Die politisch linke Vererbungslehre.

“Ich habe sehr gekämpft für Ihr Buch”, schreibt eine Journalistin, mit der ich ausgerechnet in einem SM-Chat in Kontakt komme. “Aber wissen Sie, es ging der Redaktion, die über Ihre Arbeit nichts veröffentlichen wollte, gar nicht um Literatur. Sondern: die mochten Ihren Großvater nicht.”

Daß s i e das Buch (Thetis) schließlich habe besprechen dürfen, habe ausschließlich an ihrer Herkunft gelegen; die sei nicht “ursprünglich” deutsch.

In wievielen linken Köpfen, fragen sich Die Dschungel nicht erst seit neuestem – aber sie werden immer wieder bestätigt –, hat sich die faschistoide Vorstellung einer solchen Erbschuld bis heute erhalten? Abgesehen davon, daß ein wenig Recherche genügt um herauszubekommen, daß jener Joachim von Ribbentrop ein in die Familie gegen Geld adoptierter Karrierist gewesen ist und also die tatsächliche Verwandtschaft ausgesprochen locker: S o ist auch mein Bäcker mit dem Automechaniker von der Tankstelle drei Häuser weiter verwandt und trägt an dem Fahrraddiebstahl, den dessen Großvater verübte, eine ganz unbedingte Schuld.

10 thoughts on “Die politisch linke Vererbungslehre.

    1. Nein. Er entstammt einer bürgerlichen Ribbentrop-Linie. Und ließ sich gegen, glaub ich, 2000 Reichsmark von einer adeligen Erbtante adoptieren, um mit dem Namen die Sekttochter von Henkel heiraten zu können. Deshalb mußte er und müssen heute noch seine Kinder und Kindeskinder das “von” ausschreiben; sie dürfen es also nicht zu “v.” abkürzen. Das ist ein Zeichen dafür, daß es sich um Namensteil und nicht Adelsprädikat handelt. Man spricht von “Kaufadel”. In der behördlichen Registratur werden die “von R”‘s unter “v”, die “v. R”‘s unter “r” abgelegt. Ein Wissen, das allmählich verloren geht – und ja auch tatsächlich kaum noch Bedeutung hat.
      Im Falle Joachim von Ribbentrops lege ich allerdings darauf Wert. Es g i b t keinen “Joachim von-abgekürzt Ribbentrop”, sondern das “v.” gehört gestrichen und durch “von” ersetzt.

    2. Nur über den Namen. Man trägt ihn wie ein Emblem auf der Stirn. Und die Leute sind prinzipiell ungenau, um nicht zu sagen: faul. Sie w o l l e n nicht recherchieren. Und ich bin zu stolz, um immer alles geradezubiegen. Abgesehen davon, daß es dann auch wäre, als erkennte man indirekt die Erbschuld a n. Ich bin aber ganz sicher weniger Schuld an dem Massenmord unter Hitler als der, sagen wir, Großvater von I.R., die zeitgleich Hetzjagd auf MfS-Mitarbeiter veranstaltet hat.

    3. wobei es wohl auch kaum einen unterschied macht, ob nun blutsverwandtschaft besteht oder nicht. (obwohl ich verstehe, daß der real bestehende abstand anerkannt gehört.) andererseits geht aber auch die these nicht, daß schuld durch das blut… oder so ähnlich. (das ist ja kaum zu formulieren.) das ist schließlich auch unhaltbar.

    4. Eben. Aber so wird es angewandt. Durch die hehrsten Literatur-Vermittlungs-Vertreter. Durch Lehrer. Durch vor allem die Linke. Von DIE ZEIT bis DER SPIEGEL ist alles voll damit. Und ich – mit meinem unglücklichen Namen – stehe da, es zu offenbaren. Es hat schon seinen Grund, daß einer meiner besten Romane verboten ist und die halbe Journaille das bejubelt hat. Denn das Buch spricht (unter anderem) über s i e.

