Isabella Maria Vergana (6).

[Pietro Mascagni, Iris.]



Bis jetzt durchgeschrieben, und immer noch schreibe ich und singe zu der Lirica. Keine Ahung, wie ich das Thema schließlich sprachlich in den Griff bekomme, aber die Geschichte s t e h t. Jetzt noch die Coda, irgendwie. Dann an die Feinarbeit. Noch nie war ich dem Innersten einer Allegorie so nah.




Ich hob, weil sie sich kühlte, meine linke Hand, hob sie, indem ich sie drehte, ganz vor meine Augen. Aus dem Ballen trat ein Rinnsal roten Granatapfelsafts. Und ich wußte, es war soweit. Die Geschichte, deren Beginn auch jetzt noch in weitester, mir unzugänglicher Vergangenheit liegt, verlangte wie eine über Jahre schwärende, crescendierende Musik nach der Stretta. In Carúpano war ich dafür nicht bereit gewesen, vielleicht n o c h nicht, vielleicht war es aber für den, der ich dort offenbar gewesen (oder weiterhin) bin, gar nicht möglich, sich in dieses Stück zu fügen. So hatte ich mich eines Tages, als Maria für Besorgungen ausgegangen war, davongestohlen. Und hatte den Bus nach Cumaná bestiegen. Mein Ticket für die Überfahrt nachhause war heimlich längst erstanden, über vier Wochen lag es bei mir zwischen Schonbezug und Matratze versteckt. Beide schliefen wir darauf. Ich hinterließ Maria keine Zeile, und selbst die geliebte Fotografie, die sie in einem billigen Plastikständer auf unserem Tisch aufgestellt hatte, nahm ich ihr fort. Auch ein paar der Scheine, die sie über der Spüle im Zahnglas aufbewahrte. Als das Schiff auslief, fürchtete ich, die Mestizin käme noch in allerletzter Minute an den Kai gerannt und schrie oder weinte. Oder brächte vermittels irgend eines absurden, aber heftig vorgetragenen, gewiß höchst theatralischen Vorwands die Hafenbehörde dazu, das Schiff noch einmal beidrehen zu lassen. Aber Maria erschien nicht. Und ich, als wir unter brennender Sonne die offene See erreichten und Margarita passierten, zeriss die Fotografie, zerriß selbst die Schnipsel noch einmal. Die Hunderte Fitzelchen flockten wie Schnee nahe dem Bug auf die Wogen.
Sehr allmählich blieb die Küste zurück, und wir pflügten die Karabische See. Selten fühlte ich mich derart befreit.


Das ist exakt das, was in der Musiktheorie ein Scheinschluß genannt wird. Mit dem die Coda erst eigentlich anhebt.

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