Leere Mitte: Lilith. Probe 3. Stuttgart. (26.1.2005).

Versehentlich wurden unser Zeug in T3 statt im Glashaus aufgebaut; außerdem vergeht einige Zeit damit, funktionale Aktivboxen zu besorgen. Die Techniker sind von uns schon etwas genervt, aber schließlich bekommen wir, was wir brauchen, und es wird auch wieder gelächelt. Außerdem treibt die gute Seele des Musikprojekts, Madeleine Landlinger, Uniformen auf, eine Karte, ein Tischchen für Isherwood, Uniformmütze, Lampe. Jetzt sieht alles schon wirklich nach Szene aus.
So wird denn auch geprobt. Vorzüglich. Vieles klappt, hält man es gegen gestern, ganz erstaunlich. Innige Momente zwischen Sänger und Bratsche. Und mein lieber kleiner Laptop arbeitert auf Hochtouren und völlig befriedigend mit soundforge, auch wenn ich momentan mehr als ein technischer Assistent des Komponisten denn als Regisseur fungiere. Aber für den Ausdruck ist das völlig okay. Und sowieso halte ich mich lieber zurück, bis die Musik s i t z t. Dann wird immer noch Zeit sein, das, was die Musiker fühlen, mit leichter Hand in die Szene zu drehen. Ich lerne sie durch Beobachtung und Zuhören gut kennen, werde deshalb m i t ihren Neigungen und Stärken laborieren können; es wird eine Art Tanz werden. Musikregie zu führen, bedeutet: organisch zu denken, also die Szene übers Gefühl gestalten, nicht aufgrund eines Konzepts. Wir lernen ohnedies a l l e, gerade auch diese Partitur. Und es gilt sowieso: Prima la musica, poi le parole.




Nachmittags:

Mehrere Durchgänge versucht, RHPP wird nervös, zwei Musiker schimpfen; nur der Bratscher bleibt immer lächelnd zurückhaltend. Tatsächlich sind die Partien schreiend schwierig, das Tempo ist enorm hoch; die Einsätze müssen teils auf die Zehntelsekunde genau kommen. Je nach Raum klingt das Zuspielband anders, man hört immer andere Dinge, so daß die Orientierung, selbst das Weitergeben von Tönen für die Musiker ausgesprochen schwierig ist. Zwar ist das Zuspielband in zwei Teilen angelegt, zwischen denen für etwas Ruhe und gewissermaßen improvisierendes Musizieren Raum wäre, aber das gilt nicht für die Stuttgarter Aufführung, die auf exakt zehn Minuten festgelegt ist. Isherwood singt fast immer an der Grenze des Ausführbaren, er probt schon über alles für seine Stimme Erträgliche hinaus, so daß er bisweilen Angst bekommt, sie könne ihm für die Aufführung brechen. Der Schlagzeuger wiederum sieht seine Rolle in dem Stück (noch) nicht, spricht RHPP darauf an, den das nervt. Ich beobachte ganz ruhig, sage noch gar nichts, plane leise den Aktionsraum des Schlagzeugers in meinem Kopf. Morgen, wenn ich ihm die Koordinatensysteme auf die Metallplatten gemalt haben werde, wird er ganz plötzlich verstehen un die Angst abfallen. Seltsam, RHPP reagiert, wie ich sonst immer: Er sieht rein auf die Partitur, psychische Befindlichkeiten interessieren ihn nicht. Plötzlich, da jemand an meiner Seite sozusagen meine Rolle übernimmt, kann ich eine andere, sozialere, einnehmen. Wirkzusammenhänge.
Beim abendlichen Gespräch meint RHPP, er werde später die Patitur noch etwas revidieren müssen. Ich bin eh dafür, sich bei diesem Libretto nicht auf zehn Minuten beschränken zu lassen. Aber das kostet RHPP dann noch einmal zwei Wochen im Studio von Liège; man müßte also einen nächsten Auftraggeber finden, der das finanziert. Bekannte Problemlage.

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