Die Störungen der Salome (2): Lulu.

Sollte und soll ein Hörstück heißen, zusammengebaut nur aus Musiken, die es schon gibt und als Collage aus der Musik zu einer Erzählung ohne Worte wird, jedenfalls einer, die nur wenige gesprochene Sätze kennt, herunterrezitiert von einer Bühne, die das Publikum in sich hineinzieht. „Hast du je geliebt?“ fragt eine Frau, die mal hier, mal dort sitzt (übers Stereopult gesteuert, besser wäre der Kunstkopfhörer, bisweilen wird sie phasenverschoben, so daß sie niemand mehr orten kann). Nie erhält sie eine andere Antwort als die durch Musik: Tristan natürlich, Straussens Salome, nur Bergs/Wedekinds Lulu, woher der Satz stammt, wird nicht gespielt. Pettersson stattdessen, etwa Sibelius, vielleicht Schubert, selten ein Klavieranschlag Mozarts, aber Gesualdo und Purcell, zweidrei Takte Tschaikowski, eine Phrase von Brahms – die Neuen dazu: Stockhausen, Webern, Penderecki, dunkel läuft ein Scelsi darunter, Zimmermann, Platz. Das Stück wäre auch als Konzertstück denkbar, jedenfalls ergibt die Konstellation einen völlig neuen Zusammenhang.
Aber es ist unmöglich, die Kosten für die Rechte sind einfach zu hoch – und unkalkulierbar bleibt, ob die Rechtegeber überhaupt zustimmten. Das Stück kann so nur als Idee existieren, als Ungeborenes, das normative Urheberrecht treibt sie ab noch vor der Empfängnis. Bereits bei meiner Poetik-Produktion „Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen“, deren Widmungsträgerin ich nicht mehr öffentlich nennen darf, gab es Probleme mit einem Urheber von Techno-Projekten, deren eines ich zitierte. Sind die Komponisten aber seit über achtzig Jahren tot, verschiebt sich das Problem auf die Orchester, die die Komposition eingespielt haben.

Die reine Arbeit mit Zitaten ist zwar schon deshalb nicht plagiatorisch, weil mit den semantischen Zusammenhängen gespielt wird, die auch aus der Bekanntheit der verwendeten Musiken folgen: – also der auratische Hof solcher Stücke ist es, was zum tragenden Konstruktionsteil der neuen, collagierten Stück-Form wird. Doch der Versuch, die künstlerische Produktion nach den Regeln der Kapitalgesellschaft für Bankkonten äquivalent zu machen, schrapnellt solch ein Werk sogar dann nieder, wenn es selbst und seine Elemente eigentlich gar nicht für diese Regeln gemacht sind. Das Urheberrecht ist somit Anti-Kunst und erweist sich als schärfster Versuch, ein Kunstwerk verdinglichend zum Warenartikel zu machen.

[Urheberrecht (3).]



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