Auf demselben Blatt steht die Neu-Erstarkung des Urheberrechts, das scheinbar den Urheber stärkt, doch in Wahrheit den Vermittler, der die Mittel an der Hand hat, sich das Recht übertragen zu lassen, um es mit Gewinn weiterzuentäußern. Ideen und die Rechte darin werden verdinglicht, das ist nicht neu. Aber wie stark das Urheberrecht nun greift, kann nur in dem unbedingten Willen einer Besitzstandswahrung und -schaffung begriffen werden, die darauf Wert legt, um Kleingärten Zäune zu ziehen und Mauern um Parks… also das Gegenteil dessen zu tun, was Kunst, die ein Schwamm ist, benötigt. Deshalb vertreibt das Urheberrecht den Kunstcharakter aus dem Werk. Es wird disponibel und zugleich vor jeder Variante geschützt, die nicht im finanziellen Interesse des Rechteinhabers liegt (der in den allerseltensten Fällen der Künstler selbst ist; hier sticht Marx mit einem Wirbel auf den Trommeln der Produktionsmittel); l i e g t sie hingegen darin, so kommt es auf die Art der Bearbeitung n i c h t so sehr an. Die meisten Literaturverfilmungen, die ja meist dann gut sind, war die Vorlage schlecht, belegen das.
Diese Dynamik wird vom Internet unterlaufen… nicht, weil es bedeutend „moralischer“ wäre, sondern weil seine Struktur fließt, wenn sie nicht sogar entstarrend wirkt, weil das Netz den fest definierten Urheber zwar kennt, aber nicht unbedingt braucht und ihn gleichwertig mit Ungenannten collagieren kann. In der Rezeption werden beide dann ganz ähnlich fiktiv oder real sein wie reale Vorbilder von Romanfiguren, ja wie der Autor selbst für mit ihm nicht bekannte Leser. Der wird sich vernünftigerweise mit sich selbst darüber einigen, die Figuren und ihren Autor für Mischwesen zu halten. Damit hat er in jedem Fall recht. Das gilt genau so für das literarische, ja sogar private Bloggen – denn niemand kann sich sicher sein, ob nicht ein Blogg eine ganz bewußte Charade ist, mit welcher ein Dichter neue Figuren im Bewußtsein von Lesern lanciert. Und sie so ausprobiert, also “empirisch” testet. In manchen Chats ist solch ein Experimentieren mit verschiedenen Sprachverhalten schon längst nichts ungewöhnliches mehr. Klärchen , dessentwegen ich mich mit Hettche zerstritt, war einer unter anderen solchen Versuchen.
Dazu die mein kleines Experiment abschließende, von Hettche jedoch als nicht mehr moralisch aus seinem Null-Projekt gefeuerte Erzählung: <% file name="LieberOnkelAlban" %>
In ihr wachsen imaginäre und reale Personen wie im Netz ineinander (deshalb schrieb ich sie) und kommunizieren, da immer ja a u ch gilt, daß Fiktionen realitätsbildend sind, wenn man sie glaubt. Ich kann mich in einem Weblog mit demselben erkenntnisfördernden Recht auf Richard Weizsäcker, Ian Malcolm, Leopold Bloom oder meinen Frankfurter Zahnarzt stützen, ihre tatsächlichen oder imaginären Charaktere gleichen sich einander an und haben denselben Wirklichkeitswert.
(In Religionen, übrigens, galt das schon immer – bei Sätzen des Nazareners oder Gauthamas zum Beispiel -, für die Geschichte gilt es auch. Könige und Evangelisten sind, streng genommen und für uns Heutige, nichts als Figuren, denen wir ihre Wirklichkeit aufgrund einer Gesellschafts-Vereinbarung leihen. Sie ist eine Seite der Matrix und wird im bespielten Netz offenbar.)