Hagen (1).

Mein Bruder also, der am Tag seines vierzigsten Geburtstages beim Wildwassertauchen umkam. Mit welchem Schaudern ich mich daran erinnere, daß wir uns – ich war siebzehn, er fünfzehn – in die Hand versprachen, niemals älter als vierzig zu werden. Und daß er sein Versprechen h i e l t. Mit der ganzen Radikalität, die diesem bis in den kriminellen Untergrund konsequenten Jungen und später Mann eignete. Er hat seinen Tod sogar geübt, hat dafür trainiert: beim Bungee-Springen, beim Absprung aus dem Flugzeug in voller Tauchermontur, bei einigen anderen extremen Sport-Disziplinen.
Und auch das ist eine Allegorie: daß er seinem Vornamen lebensdynamisch eine Rechnung trug, von der der Dichter in mir meint, sie sei durch ihn, durch den Vornamen, erst beschworen worden. Einmal ganz abgesehen davon, daß es symbolisch höchst unbesonnen ist, wenn nicht gar äußerster Gemütslosigkeit bedarf, ein Kind, das diesen belasteten Nachnamen trägt, im Nach-Hitler-Deutschland der Fünfziger Jahre ausgerechnet nach dem Tronjer aus den Nibelungen zu nennen. Nun hat sich deren Schicksal auf ihn gestürzt, ganz persönlich, ganz individuell, und zwar obwohl die Krimhild, die seine Lehnstreue in die Pflicht nahm, bloß die Mutter war, die nun wie Etzels Weib bis zu den Waden im Blut steht. Und es wahrscheinlich nicht faßt. Denn auch in ihr realisierte sich eine Allegorie.

Also diese Geschichte ist gleichfalls zu erzählen. Poetologisch fordert das: Allerpersönlichstes auszukühlen und distanziert zum Kristall zu schleifen.

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