  1. 2 Fragen. a) Ich gerate in eine gewisse Anfallsnähe , lese ich , ich sag’ mal , Beschwerden über ” die Linke ” , die in Organen wie dem ” Spiegel ” , der ” Zeit ” , auch der ” Welt ” ?, nun ausgerechnet tätig sein soll , also , den Kapitalismus betreffend , systemstabilisierende Mainstream-Blätter , und möchte Sie daher bitten , kurz zu präzisieren , was/wen Sie meinen , sprechen Sie von ” der Linken “.
    b) Zu meinen ” Bunker-Notizen ” : Haben Sie Interesse , daß ich diese ergänze , oder reicht das bislang Geschriebene aus – als ” Schubs ” , als Anregung ?
    Freundliche Grüße.

    1. Und die Antworten. a) Leider ist mein Charakter, der von meiner Geistesarbeit abhängt, nicht so konturiert, daß er Ihnen Anfallsfreiheit garantieren kann; noch will er das. Jedenfalls läßt er sich auf die Diskussion, ob jemand sich nur links nenne oder es tatsächlich auch sei, nicht ein. Die er meint, haben sich selbst immer als links bezeichnet, er kennt ja einige aus Studienzeiten gut, und das langt ihm vollauf. Eine ähnliche Neigung zu Vorurteil und Sippen-Gesinnung hat er bei der Konservativen, der er dennoch ebenfalls höchst skeptisch gegenübersteht, n i e erlebt. Als Arno Münster dem jungen Autor einst sagte: “Du mußt deinen Namen ändern, sonst wirst du hier n i e einen Roman veröffentlichen können”… – und als er damit recht behielt (der Autor trat ein halbes Jahr später mit dem Künstlernamen in Erscheinung und erhielt s o f o r t einen Buchvertrag), war vollkommen klar, worum es dieser Linken ging: um quasi-religiöse Schablonen. Mein Geist hat deshalb nie verlernt zu – verachten.
      Das verbotene Buch erzählt – umerfunden – unter anderem auch d a v o n; auch dies ist ein Grund, weshalb das Buchverbot von einem Großteil der Journaille derart begrüßt wurde, nämlich von der – sic! – Linken. Der geistig kleinwüchsige Christoph Hein, darob zum bückbemühten Staatsdichter mutiert, sogar noch voran.

      b) Ja, bitte. Derzeit (siehe Tagebuch) kann zwar nur Material gesammelt werden, aber vieles von dem, was Sie erzählten, ist schon in Notaten umformuliert. Ganz herzlichen Dank dafür.

    2. Immer wieder faszinierend finde ich das gähnende Desinteresse, das die Medien jenen entgegenbringen, die allen Grund haben, sich seit ihrer Kindheit mit dem Nazi-Erbe auseinanderzusetzen: also das tun, was die allermeisten Nachgeborenen nur tun, weil der Lehrplan und/oder die Political Correctness es verlangt. Gewiß hängt die auffallende Ignoranz damit zusammen, daß man uns insgeheim & irrationalerweise für braunblütig hält; doch noch mehr scheint sie mir ein Indiz dafür zu sein, daß sich unsere Gesellschaft (und nicht nur sie) der Vergangenheit nicht wirklich stellen darf und will. Und warum nicht? Weil der Wirtschaftsstandort Deutschland (und jeder andere) sich authentisch fühlende, denkende und agierende Menschen gar nicht leisten kann. Gefragt ist der nur durch die Nabelschnur des Geldes mit anderen verbundene sekundäre Autist: einer, der Gefühle (also auch Trauer) nicht empfindet, sondern sie nur simuliert, wo das rituelle Gedenken es erfordert; einer, der so strukturiert ist wie unsere Politiker , die zwischen zwei Verhandlungsterminen irgendwo pflichtschuldigst einen Katastrophenort besuchen oder einen Kranz niederlegen. Gefragt ist ein Optimismus, der heute noch ruchloser ist als zu Schopenhauers Zeiten. Gefragt ist auch das, was mich jetzt daran hindert, unbekümmert weiterzuschreiben: die Schere im Kopf; gilt doch noch immer: Wir sollen nicht denken, sondern arbeiten. Was aber Arbeit ist und sinnvolle dazu, müssen wir die Experten entscheiden lassen, notfalls auch die Richter. Denn: Deutschland muß wieder Champion werden.

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