meter von der kleinen Bühne entfernt, schüttelt schnell den Kopf, um diesen Traum wieder loszuwerden, der ihn bei offenen Augen überfiel.]

(Dionysos 1).

2 thoughts on “Übermannung. Isabella Maria Vergana (1).

  1. So geht es manchmal. Ich übertrage eine Notiz in Die Dschungel, formuliere sie dabei neu, fülle sie mit einer Stimmung – und plötzlich weiß ich, daß dies der Kern zu einer neuen kleinen Geschichte ist, die ich unbedingt noch schreiben muß, weil aus dem im Frühjahr 2005 erscheinenden Erzählband “Die Niedertracht der Musik” eine der tragenden Texte wieder herausgenommen wurde. Weshalb da nun eine Leerstelle klafft.
    Jetzt wird aus der hingeworfenen Skizze Dionysos in Linz. Und beginnt s o:

    Ausgerechnet in Oberösterreich, wo ich mit dergleichen nicht rechnen konnte, ist mir der Mondsohn begegnet. Ich hätte ihn bemerken müssen, er berührte mich einmal sogar mit zwei Fingern an der rechten Schulter, aber ich hielt das für einen Zufall. Selbst daß seinem Gesicht noch die einstige Zerstückelung anzusehen war, derart narbig, ja geradezu schlecht verheilt wirkte es, schürte in mir keinen Verdacht. Und sogar übers größte, übers bedeutsamste aller Zeichen blickte ich arglos hinweg: Er verkaufte am Straßenrand Granatäpfel, drei riesige Berge, die sich mit anderem Obst, mit Birnen, Äpfeln und frischen wie blutigen Kirschen geschmückt hatten. Einer der Granatäpfel war aufgeplatzt, und sein inneres Rot rief derart leuchtend nach mir, daß ich einen Moment lang stehenblieb.

    [zu Purcells Anthems.]

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